Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › ECM Records
-
AutorBeiträge
-
vorgartenECM 1057
bill connors: theme to the gaurdian (sic!)… breiten wir über den titelverschreiber auf dem cover den gnädigen mantel des schweigens …
Dazu gibt es doch eine Geschichte oder? Connors hätte mit Eicher (oder sonstwem von ECM) gestritten und auf der falschen Schreibweise insistiert?
Hab das Album als LP aber noch viel zu selten gehört.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.de11 coole Zitate aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“
So klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
Welches Equipment verwenden eigentlich…Pink Floyd?
Musikalische Orgasmen: 6 Songs voller Höhepunkte
Dies ist (laut Fans und Kritikern) die beste Folge von „Friends“
Studio-Magier: Die 8 besten Musikproduzenten
Werbunggypsy tail windDazu gibt es doch eine Geschichte oder? Connors hätte mit Eicher (oder sonstwem von ECM) gestritten und auf der falschen Schreibweise insistiert?
genauso habe ich das auch gelesen, aber ich weiß nichts über die hintergründe.
--
ECM 1058
steve kuhn: ecstasyschnelle überzeugungsarbeit des produzenten: das steve kuhn trio ist im haus, also kann der pianist am nächsten tag gleich noch ein soloalbum einspielen. „silver“ und „life’s backward glance“ werden übernommen.
steve kuhn solo ist natürlich ein flanieren durchs bley-land, es hat auch die gleiche schnoddrigkeit, das gleiche selbstbewusstsein. in den eher lose komponierten songgerüsten entscheidet sich kuhn für das rhapsodische, wechselt ideen, findet aber wieder ins schema zurück, dazwischen bleibt er nach belieben auf akkorden hängen, die er in der melodieführung gerne mal in avantgardistisch verwischte cluster, mal in großgestischen kitsch ausfransen lässt. überhaupt: das hängenbleiben, oft mit arpeggien umspielt, verbeugt sich vor coltrane, aber eher richtung alice als richtung mc coy, deren düsterkeit blitzt bei kuhn aber nur momenthaft (wenn auch sehr effektiv) auf.
die klarer komponierten grundgerüste (das lange „thoughts of a gentleman/ the saga of harrison crabfeathers“ z.b.) gehen dann noch weiter in ihren referenzen, man hört spätromantisches, mussorgsky, kurze clusterverdunklung, dann wieder kleine, popmäßig verschmierte melodien à la jarrett (und eben auch bley), das alles zusammengesetzt ohne das freie hängenbleiben.es ist ein faszinierend großes spektrum, das kuhn hier aufmacht, und es wird ohne selbstzweifel und suchbewegung präsentiert. es hat das grüblerische und dunkle schon als versatzstücke im gepäck. der musiker öffnet sich kein stück, er führt vor. und man staunt und kann nicht recht mitfühlen. ganz am ende läuft alles auf einen zarten abschlusston hinaus – der kommt auch, aber im fortissimo, wie ein verschmitzter schienbeintritt.
Recorded November 1974 at Arne Bendiksen Studio, Oslo
Engineer: Jan Erik Kongshaug
Produced by Manfred Eicher--
ECM 1060
ralph towner: solsticeist das ein ralph-towner- oder ein ecm-album? entsteht hier die label-signatur, von der immer wieder die rede ist?
ganz eindeutig wird hier etwas zusammengestellt, was sich außerhalb von ecm wohl nie gefunden hätte. ralph towner wird aus oregon herausgetrennt, christensen und garbarek aus der norwegen-fraktion, dazu kommt der unendlich lang gehaltene ton von eberhard webers elektrischem cello, sphären und drive, klassische klavierausbildung und volksmusik von zwei kontinenten, 70er psychedelia, hybride texturen, und der spaß daran heißt dann jazz.
es passt alles so unfassbar gut zusammen hier, die horizontalen klangwolken webers, die punktierende percussion von christensen, die offenen harmonien, der verschleppte funk, die wärme von towners akustischer gitarre und garbareks flöte, die kälte der elektronischen modulationen und von garbareks schneidendem sax-ton. das design ist perfekt, der abwechslungsreichtum immens. immer mehr wird deutlich, wie sehr dieses label sich mühe gibt mit der tatsächlichen produktion eines albums, über das hinaus keine verpflichtenden verträge geschlossen werden. wenn hier der letzte ton verklingt, ist es, als ob man ein buch schließt.
