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ECM 1058
steve kuhn: ecstasy
schnelle überzeugungsarbeit des produzenten: das steve kuhn trio ist im haus, also kann der pianist am nächsten tag gleich noch ein soloalbum einspielen. „silver“ und „life’s backward glance“ werden übernommen.
steve kuhn solo ist natürlich ein flanieren durchs bley-land, es hat auch die gleiche schnoddrigkeit, das gleiche selbstbewusstsein. in den eher lose komponierten songgerüsten entscheidet sich kuhn für das rhapsodische, wechselt ideen, findet aber wieder ins schema zurück, dazwischen bleibt er nach belieben auf akkorden hängen, die er in der melodieführung gerne mal in avantgardistisch verwischte cluster, mal in großgestischen kitsch ausfransen lässt. überhaupt: das hängenbleiben, oft mit arpeggien umspielt, verbeugt sich vor coltrane, aber eher richtung alice als richtung mc coy, deren düsterkeit blitzt bei kuhn aber nur momenthaft (wenn auch sehr effektiv) auf.
die klarer komponierten grundgerüste (das lange „thoughts of a gentleman/ the saga of harrison crabfeathers“ z.b.) gehen dann noch weiter in ihren referenzen, man hört spätromantisches, mussorgsky, kurze clusterverdunklung, dann wieder kleine, popmäßig verschmierte melodien à la jarrett (und eben auch bley), das alles zusammengesetzt ohne das freie hängenbleiben.
es ist ein faszinierend großes spektrum, das kuhn hier aufmacht, und es wird ohne selbstzweifel und suchbewegung präsentiert. es hat das grüblerische und dunkle schon als versatzstücke im gepäck. der musiker öffnet sich kein stück, er führt vor. und man staunt und kann nicht recht mitfühlen. ganz am ende läuft alles auf einen zarten abschlusston hinaus – der kommt auch, aber im fortissimo, wie ein verschmitzter schienbeintritt.
Recorded November 1974 at Arne Bendiksen Studio, Oslo
Engineer: Jan Erik Kongshaug
Produced by Manfred Eicher
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