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WerbungIrrlichtEine beeindruckende Reise, die weit mehr an etwas Übernatürliches glaubt, als denn religiöser, zwangvoller Dogmatik zu folgen.
Ich habe noch nie eine so penetrante Behandlung des Theodizeeproblems gesehen – und will das auch nie wieder sehen. Wenn ich geahnt hätte, was mich erwartet, wäre ich nicht ins Kino gegangen. Nur mit Rücksicht auf einen Freund bin ich nicht während des Films raus. Ich bin aber sicher auch jemand, dem man mit religiös-esoterischen Verallgemeinerungen niemals kommen sollte („Sechs Millionen Juden sind umgebracht worden, aber gleichzeitig sind sie jetzt im Himmel bei ihrem Schöpfer…“)
tina toledoHier aber mit starker Betonung auf „auch“. Denn obgleich man den Kontext der USA der 50er Jahre natürlich nicht völlig außer Acht lassen sollte (und angeblich ja auch viel Autobiographisches in diesen Figuren steckt), erzählt Malick m.E. bewusst eine einigermaßen universelle und zeitungebunde (upper-)middle-class-Familiengeschichte, die quasi „wahllos“ aus der Weltall-Perspektive herangezoomt wird und auf die sich all diese gewaltigen existentiellen Fragen des Lebens übertragen.
Aus meiner Sicht ist damit das Grundproblem des Films beschrieben. Das funktioniert (für mich) eben nicht. Individuelles Leid lässt sich eben nicht in filmischer Weise religiös-esoterisch verallgemeinern. Es bleibt immer individuelles Leid. Und dieser unauflösbare Widerspruch wird im Film ja nur auf die billigste Weise gelöst, nämlich mit einer kitischigen Wiedervereinigungsszene im „Himmel“.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.tina toledoMacht das ungefähr Sinn?
Ja, absolut. Ich kann deine Bedenken auch sehr gut nachvollziehen und hätte sie durchaus auch haben können, war aber von dem Film so überwältigt, dass sie schlicht keine Chance hatten. Vielleicht würde ich „The Tree of Life“ aber beim zweiten Mal kritischer sehen.
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nail75Ich habe noch nie eine so penetrante Behandlung des Theodizeeproblems gesehen
Ich habe den Film nicht als Behandlung des Theodizeeproblems wahrgenommen. Soweit ich mich erinnere, wird ein „Gott“, „Schöpfer“ etc. auch nie konkret benannt. Vielmehr habe ich die „Spiritualität“ des Films eher in der Nähe von Heideggers Seinsbegriff wahrgenommen, wenn auch recht pantheistisch unterfüttert. Die Faktizität von Ereignissen bleibt, obwohl alles mit allem zusammen zu hängen scheint, unerklärlich.
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so little is fun
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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UDWIch habe den Film nicht als Behandlung des Theodizeeproblems wahrgenommen.
Das ist er auch nicht.
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UDWIch habe den Film nicht als Behandlung des Theodizeeproblems wahrgenommen. Soweit ich mich erinnere, wird ein „Gott“, „Schöpfer“ etc. auch nie konkret benannt. Vielmehr habe ich die „Spiritualität“ des Films eher in der Nähe von Heideggers Seinsbegriff wahrgenommen, wenn auch recht pantheistisch unterfüttert. Die Faktizität von Ereignissen bleibt, obwohl alles mit allem zusammen zu hängen scheint, unerklärlich.
Das bleibt sie auch im traditionellen Christentum („Gottes Plan“). Wie dort wird im Film im Himmel alles gut.
Ich habe den Film im Original nicht gesehen, daher kann ich nichts dazu sagen, wie die genaue Bezeichnung lautet, aber der Gott, der von der Familie angebetet wird, ist der christliche, protestantische Gott Amerikas.
Zum Gottesbegriff von Malick kann ich nichts sagen, auch nicht dazu, ob er von Heidegger schon mal etwas gehört oder gelesen hat. An Pantheismus konnte ich im Film nichts erkennen, er schien mir in religiöser Hinsicht filmisch unkonventionell und inhaltlich überaus traditionell zu sein.pinchDas ist er auch nicht.
