Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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  • #4521979  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
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    Laurence Anyways von Xavier Dolan

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    #4521981  | PERMALINK

    hipecac

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    Napoleon DynamiteLaurence Anyways von Xavier Dolan

    Und?

    #4521983  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    Jesus‘ Son – The Funny Life of Fuckhead
    (Regie: Alison McLean – Kanada/USA, 1999)

    1974, irgendwo im Mittleren Westen: Fuckhead (Billy Crudup) ist auf der Suche nach seiner Freundin Michelle (Samantha Morton), die mit einem Typen namens John Smith (Will Patton) durchgebrannt ist. Er steht zugedröhnt im strömenden Regen am Straßenrand und hält den Daumen raus, als tatsächlich ein Wagen anhält. Obwohl Fuckhead es im Gefühl hat, dass dieses Auto, in dem eine ganze Familie sitzt, in einen Unfall verwickelt werden wird, steigt er ein. Und tatsächlich – einige Zeit später passiert ein Unglück…

    In „Jesus‘ Son – The Funny Life Of Fuckhead“ erfahren wir episodenhaft vom ziellosen Leben eines Mittzwanzigers Anfang der 70er Jahre in den USA, das von seinem Drogenkonsum und durch die komplizierte Beziehung zu einem Mädchen namens Michelle bestimmt wird. Er ist einer der Ausgespuckten, einer der Hinterbliebenen des großen Traums vom Aufbruch, von einer neuen Gesellschaft. John Lennon bemerkte 1971 auf einem Konzert: „Flower Power didn’t work. So what?“ – „Was soll’s?“ denkt sich auch Fuckhead, der seine eigene Geschichte per Voice-Over erzählt, im Duktus eines Drogenkonsumenten: Er holt weit aus, schlägt viele Haken, um sich zu verheddern und wieder neu anzusetzen. Manchmal lauscht man erstaunlich tiefgründigen, drogeninduzierten Weisheiten, die jedoch ebenso schnell von stumpfsinnigem, aber lustigem Schwachsinn abgelöst werden. Humor ist eine der großen Stärken von „Jesus‘ Son“, ohne dass dieser die ernste Geschichte des jungen, unbedarften Drifters verraten würde. Es ist ein eigenständiger Humor, der nur in Symbiose mit der speziellen Atmosphäre und der Figur von Fuckhead funktioniert.
    Naheliegend wäre eine aufwendige, audiovisuell verzerrte Darstellung des dauerbreiten Lebenswandels gewesen, Regisseurin Alison McLean verlässt sich aber (bis auf kleinere Ausnahmen) vollständig auf Dia- und Monologe, sowie Erzählstruktur und den Inhalt des Geredeten, um den Trip erlebbar zu machen. Die Ereignisse des Drehbuchs schlingern auch mal an der Grenze zum Phantastischen, diese Grenze wird aber nie überschritten, höchstens leicht verschoben, so dass es durchaus sein könnte, dass Fuckheads Roadtrip so oder so ähnlich stattgefunden hat. Geholfen hat sicherlich auch die Riege von talentierten Darstellern, die von Billy Crudup in der Hauptrolle angeführt werden. Selbst ein nervtötender Kasper wie Jack Black hält sich hier auffallend zurück und macht aus seiner Rolle einen liebevollen Auftritt, den man getrost zu den Höhepunkten von „Jesus‘ Son“ zählen kann. Denis Leary, Holly Hunter und Dennis Hopper sind weitere bekannte Namen, die den Cast bereichern – und es scheint passend Dennis Hopper für einen Film dieser Art zu besetzen, wenn auch nur für eine kleine Szene. Auch diese: ein Highlight („Talk into my bullet hole, tell me I’m fine.“).
    „Jesus‘ Son – The Funny Life Of Fuckhead“ ist mitreißend, sedierend, einlullend, witzig, stumpf, philosophisch, profan, traurig, lakonisch, phantasievoll, real, anziehend, grotesk, zärtlich und immer mit guter Musik unterlegt. Auf dem Soundtrack geben sich neben Wilco, Bob Dylan und Neil Young mit Crazy Horse auch die Louvin Brothers und ihr Hit „Satan Is Real“ die Ehre, weiterhin hört man Tracks von Dick Dale, den McCoys, Paul Revere & The Raiders und Booker T. & The MGs – nur „Heroin“ (ein Song von Velvet Underground) fehlt, obwohl sich der Film (bzw. die literarische Vorlage von Denis Johnson, eine Kurzgeschichtensammlung) aus diesem seinen Titel leiht.
    Fuckhead beginnt zum Schluss seinen Platz in der Welt der (V)erwachsenen zu finden, steht aber noch so mancher Einstellung der Menschen dieses Planeten ratlos gegenüber. Als ein Patient in einem Pflegeheim, in dem er zwischenzeitlich einen Job gefunden hat, die Scheidungspapiere von seiner Frau erhält, einen Nervenzusammenbruch erleidet und sich nicht bemüht seine Gefühle zu verbergen, meint er erstaunt: „He was completely and openly a mess. Meanwhile, the rest of us go on pretending to each other.“ Viel wichtiger aber: „All this work is messing with my high.“ I can dig this.

    Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=4C7KjAd5PT4

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    #4521985  | PERMALINK

    hotblack-desiato

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    Be Kind Rewind

    Liebenswert
    Ja, auch wegen Jack Black!

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    ~ Mut ist, zu wissen, dass es weh tun kann und es trotzdem zu tun. Dummheit ist dasselbe. Und deswegen ist das Leben so schwer. ~
    #4521987  | PERMALINK

    hello_skinny

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    A Page of Madness (Kinugasa Teinosuke, 1926) ****1/2

    #4521989  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
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    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,865

    hipecacUnd?

    Ich musste den Film nochmal einen Tag nachklingen lassen. Leider eher zwiespältig: Teilweise sehr eindringlich und intim – die meisten Filme über transsexuelle Hauptfiguren, selbst Fassbinders „In einem Jahr mit 13 Monden“, klammern ja deren alltägliches Leben eher aus und spitzen lieber melodramatisch stark zu. „Laurence“ besaß immer wieder schöne Momente, in denen es konkret um die Figuren ging, wie verschiedene Vorstellungen von Sexualität sich auf Beziehungen auswirken etc. Dolan hat aber wohl immer noch nicht genügend Vertrauen darin, einfach genau hinzuschauen und festzuhalten, einen nicht unerheblichen Teil des Filmes (der gemütliche 160 Minuten dauert, wrap it up!) machen wieder nur unzählige bildgewaltige Tableaus und dekorative Kunststückchen aus, die selten eine andere Funktion erfüllen als visuell zu beeindrucken. Wie gesagt, leider eher zwiespältig.


    Stoker von Chan-wook Park

    Hollywood bekommt asiatischen Filmemachern in der Regel eher schlecht, Chan-wook Park ist aber vermutlich der erste Regisseur, der nach einem Jahrzehnt reich an kraftmeiernden Fehlschüssen nun in den USA seinen ersten wirklich schönen Film gedreht hat. Was aber eh in erster Linie zählt: Ach, Mia!

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    A Kiss in the Dreamhouse  
    #4521991  | PERMALINK

    mark-oliver-everett

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    zero dark thirty. 3/10. bigelow hätte mal lieber einen film über abu-ghuraib drehen sollen.

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    #4521993  | PERMALINK

    nail75

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    Mark Oliver Everettzero dark thirty. 3/10. bigelow hätte mal lieber einen film über abu-ghuraib drehen sollen.

    Ich glaube, das hätte ihre binäre Weltsicht komplett ausgehebelt. Aber ich gebe dir grundsätzlich recht.

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    #4521995  | PERMALINK

    latho
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    nail75Ich glaube, das hätte ihre binäre Weltsicht komplett ausgehebelt. Aber ich gebe dir grundsätzlich recht.

    Binär? Bei Bigelow? Zero Dark Thirty ist ein ziemlich nachdenklicher Film. Allerdings kein offensichtlicher.

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    #4521997  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

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    lathoBinär? Bei Bigelow? Zero Dark Thirty ist ein ziemlich nachdenklicher Film. Allerdings kein offensichtlicher.

    Der Film ist ein subtiler Versuch, dem Zuschauer Folter als angemessen zu verkaufen.

    Jedenfalls war ich darüber verärgert, dass der Film so gar keine Haltung einnehmen will. Alles passiert einfach. Es ist weder ein Obama-Werbefilm, noch ein Armee- oder Geheimdienst-Werbefilm, jedenfalls kein Heldenepos. Die Charaktere sind eigentlich alles Arschlöcher, die Terroristen sind noch am ehesten als Menschen erkennbar. Aber einen Prozess des Nachdenkens habe ich in dem Film vergeblich gesucht.

    Man kann Bigelow nicht vorwerfen, dass sie irgendetwas glorifiziert. Aber sie stellt Zusammenhänge her, wo keine sind und führt den Zuschauer daher auf eine falsche Fährte. Glechzeitig – und das ist das Perfide – verweigert sich sie aber der Debatte darüber. Das geht mit mir nicht.

