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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Vielen Dank für die Rezension zu Lankum. Deren Engagement/Bullshit ist bei mir bisher auch nicht angekommen. Ich habe ihre letzten Alben gerne und viel gehört und wäre sofort auf ein Konzert gegangen, wären Sie hier irgendwo in der Nähe aufgetreten. Aber ich weiß nicht, ob ich nicht tatsächlich sehr rasch die Halle verlassen hätte. Ich versuche, zwischen Kunst und Künstler zu trennen, aber das geht auch nicht immer.
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katsche
22. Lankum (Theater des Westens, 23.9.) *
Oha! Musikalische oder politische Gründe?
Nun, das ist bei Lankum ja nicht mehr scharf zu trennen.
Vorweggeschickt sei, dass ich mir überhaupt nur sehr früh im VVK eine Karte gekauft hatte, weil das letztjährige Lankum-Konzert im Gretchen so ein Desaster war – und ich die Band wirklich noch einmal richtig hören und sehen (im Wortsinn) wollte. Deshalb hatte ich auch eine Topplatz im Parkett und konnte das Geschehen auf der Bühne und drumherum sehr gut verfolgen. Vorausgeschickt sei ebenso, dass ich es mittlerweile ebenfalls gewohnt bin, dass Künstler*innen (v.a. aus dem UK/Irland) meinen, unbedingt von der Bühne aus Statements zum Nahost-Konflikt abgeben zu müssen oder gleich wortlos Palästina-Flaggen schwenken und im Publikum „Free Palestine“ gebrüllt wird. Wenn man das nicht über sich ergehen lassen will, wird es knapp mit Konzerten in Berlin – zumindest im „progressiven“ bzw. „Indie“-Bereich. Mir war aber nicht klar, wie sehr sich die Band Lankum offenbar mittlerweile radikalisiert und ihr Pro-Palästina-Engagement zum „Markenkern“ gemacht hat.* Andere Besucher*innen wussten das scheinbar schon: Die Anzahl der Kufiya-Träger*innen im Publikum war hoch. Auch das im Prinzip nichts Ungewöhnliches, wenn man dieser Tage in Berlin auf Konzerte geht. Doch mir kam es so vor, als ob manche Aktivist*innen nur dafür gekommen waren, um die politischen Statements der Band (und im gleichen Zuge dann sich) abzufeiern.
Nach der langen Vorrede nun zum eigentlichen Vorfall, der mich wirklich nachdrücklich erschüttert hat. Wie gesagt, dass die Band wie viele andere auch bei ihren Konzerten Stellung für die Palästinenser*innen bezieht, wusste ich. Bei dem Konzert im Gretchen haben sie aus meiner Erinnerung aber zumindest hinterhergeschickt, dass sie generell gegen die Tötung von Unschuldigen sind und jeden religiösen Fanatismus ablehnen. Davon war gestern keine Rede mehr. Im Gegenteil. Zunächst fabulierte Ian Lynch von gezielten Tötungen, bei denen palästinensischen Kindern von hinten in den Kopf geschossen werde. Was mit „Free Palestine“-Rufen und stehendem Applaus eines Teils des Publikums quittiert wurde. Dann spielte er die eigens adaptierte Version von „The Rocks Of Bawn“, die bei Lankum natürlich „The Rocks Of Palestine“ heißt und in der zum „Widerstand“ aufgerufen wird. Nach dem Song erneut frenetischer Applaus von den üblichen Teilen des Publikums. Ganz links vor der Bühne, in der ersten oder zweiten Reihe, genau vor Ian Lynch erhob sich ein Hipster-Aktivist und formte mit seinen Händen das umgedrehte Dreieck. Daraufhin nutzte die Band keineswegs die Chance, sich gegen die Hamas auszusprechen, sondern nahm die terrorverherrlichende Geste feixend, ja zustimmend zur Kenntnis.
Ok, meine Erwartung einer Widerrede war zu diesem Zeitpunkt natürlich ziemlich naiv: Es war zuvor, spätestens bei dem Kindermord-Topos, schon genug antisemitische Stimmung gemacht worden, so dass klar war, wo die Band steht. So richtig wahrhaben wollte ich das anfangs jedoch einfach nicht. Das war wirklich eine Erfahrung, die ich mir gerne erspart hätte! Von der Penetranz zur Militanz oder vom Missionarischen zum Fanatischen sind es oftmals nur kleine Schritte. Lankum ist die meines Erachtens gegangen, darum bin ich fertig mit der Band.