Na komm – was bedeuten dann die zahlreichen Fragen aus dem Off nach den Gründen und der Sinnhaftigkeit des Todes in Kombination mit der Auflösung?
Ein anderes Problem ist viel banaler: Die Erzählgeschwindigkeit des Films war mir zu langsam. Nach 40 Minuten fing ich an auf die Uhr zu sehen und mich zu langweilen.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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nail75Na komm – was bedeuten dann die zahlreichen Fragen aus dem Off nach den Gründen und der Sinnhaftigkeit des Todes in Kombination mit der Auflösung?
Anstatt dich dem Film tatsächlich von einer eher spirituellen Warte aus zu nähern, zerpflückst du nun auf rationaler Ebene haarklein jede Faser davon. Sehr schade. Mit solchen Maßstäben solltest du dir in erster Linie jedenfalls keinen Terrence Malick Film anschauen (was nicht heißt, dass man den Verstand an der Garderobe abgeben muss). Oder anders gefragt: was hast du von ihm (dem Film wie auch dem Filmemacher) denn erwartet?
nail75Ein anderes Problem ist viel banaler: Die Erzählgeschwindigkeit des Films war mir zu langsam. Nach 40 Minuten fing ich an auf die Uhr zu sehen und mich zu langweilen.
Wie findest du denn seine anderen Filme? Waren da für dich schnellere darunter?
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pinchAnstatt dich dem Film tatsächlich von einer eher spirituellen Warte aus zu nähern, zerpflückst du nun haarklein jede Faser davon. Sehr schade.
Obwohl ich Atheist bin, besitze ich wie jeder Mensch durchaus einen Sinn für tiefempfundene Spiritualität wie bei Bach. Davon ist in diesem Film aber nun überhaupt nichts zu sehen. Das Fehlen spiritueller Empathie ist ja gerade eine Grundeigenschaft von Tree Of Life. Menschen werde geboren, Menschen sterben (so wie Galaxien, Sterne und Dinosaurier) und im Himmel führt Gott das zusammen, was zusammengehört.
Ich kann mir natürlich vorstellen, dass man den Film als überwältigendes Meisterwerk erlebt, aber das war mir leider nicht vergönnt.Mit solchen Maßstäben solltest du dir jedenfalls in erster Linie nun wirklich keinen Terrence Malick Film anschauen. Oder anders gefragt: was hast du von ihm (dem Film wie auch dem Filmemacher) denn erwartet?
Gar nichts. Ich wusste über den Film nur Oberflächliches, als ich ins Kino ging, daher hatte ich auch keine Erwartungen.
Wie findest du denn seine anderen Filme? Waren da für dich schnellere darunter?
Das war mein erster Film von Malick. Du hast mit Sicherheit alle gesehen und begreifst sie im Sinne seines Gesamtwerk sowie Deiner enormen Kenntnisse als Cineast. Das kann ich nicht leisten, ich berichte einfach nur, wie ich diesen Film relativ unvoreingenommen erlebt habe.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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nail75Das Fehlen spiritueller Empathie ist ja gerade eine Grundeigenschaft von Tree Of Life.
!?
nail75Das war mein erster Film von Malick.
Na denn…
nail75(…) und begreifst sie im Sinne seines Gesamtwerk sowie Deiner enormen Kenntnisse als Cineast.
So ein Blödsinn! Als würden die Terrence Malick-Filme solch billige Schienen fahren!
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pinch
So ein Blödsinn! Als würden die Terrence Malick-Filme solch billige Schienen fahren!Ich meinte damit nur, dass Du aufgrund Deiner cineastischen Kenntnisse einen anderen Blick auf Malick hast als ich, der von ihm bislang nichts kannte. Vielleicht verstehst Du dadurch besser als ich, was er sagen will. Empfindest Du die Auflösung beispielsweise nicht als christliche Erlösungsgeschichte?
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.@nail75: Soweit ich weiß, wollte Malick ursprünglich über Heidegger promovieren.