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    #4521999  | PERMALINK

    Anonym
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    nail75Der Film ist ein subtiler Versuch, dem Zuschauer Folter als angemessen zu verkaufen.

    Nein, das ist nicht richtig. Der Film ist überhaupt nicht mit irgendeiner Moralkeule unterwegs, weder mit einer subtilen noch mit einer plakativen. ZDT schildert Folter als etwas Alltägliches, nichts Skandalöses, was wiederum den eigentlichen Kern der Sache freilegt: das Geschehen ist düster und verwerflich, weil sich die Protagonisten eben den Mechanismen von Folter, Korruption etc. unterordnen und mitmachen und genau DAS ist der eigentliche Skandal! Der Film suggeriert dem Zuschauer zu keinem Zeitpunkt Folter als legitimes Mittel, das Gegenteil ist der Fall.

    --

    #4522001  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Nein, das bestreite ich entschieden. Der Film stellt zu keinem Zeitpunkt Folter als unangemessen dar, es gibt nicht die allergeringste Andeutung in dieser Hinsicht. Es gibt auch keine Reflektion, keine Debatte, gar nichts. Insofern kann ich nicht erkennen, dass hier der „eigentliche Kern der Sache“ freigelegt wird. Der Film tut so, als würde er keine moralische Position einnehmen und genau das ist das Verwerfliche an der Sache. Denn in Wirklichkeit unterstützt er eben Folter und andere unmenschliche Praktiken. „Es passiert halt, lohnt sich darüber zu reden, am Ende kommt ja etwas gutes bei raus. Der Zweck heiligt die Mittel. 9/11 rechtfertigt sowieso alles“

    Und genau diese Rechtfertigung stammt von Bigelow selbst:

    Experts disagree sharply on the facts and particulars of the intelligence hunt, and doubtlessly that debate will continue. As for what I personally believe, which has been the subject of inquiries, accusations and speculation, I think Osama bin Laden was found due to ingenious detective work. Torture was, however, as we all know, employed in the early years of the hunt. That doesn’t mean it was the key to finding Bin Laden. It means it is a part of the story we couldn’t ignore. War, obviously, isn’t pretty, and we were not interested in portraying this military action as free of moral consequences.

    Dennoch stellt sie es so dar, als hätte Folter eine wichtige Rolle gespielt, obwohl sie es besser weiß.

    Aber am Ende sind die Geheimdienstler und Soldaten eben doch Helden, die Amerika beschützen:

    In that vein, we should never discount and never forget the thousands of innocent lives lost on 9/11 and subsequent terrorist attacks. We should never forget the brave work of those professionals in the military and intelligence communities who paid the ultimate price in the effort to combat a grave threat to this nation’s safety and security.

    Und das geht einfach nicht.

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    #4522003  | PERMALINK

    mark-oliver-everett

    Registriert seit: 14.12.2003

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    pinchDer Film suggeriert dem Zuschauer zu keinem Zeitpunkt Folter als legitimes Mittel, das Gegenteil ist der Fall.

    na ja… der Einstieg in den Film sind Tonauasschnitte von 9/11. keine zwei minuten später folgt wie einer der Hintermänner von 9/11 gefoltert wird. und am ende dieser mühsam erzählten chronologie der jagd nach bin laden steht schliesslich genau der mann, dessen namen die agenten zu Beginn des Filmes nur dank Folter erfahren konnten. Auch ohne Moralkeule suggeriert Bigelow in diesem Film so einiges.

    --

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    #4522005  | PERMALINK

    hotblack-desiato

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    Hancock

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    #4522007  | PERMALINK

    Anonym
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    nail75Der Film stellt zu keinem Zeitpunkt Folter als unangemessen dar, es gibt nicht die allergeringste Andeutung in dieser Hinsicht.

    Wie geschrieben: ZERO DARK THIRTY schildert Folter als etwas Alltägliches, nichts Skandalöses, als etwas augenscheinlich Notwendiges. Aber wie der von dir zitierte Block mit Bigelows Statement ja schon sagt, geht es hier nicht um die Legitimation von Foltermethoden als heiligstes Mittel zum Zweck, sondern am Ende eher um deren Hinterfragung. Gerade weil der Film hierzu ambivalent bleibt und kein Lehrstück im Brecht’schen Sinne anbietet, führt er letztlich beim Betrachter zu mehr gedanklichen Auseinandersetzungen zum Thema Folter, als es eine gutgemeinte, moralisch einwandfreie Doku je erreicht hätte.

    EDIT: Zizek hat recht, wenn er schreibt, die Normalisierung von Folter in ZERO DARK THIRTY „is a sign of the moral vacuum we are gradually approaching.“

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