Ralph Towner 12-string and classical guitars, piano
Jan Garbarek tenor and soprano saxophones, flute
Eberhard Weber bass, cello
Jon Christensen drums, percussion
Recorded December 1974 at Arne Bendiksen Studio, Oslo
Engineer: Jan Erik Kongshaug
Produced by Manfred Eicher--
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
Beiträge: 56,506
vorgartenECM 1058
steve kuhn: ecstasyschnelle überzeugungsarbeit des produzenten: das steve kuhn trio ist im haus, also kann der pianist am nächsten tag gleich noch ein soloalbum einspielen. „silver“ und „life’s backward glance“ werden übernommen.
steve kuhn solo ist natürlich ein flanieren durchs bley-land, es hat auch die gleiche schnoddrigkeit, das gleiche selbstbewusstsein. in den eher lose komponierten songgerüsten entscheidet sich kuhn für das rhapsodische, wechselt ideen, findet aber wieder ins schema zurück, dazwischen bleibt er nach belieben auf akkorden hängen, die er in der melodieführung gerne mal in avantgardistisch verwischte cluster, mal in großgestischen kitsch ausfransen lässt. überhaupt: das hängenbleiben, oft mit arpeggien umspielt, verbeugt sich vor coltrane, aber eher richtung alice als richtung mc coy, deren düsterkeit blitzt bei kuhn aber nur momenthaft (wenn auch sehr effektiv) auf.
die klarer komponierten grundgerüste (das lange „thoughts of a gentleman/ the saga of harrison crabfeathers“ z.b.) gehen dann noch weiter in ihren referenzen, man hört spätromantisches, mussorgsky, kurze clusterverdunklung, dann wieder kleine, popmäßig verschmierte melodien à la jarrett (und eben auch bley), das alles zusammengesetzt ohne das freie hängenbleiben.es ist ein faszinierend großes spektrum, das kuhn hier aufmacht, und es wird ohne selbstzweifel und suchbewegung präsentiert. es hat das grüblerische und dunkle schon als versatzstücke im gepäck. der musiker öffnet sich kein stück, er führt vor. und man staunt und kann nicht recht mitfühlen. ganz am ende läuft alles auf einen zarten abschlusston hinaus – der kommt auch, aber im fortissimo, wie ein verschmitzter schienbeintritt.
Gute Beschreibung …. ich freue mich jedenfalls darauf, dies – falls die „Post aus Fernost“ halbwegs funtioniert – bald (wieder)hören zu könnnen …. denn ein Mysterium bleibt, wo meine Vinylausgabe „steckt“ ….
--
"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)ECM 1061
john abercrombie / dave holland / jack dejohnette: gatewayinselalbum. eine der besten gitarrenjazzaufnahmen aller zeiten, so weit würde ich gehen. dave holland ist zurück bei ecm, diesmal mit dem miles-band-kollegen dejohnette und der hat gute erfahrungen mit abercrombie gemacht. das material ist großartig und sehr holland-lastig – das fängt mit einer art country-thema mit ornette-anleihen an („back – woods song“), unter dem dejohnette seinen berühmten abstrahierten funkbeat spielt, geht über in ein rubato-tongedicht („waiting“), dann kommt mit „may dance“ ein äußerst hübsches kleines thema, das in einer freien improvisation, schließlich in einem freien swing, wie er ihn später in seinen quintetten kultiviert, zerstäubt wird. auf der zweiten seite räumt der bassist kurz das feld für einen krawall-jam von abercrombie und dejohnette (was towner und christensen auf SOLSTICE übrigens auch – ziemlich toll – machen), dann kommt noch die großartige ballade „jamala“, die über fast 5 minuten ganz langsam ein bedrohliches potential entfaltet. der closer ist dann von dejohnette, nahtlos anschließend, eine dunkle beschwörung, mit dramatischer geste in den raum geschleudert, bevor abercrombie sich über einem vertrackten bassriff verausgaben kann.