Und ganz grundsätzlich noch: Mir passt es einfach nicht, bei einer Kulturveranstaltung „politisch in Geiselhaft genommen zu werden“, wie das ein anderer konsternierter Konzertbesucher gestern ausdrückte. Ich möchte bei einem Konzert Musik hören und nicht von der Bühne mit (freundlich formuliert) politischem Mumpitz malträtiert werden. Zu dem Abend passte dann übrigens noch die völlig außer Kontrolle geratene Lichtshow, für die es dringend einen Warnhinweis für Epileptiker*innen hätte geben müssen. Andererseits fügte die sich aber natürlich perfekt in dieses widerliche Raunen ein, das den gesamten Auftritt begleitete.
* Ich verfolge keine sozialen Medien und habe gestern erst im Nachhinein nachgelesen, was die Band in letzter Zeit so für Äußerungen getätigt hat. Hätte ich das gewusst, wäre ich gar nicht erst ins Theater des Westens gegangen (wie offenbar Andere es taten: trotz „ausverkauft“ waren doch auffallend viele Plätze im Parkett unbesetzt).Klar und deutlich, jack, mad props. Lankums Letzte habe ich (und fand sie nur ok), das wird auch die Letzte bei mir bleiben.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.Danke für deine Eindrücke @jackofh . Ähnliches habe ich bei einem Fontaines DC Konzert erlebt (allerdings nicht in Deutschland). Immer schade wenn sich alles politisiert und dadurch Lager entstehen. Wenn sich dieses in Zukunft auch auf ihre Alben niederschlägt werde ich wohl auch in Zukunft verzichten. So bleiben immerhin drei ganz großartige Folk Alben. Und die Haltung der Band war ja durch Interviews bekannt, ihre deutliche Haltung zum Palästina Konflikt und das sie dies wohl auch auf ihren Konzerten thematisieren. Ich wußte schon im Vorfeld warum ich mir doch keine Karte gönne…… Hier in Deutschland ist das Thema ja ein größeres Pulverfass als in anderen EU Ländern.
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All I Can Do Is Be Me, Whoever That Is.Bei dem Konzert war ich auch und war ebenfalls irritiert von der Eindeutigkeit mit der sich die Band hier positionierte. „The Rocks of Palestine“ empfand ich auch als sehr unangenehm und auch die Reaktionen des Publikums waren befremdlich (ich saß allerdings ein paar Reihen weiter hinten und habe z.B. die Handgeste nicht wahrgenommen). Mir war die Position der Band bekannt und ich war auch erleichtert, als sie ein paar Minuten vorher einen Song sinngemäß damit einleiteten, dass es ein dreihundert Jahre altes Stück, das davon Handle, dass unschuldige nicht sinnlos getötet werden sollen – damit war für mich das Thema abgehakt in einem Rahmen der genug Raum für Diskurs lassen kann und bei dem die Botschaft trotzdem klar war.
Den Rest des Konzerts empfand ich allerdings inklusive Lichtshow (ja, eine Warnung wäre nötig gewesen) von der ersten Sekunde an wirklich fantastisch und fesselnd. Für mich lag das auch daran, dass bei dem reinen Sitzplatzkonzert ein großartiger Sound generiert werden konnte, der die einzelnen Instrumente wirklich zur Geltung kommen lies und die Musik für sich sprechen ließ (wäre nicht…) Dass sie das komplette False Lankum Album spielten kam mir auch entgegen. Für mich ist das schon die spannendste Platte der Band.
Ich habe totales Verständnis dafür, dass einem der politische Eifer und die Narrative die die Band verbreitet den Abend versauen konnte, aber für mich war der Rest des Abends musikalisch derart erfüllend, dass ich mir die Band auch wieder ansehen würde. Das nächste Mal dann vielleicht stehend und dann weiß man auch wann man sich ein Getränk besorgen kann.
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Danke für den Bericht @slow-train. Interessant, Mir würde es wohl ähnlich ergehen aber da ich zu einem Konzert will und zu keiner politischen Debatte würde es mich am Ende wohl schon ärgern auch wenn ich weiß, dass die mich musikalisch wieder einfangen, da ich ihre Musik einfach ganz groß finde.