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@nail75: Schön, dass du Tree Of Life immerhin ein paar „gelungene Szenen“ bescheinigst, bevor du ihn mit deinem Oberstufen-Religionswissen aushebelst. Für einen kurzen Moment dachte ich nämlich, Tree Of Life sei ein audio-visuell brillant inszeniertes Meisterstück, dass in träumerischen Sequenzen das langsame Absterben einer unschuldigen Kindheit porträtiert, der gerade in seinen diesseitigen, alltäglichsten Momenten am stärksten ist, der vorrangig nicht irgendwelchen religiösen Zusammenhänge erklären will, sondern auffordert, das Leben zu genießen und zu lieben. Aber nein, es macht hier vielmehr Sinn, mit aller Vehemenz die „religiös-esoterischen“ Seiten zu zerpflügen, denn „geschmackloses“ „kosmisches Hintergrundrauschen“ das sollte jedem klar, sein, hinterlässt heutzutage Mindestens einen „faden Beigeschmack“. Es kann ja nicht angehen, dass für manche Menschen die Entstehung der Erde immer noch mehr ist als ein wissenschaftlich erklärbarer Urknall, oder das in Momenten der tiefsten Trauer ein Hinwendung zu Gott geschehen kann.Mehr will der Film in der Richtung doch nicht darstellen. Wer ist in Momenten tiefen Schmerzes schon rational? Wer kann beim Anblick der Schönheit der Erde nicht an etwas Übernatürliches glauben? Es geht doch hier nicht um irgendwelche Rechtfertigungsversuche Malicks, wie Gott Leid zulassen kann. Ganz im Gegenteil: das Thema Theodizee ist im Film nämlich nach genau 5 Sekunden abgehandelt. In Schriftform ganz am Anfang des Filmes.
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Once you figure out what a joke everything is, being the Comedian's the only thing that makes sense.O’@nail75: Schön, dass du Tree Of Life immerhin ein paar „gelungene Szenen“ bescheinigst, bevor du ihn mit deinem Oberstufen-Religionswissen aushebelst. Für einen kurzen Moment dachte ich nämlich, Tree Of Life sei ein audio-visuell brillant inszeniertes Meisterstück, dass in träumerischen Sequenzen das langsame Absterben einer unschuldigen Kindheit porträtiert, der gerade in seinen diesseitigen, alltäglichsten Momenten am stärksten ist, der vorrangig nicht irgendwelchen religiösen Zusammenhänge erklären will, sondern auffordert, das Leben zu genießen und zu lieben. Aber nein, es macht hier vielmehr Sinn, mit aller Vehemenz die „religiös-esoterischen“ Seiten zu zerpflügen, denn „geschmackloses“ „kosmisches Hintergrundrauschen“ das sollte jedem klar, sein, hinterlässt heutzutage Mindestens einen „faden Beigeschmack“. Es kann ja nicht angehen, dass für manche Menschen die Entstehung der Erde immer noch mehr ist als ein wissenschaftlich erklärbarer Urknall, oder das in Momenten der tiefsten Trauer ein Hinwendung zu Gott geschehen kann.Mehr will der Film in der Richtung doch nicht darstellen. Wer ist in Momenten tiefen Schmerzes schon rational? Wer kann beim Anblick der Schönheit der Erde nicht an etwas Übernatürliches glauben? Es geht doch hier nicht um irgendwelche Rechtfertigungsversuche Malicks, wie Gott Leid zulassen kann. Ganz im Gegenteil: das Thema Theodizee ist im Film nämlich nach genau 5 Sekunden abgehandelt. In Schriftform ganz am Anfang des Filmes.
Vielen Dank dafür, für mich der beste Beitrag hier im Forum zu diesem Film.
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O’Es kann ja nicht angehen, dass für manche Menschen die Entstehung der Erde immer noch mehr ist als ein wissenschaftlich erklärbarer Urknall, oder das in Momenten der tiefsten Trauer ein Hinwendung zu Gott geschehen kann.
Natürlich kann und darf das angehen. Aber es muss doch in Deutschland im Jahre 2011 ebenso zu akzeptieren sein, dass Menschen sich von sakralem Kitsch unangenehm berührt fühlen, ohne dass man das gleich persönlich nimmt und „peinlicher Beitrag“ oder Ähnliches schreiben muss, oder?
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Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!Kitsch ist ja auch ohne Zweifel vorhanden.
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