man kann hier über abercrombie nicht genug schwärmen, zumal, wenn man sich ein bisschen mit gitarren auskennt. wie flüssig er verschiedene spieltechniken verknüpft, wie subtil er die wenigen modulationsmöglichkeiten seiner apparatur nutzt, welchen ton er hinbekommt und wie leicht er die ideen auftürmt und exekutiert, ist schlicht atemberaubend. das erste solo allein ist nicht von dieser welt, ganz aufgelöst in der gebrochenen heiterkeit der folkloristischen harmonien. in den vielen freien passagen auf dem album kann er nicht ganz daran anknüpfen, er sucht hörbar nach zugängen, verschärft den ton, will sich allzu kontrolliert gehen lassen, aber es ist spannend, ihm dabei zuzuhören. und ganz am ende, 7 minuten im closer, der auch noch „sorcery I“ heißt, findet er endlich den hendrixschen höhepunkt im größten dreck, den er sich je getraut hat (john mclaughlin rechts überholend), um dann im dejohnettefunk auszuglühen. just wow.
John Abercrombie guitar
Dave Holland bass
Jack DeJohnette drums
Recorded March 1975 at Tonstudio Bauer, Ludwigsburg
Engineer: Martin Wieland
Produced by Manfred Eicher--
ECM 1062
collin walcott: cloud dancehohe schönheitsdichte hier gerade. walcott bringt eine völlig neue farbe zum label, in den wenigen jahren, die ihm verbleiben, wird er zwei eigene alben und drei mit codona dort veröffentlichen, schließlich zieht sogar oregon zu ecm um, die dritte und letzte von ihnen dort ist allerdings schon mit trilok gurtu.
sitar und tabla also, und das gateway trio fließt ein bisschen mit. ich glaube, man kann walcotts weltmusik-patchwork sehr kritisch sehen – wenn jemand sitar UND tabla spielt, ist das ja eher die einverleibung einer idee als ein instrumententechnischer zugang (auch, wenn er tatsächlich bei ravi shankar studiert hat). gleichzeitig geht das bei ihm so weit, dass er immer dann fast deplaziert wirkt, wenn die musik um ihn herum zu sehr „jazz“ wird, er mag irgendwie keine klangfarbe sein, sondern spielt und komponiert tatsächlich traditionell, so weit man das sagen und hören kann. auf CLOUD DANCE geht das immer so leicht ineinander über, wobei das arrangement darauf achtet, dass die sitar der gitarre und die tabla dem bass zugeordnet werden, so dass sich schwingende und punktierende sounds abwechseln, alles dabei aber durchgängig intim bleibt. toll ist der beginn des albums, mit sitar in großbuchstaben, und der closer, der dann so ganz lässig federnd um ein melancholisch motive herumvariiert, das ich von der anlage eher als spezialität von abercrombie und dejohnette höre.
ein schönes, leichtes, irgendwie bescheidenes und doch sehr reichhaltiges album.
Collin Walcott sitar, tabla
John Abercrombie guitar
Dave Holland bass
Jack DeJohnette drums
Recorded March 1975 at Tonstudio Bauer, Ludwigsburg
Engineer: Martin Wieland
Produced by Manfred Eicher--
ECM 1063
enrico rava: THE PILGRIM AND THE STARS
es gibt gerade keine möglichkeiten etwas auszulassen hier. dabei bin ich kein ausgesprochener rava-fan, weder im freien, noch im tonalen, liedhaften spiel. natürlich hat er einen schönen ton und ihn nicht mögen geht irgendwie auch nicht, aber mir fehlt da oft die persönlichkeit in der stimme, etwas, was vom körper her kommt, substanz vielleicht. auch hier ist das von anfang an deutlich – wenig als das meiste bisher hier sieht das nach jazz aus, ist aber keiner. die themen kommen eher von opernarien oder klassischen europäischen chansons her, aber christensen rockt das hier so durch und abercrombie macht jazzgitarristen-mimikry und allein die besetzung sagt ja schon: wir sind eine jazzcombo.und dann wird es halt interessant, wenn man hört, dass die eigentlich alle woanders hin wollen und rava da so ein bisschen gepflegt drüberspielt, in den freien ‚ausbrüchen‘ ganz sauber und ein bisschen faul (ich mag jetzt keine linien spielen), ansonsten aber bleibt alles schön im europäischen notensystem aufschreibbar.