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All I Can Do Is Be Me, Whoever That Is.vorgartenreihenfolge in etwa so: dave holland trio (zig zag club, 15.4.) the necks (heimathafen, 23.4.) messer (frannz club, 22.5.) arditti quartet (boulez-saal, 7.3.) lux quartet (melford/ stephens/ colley/ miller) (zig zag club, 4.3.) róisín murphy (uber eats hall, 16.3.) norma winstone & the north (zig zag club, 30.5.) berliner philharmoniker/ daniel harding (philharmonie, 20.1.) sullivan fortner (zig zag club, 4.4.)
update
dave holland trio (zig zag club, berlin, 15.4.)
the necks (heimathafen, berlin, 23.4.)
messer (frannz club, berlin, 22.5.)
vijay iyer trio (zig zag club, berlin, 30.9.)
arditti quartet (boulez-saal, berlin, 7.3.)
orchestre national de jazz & steve lehman (kesselhaus, berlin, 5.6.)
lux quartet (melford/ stephens/ colley/ miller) (zig zag club, berlin, 4.3.)
charles lloyd sky quartet divine (AHF arts summer lounge, berlin, 24.7.)
róisín murphy (uber eats hall, berlin, 16.3.)
norma winstone & the north (zig zag club, berlin, 30.5.)
berliner philharmoniker/ daniel harding (philharmonie, berlin, 20.1.)
hideki tachibana, ippei kato, shoji hano (knuttle house, tokio, 16.9.)
sullivan fortner (zig zag club, berlin, 4.4.)
prospectus (kesselhaus, berlin, 5.6.)--
Schon ziemlich beeindruckende Liste. Aber ist halt Berlin.
Gibt es halt mehr zu sehen und zu hören als woanders.Aber am 23.04. wäre ich wohl woanders hingegangen (als Berliner):
https://taz.de/Metal-Band-Khanate-im-Berghain/!6006619/
Und Caspar B. im Vorprogramm …Ich denke, dass es sowas nicht so schnell wieder gibt.
(Den Necks-Hype verstehe ich übrigens überhaupt nicht.
Aber macht nichts, man muss ja nicht überall mitmischen).--
Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)icculus66
(Den Necks-Hype verstehe ich übrigens überhaupt nicht.
Aber macht nichts, man muss ja nicht überall mitmischen).hast du die necks mal live gesehen?
gestern habe ich tony buck mit clayton thomas, brandon lopez und tobias delius verpasst, ich konnte mich einfach nicht aufraffen – das wäre wahrscheinlich schon nach deinem geschmack gewesen.und konnte ich an diesem abend nicht:
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Vor der Pandemie waren die mal im Rahmen von
Enjoy Jazz in HD. War ich aber nicht dabei.
Vielleicht ergibt sich nochmal die Möglichkeit.
Auf Tonträger zündet das bei mir (noch) nicht.
Muss ich mich mehr anstrengen?Das Peter Evans – Video ist ja schon mal sehr
ansprechend (will sagen: kommt sofort).Gehst Du zum Arkestra?
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Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)bei den necks sind tonträger und livekonzerte ziemlich verschiedene dinge, auch konzeptionell.
zum arkestra gehe ich diesmal nicht, die kombination mit joachim kühn davor fand ich nicht attraktiv.--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
hurleyDanke für den Bericht @slow-train. Interessant, Mir würde es wohl ähnlich ergehen aber da ich zu einem Konzert will und zu keiner politischen Debatte würde es mich am Ende wohl schon ärgern auch wenn ich weiß, dass die mich musikalisch wieder einfangen, da ich ihre Musik einfach ganz groß finde.