das material ist ganz schön variabel und so arrangiert, als hätte sich jemand über mehrere monate was dazu überlegt. und die drei mitmusiker können zu diesem zeitpunkt einfach nichts langweiliges spielen.und dann gerät das so ausgesprochen stimmige album ins finish und wird aufregend – erst eine ganz kurze, sehr ernsthafte verbeugung vor ornette, dann etwas, das stark nach nativ-amerikanischer folklore in cherry-perspektive klingt, schließlich das umwerfende, zweigeteilte „biancasnow“, wo ravas ton im rubato-balladenteil plötzlich etwas strahlend hymnisches bekommt und sich dann wirklich frei spielt und radikalisiert, um dann plötzlich eine art popsong hinterherzuschieben, von dem am ende nur noch der bass-vamp von danielsson übrig bleibt. hier hat sich wirklich jemand mühe gegeben.
Enrico Rava trumpet
John Abercrombie guitar
Palle Danielsson bass
Jon Christensen drums
Recorded June 1975 at Tonstudio Bauer, Ludwigsburg
Engineer: Martin Wieland
Produced by Manfred Eicher--
ECM 1064/65
keith jarrett: the köln concertdie geschichten um diese aufnahme herum sind so schön, dass sie ihr existenzrecht hätten, auch wenn sie nicht stimmten. die klavierverwechslung, der seit 20 jahren nicht mehr benutzte stutzflügel (in der hollywoodverfilmung würden spinnweben dranhängen), die hakenden pedale, dass jarrett nur die mittleren lagen gespielt hat, weil die oberen tasten klemmten, die junge konzertveranstalterin, der er sagt: wenn ich heute (trotz allem!) spiele, dann nur für dich. der übermüdete pianist. die tontechniker, die sich nach langer diskussion dazu durchringen, das konzert für die interne dokumentation dann eben doch mitzuschneiden. und war das jetzt der pausengong der kölner oper, den jarrett als einstiegsmotiv zitiert? die hälfte aller einträge dazu behauptet das, die andere sagt quatsch, einer weiß sogar, dass die oper gar keinen gong, sondern eine klingel gehabt habe.
3 einhalb millionen verkaufte tonträger (mittlerweile vielleicht sogar vier), cross-over-erfolg (also ein richtiger, nicht kamasi washington, eher getz/gilberto). jarrett und jarrettkenner und jazzhörer wissen: das war nicht sein bestes konzert. aber die leute wollten das halt so. 1975 war die welt noch in ordnung oder es gab noch die idee einer welt, die in ordnung ist und zwischen klavierakkorden und ostinati durchschimmert.
ich glaube, es ist was anderes. der große organische fluss, den jarrett hier hinbekommt, ohne den hauch eines bruchs, eines ab- oder aussetzens oder suchens, diese so überdeutliche entwicklungslinie von einem detail ins andere, die halbe popgeschichte dabei präsent, alles, was die westliche welt an musikalischer harmonie so hingekriegt hat bis dato – und alle können darin mitschwimmen. das angebot von jarrett am 24. januar 1975 war nicht ein stückchen heile welt, sondern vielleicht das versprechen, sich mit klarheit und eleganz und großer leichtigkeit durch die immer verstörender und komplexer daherkommene lebenswelt bewegen zu können, wenigstens vier albumseiten lang.
und es sind keine billigen effekte, die hier angewendet werden. meine lieblingsstelle ist mittendrin in „part II a“, wo er von der pedale abrutscht (oder so) und den perkussiven effekt danach synkopiert wiederholt, die akkorde mit der linken hand dabei weiterspielt, die melodieführende rechte aber aussetzen lässt. ein abrutscher kommt dann unpräzise, lautes aufstöhnen – aber das ganze macht er nur sieben (!) mal. so etwas zu finden und es dann nicht auszuwalzen, sondern sieben schläge später schon wieder eine idee weiter zu sein, ohne dass man den besonderen moment bereits vermisst, ist schon ziemlich groß.
Keith Jarrett piano
Recorded January 24, 1975 at the Opera in Köln, Germany
Engineer: Martin Wieland
Produced by Manfred Eicher--
An Harmonie (auch musikalischer) vielleicht schon, aber an Harmonik niemals oder? Da gibt es anderswo (auch auf den schon besprochenenen Bremen/Lausanne-Konzerten) doch wesentlich avancierteres? Ich bin da ja keinesfalls gänzlich sattelfest, aber zu behaupten Jarrett hätte die europäische Kunstmusik (um den Begriff „Klassik“ mal zu umgehen, denn nach der Klassik und der Romantik ging es ja eben noch etwas weiter – und Harmonik ist auch da, wo sie scheinbar nicht mehr ist, und sei es nur als Folie, als Abwesenheit) gänzlich absorbiert, verstanden und in sene Musik integriert schiene mir ziemlich übertrieben.
Aber nichts destotrotz, schöner Text, ich habe beinah (;-)) Lust, das Ding mal wieder aufzulegen. Hinke gerade etwas hinterher, aber die Rava, „Solstice“ und „Cloud Dance“ liegen griffbereit (die Getaway ist auch irgendwo), zu „Ecstasy“ wollte ich ja auch mal noch schreiben … aber zuerst muss die nächste Stunde für StoneFM finalisiert und (heute Abend) Murray/Takase gehört werden
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail windAn Harmonie (auch musikalischer) vielleicht schon, aber an Harmonik niemals oder? Da gibt es anderswo (auch auf den schon besprochenenen Bremen/Lausanne-Konzerten) doch wesentlich avancierteres? Ich bin da ja keinesfalls gänzlich sattelfest, aber zu behaupten Jarrett hätte die europäische Kunstmusik (um den Begriff „Klassik“ mal zu umgehen, denn nach der Klassik und der Romantik ging es ja eben noch etwas weiter – und Harmonik ist auch da, wo sie scheinbar nicht mehr ist, und sei es nur als Folie, als Abwesenheit) gänzlich absorbiert, verstanden und in sene Musik integriert schiene mir ziemlich übertrieben.
die wortwahl ist hier schon sehr bewusst natürlich hat jarrett vieles nach der romantik nicht absorbiert, zumindest hört man es nicht. ich bin ja post-zwölfton als amateur durchaus ein bisschen zuhause (gerade am wochenende habe ich in witten, wdr-prestige-festival für neue kammermusik, mehrere uraufführungen gehört), aber beim köln konzert höre ich eher eine synthese all dessen, was man so in unserer kultur als „schönklang“ bezeichnen würde.
gypsy tail windHinke gerade etwas hinterher, aber die Rava, „Solstice“ und „Cloud Dance“ liegen griffbereit (die Getaway ist auch irgendwo), zu „Ecstasy“ wollte ich ja auch mal noch schreiben … aber zuerst muss die nächste Stunde für StoneFM finalisiert und (heute Abend) Murray/Takase gehört werden
getaway murray/takase live? wäre nicht ganz so mein ding, fürchte ich. aber ich wäre sehr gespannt, was von dir über diese ecm-phase zu hören, über die ich gerade monologisiere.
--
vorgarten… beim köln konzert höre ich eher eine synthese all dessen, was man so in unserer kultur als „schönklang“ bezeichnen würde.
Dagegen keinen Widerspruch, war mir nur nicht ganz sicher, ob Du’s wirklich so gemeint hast!
vorgartengetaway murray/takase live? wäre nicht ganz so mein ding, fürchte ich. aber ich wäre sehr gespannt, was von dir über diese ecm-phase zu hören, über die ich gerade monologisiere.