Um noch mal kurz auf dieses ambivalente Thema zurückzukommen: ich war gestern Abend in Luxemburg bei GY!BE. Ich hatte vorher auch so meine Bedenken, da sich der Titel ihres neuen Albums auf Gaza bezieht und zumindest bei Bandcamp sich sehr viele Kommentare finden im Sinne von „from the river to the see“ und „ihr steht auf der richtigen Seite“. Auf der Bühne war am Boden eine Kufiya drapiert, auf einer Box war auch der Schriftzug der (vorsichtig gesagt umstrittenen) militanten Bewegung, Palastine Action zu sehen. Glücklicherweise war es das aber auch an politischem Statement. Für mich ist das auch deswegen schwer zu verstehen, weil der eigentliche Kopf der Band, Efrim Menuck, ja gläubiger Jude ist. Oder wie ich heute in einem Artikel über Jean Améry in der NZZ gelesen habe: „Studierende, Akademiker, Künstler, selbst Verfechterinnen der LGBTQ-Bewegung (solidarisieren sich) mit einer islamistischen Terrororganisation, deren Ziel kein palästinensisches Staatswesen, sondern erklärtermassen der überregionale, übernationale Gottesstaat ist, auf dessen Territorium kein freiheitsliebender Mensch, sei er Jude oder nicht, unbehelligt nach seiner Fasson würde leben können.“ Das ist für mich wichtiger Punkt. Das Publikum war allerdings offensichtlich unpolitisch, Kufiya und Slogan waren wahrscheinlich in der dritten Reihe schon kaum noch zu sehen. Und musikalisch war es schlicht großartig.
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Klar kann man das alles ausblenden. Das ist letztlich eine individuelle Entscheidung. Ich halte es da eher mit Jonas Engelmann und gehe auf Distanz. Auch wenn ich es wie er tragisch finde, dass das gesamte Constellation-Label schon vor einiger Zeit dem BDS anheimgefallen ist.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
jackofhKlar kann man das alles ausblenden. Das ist letztlich eine individuelle Entscheidung. Ich halte es da eher mit Jonas Engelmann und gehe auf Distanz. Auch wenn ich es wie er tragisch finde, dass das gesamte Constellation-Label schon vor einiger Zeit dem BDS anheimgefallen ist.
Vielen Dank für den sehr lesenswerten Artikel. Das war tatsächlich bisher an mir vorbeigegangen. Auch, dass Matana Roberts, die ich ebenfalls musikalisch sehr schätze, dem gleichen Label angehört und wahrscheinlich auch dessen Ziele unterstützt?
Es ist wirklich ein schwieriges Thema. Bisher hatte ich bei Konzerten überhaupt noch keine entsprechenden Erfahrungen gemacht, vielleicht auch einfach Glück gehabt – Metallica, Taylor Swift, Paolo Nutini, zuletzt drei Mal Mylène Farmer in Paris … viel Musik, keine Politik.
Ich war als Schüler mehrere Wochen in Israel, eine Zeit die ich nie vergessen werde. Wir waren damals auch in der Westbank und wir hatten alle die Hoffnung, dass dort unten irgendwann mal Frieden herrschen könnte. Das ist jetzt fast 40 Jahre her und ich habe alle Illusionen verloren. Es ist ja eben auch nicht wie in Südafrika, ein Vergleich, die die Anhänger von BDS und Konsorten gerne verwenden. Und es wird wahrscheinlich auch nie einen palästinensischen Mandela geben. Der rechte Antisemitismus war immer widerlich, aber der linke ist in seiner Naivität und Ausklammerung der Realität für mich auch einfach nicht nachvollziehbar.
Genug. Ich bin wirklich frustriert.
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doc-f Vielen Dank für den sehr lesenswerten Artikel. Das war tatsächlich bisher an mir vorbeigegangen. Auch, dass Matana Roberts, die ich ebenfalls musikalisch sehr schätze, dem gleichen Label angehört und wahrscheinlich auch dessen Ziele unterstützt? Es ist wirklich ein schwieriges Thema.
Davon ist gemäß dem letzten Live-Release und dem „Free, free Palestine“ Chor auszugehen.
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Hold on Magnolia to that great highway moonMatana Roberts hat schon 2010 den BDS-Aufruf unterzeichnet. Wiewohl sie zumindest bei ihren Auftritten in Deutschland, die ich verfolgt habe, durchaus differenzierter bzw. allgemeiner Stellung bezog (wenn sie es denn tat). Aber ich will jetzt auch nicht darauf herumreiten – frustrierend ist es allemal, dass man heute kaum noch zu Konzerten gehen kann, ohne diesen Konflikt von der Bühne oder im Publikum thematisiert zu bekommen. Denn, wie Hurley oben schon schrieb, dafür ist man ja nicht gekommen. Das kann aber auch eine Berlin-spezifische Erfahrung sein (das Konzertpublikum hier ist sehr international i.d.R.).
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