Tja, Ali McGraw :liebe: … ich würde Murray auch lieber in einer anderen Formation hören, aber die letzte Gelegenheit hatte ich verpasst und diesmal gehe ich hin.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
Beiträge: 56,506
@keith Jarret „The Köln Concert“
IMO schwierig zu analysieren, was damals im Jänner 1975 in der Kölner Oper entstand bzw seinen Gang nahm …. „draussen“ brodelte musikalisch im Übermasz Rock, Fusion und die beginnende Diskophase …. ob die Welt generell „in Ordnung“ war (für mich ja …..) ist kaum zu generalisieren, könnte man doch den Zuspruch zu mancher ECM Produktionen und so ebenfalls dieser Scheibe auch als Flucht oder Abtauchen in (scheinbar ?) einfachere bzw klare Blickwinkel oder Welten deuten ….
Ich bin sicherlich kein Keith Jarrett „Kenner“, kenne ihn aber über die Dekaden so schlecht nicht und nehme „Köln Concert“ als dokumentierte Improvisationen – basierend auf der Inspiration (oder Laune ?) des Künstlers vorort – wahr …. was Jarrett darin absorbierte ist sicherlich ein taugliches Vehikel für ex-post Betrachtungen (und extensive Interpretationen ….), welche jedoch auch nicht ausschliessen können das der damals übermüdete Pianist situativ einfach Skizzen entwarf, welche sich in Einzelteilen aus akustischen Strichmännchen zusammensetzten …. das mag jetzt harsch klingen, ist jedoch (zumindest aus meiner Sicht) keinesfalls despektierlich sondern eher den jeweiligen Umständen Tribut zollend ….
War es der Ort (Oper ?), der Zeitpunkt (des Konzertes bzw der Veröffentlichung) oder der musikalische Gehalt – es wurde wie wir alle wisssen ein grosser kommerzieller Erfolg und bildete im positiven Sinn den wohl folgeschwersten unternehmerischen Schritt von Eicher in eine langfristig ökonomisch stabile Unternehmensphase – welche auch viele nachfolgende künstlerisch hochwertige „Nicht-Kassenschlager“ ermöglichte …. so liegt IMO die Bedeutung von „Köln Concert“ zu nicht geringem Teil im Letztgenannten ….
--
"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)amen
--
ECM 1069
kenny wheeler: gnu highwheeler kam höchstwahrscheinlich auf anregung von evan parker zum label. er formte gerade mit taylor und winstone das azimuth-trio, als das angebot eines leaderalbums kam (und azimuth landete ja schließlich auch bei ecm). in einem interview erzählte wheeler, dass er ursprünglich john taylor gefragt hatte, darauf klavier zu spielen, dann sei der ziemlich unmissverständliche satz von eicher gefallen: „ich glaube, es ist für uns alle besser, wenn keith das macht“. also wurde taylor wieder ausgeladen (und bekam selbst kurz danach das angebot, für ecm aufzunehmen). jarrett und wheeler kannten sich nicht, der trompeter erinnert sich an die schräge erstbegegnung im studio, als sich jarrett, ohne hallo zu sagen, einfach an den flügel setzte und zu spielen anfing.
das album mit seinen beiden suitenhaften stücken und dem kürzeren filler „smatter“ gilt als klassiker, mir bleibt es allerdings emotional ziemlich verschlossen. wheeler spielt für seine verhältnisse sehr verhalten und perfektionistisch, jarrett ist natürlich sehr dominant und setzt sein wenig sparsames spiel in fremden, dafür nur so halb geeigneten kompositionen ein, während ich vor allem dejohnettes potential nicht wirklich ausgeschöpft finde. alle vier einigen sich irgendwie auf ein stimmiges, abgeklärtes zusammenspiel ihrer individualstile im dienste eines geschlossenen ganzen, ohne dass es einzelne höhenflüge zu bewundern gäbe; die kompositionen deuten gefühligkeiten an, die dann aber ziemlich kühl exekutiert werden (vielleicht auch aus zeitmangel). eine musik, die sich nicht wirklich ereignet, sondern schon zusammengestellt erscheint, bevor die ersten töne aufgenommen wurden.
Kenny Wheeler fluegelhorn
Keith Jarrett piano
Dave Holland bass
Jack DeJohnette drums
Recorded June 1975, Generation Sound Studios, New York
Engineer: Tony May
Produced by Manfred Eicher--
-
Schlagwörter: ECM, Free At Last, Jazz, Labels, Manfred Eicher
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.