Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Dead or alive? Der Einfluss der "alten Meister" auf jüngere Musiker
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AutorBeiträge
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ReinoDie Beeinflussung britischer Bands in Sachen Folk würde ich nicht allein Dylan zuschreiben. Die Beatles hatten Elemente englischer Volksmusik in ihrer Melodieführung lange bevor sie Dylan gehört hatten. Und Brian Jones spielte sicher nicht Apalachian Dulcimer, weil er den bei Dylan gehört hatte.
Das habe ich doch auch nie bestritten, mir ging es um die Möglichkeit, Ausdrucksformen und Themen des Folk in die „neue“ Popmusik zu integrieren, Tradition und Moderne zu verbinden, gerade auch im Songwriting.
bullschuetzWie stimmig und organisch die Übersetzung klingt, überhaupt nicht „übersetzt“, und wie gut der österreichische Schmäh-Ton zu diesem Songstoff passt! Ich empfinde Ambros‘ Dylan-Eindeutschungen teilweise auch als außerordentlich gelungen. „Denk ned noch“ zum Beispiel und „I bins ned“, wenngleich musikalisch nicht unfragwürdig, funktionieren auf der Textebene auch toll – ich fürchte nur, dass diese unsere Meinung unter Dylanomanen nicht mehrheitsfähig ist.
Die Befürchtung trügt dich nicht. Bei mir ist es so, dass ich auf keinen Fall zu genau auf den Text achten darf, sonst muss ich sofort abschalten. Wenn ich das Lied aber treiben lasse und nur Sprachfetzen und Sprachmelodie zu mir durchdringen lasse, geht es.
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Hier mit Jake Bugg ein junger Engländer, der seinen Dylan gelernt hat und so nächste Woche auf der Reeperbahn zum Besten gibt (schönes Video, guter Song, geschicktes Branding>Jacke)
http://jakebugg.com/?video=lightning-bolt--
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nail75Nochmal: Gaye ist kein Dylan-Epigone oder ein Dylan-Schüler, das zu behaupten wäre Irrsinn. Es geht nur um Parallelen in der Vermittlung gesellschaftspolitischer Themen.
Und genau diese Lehre hat Marvin Gaye doch ebenfalls gezogen – und dennoch schreibst du …
Als Marvin Gaye WGO machte, waren die Möglichkeiten, die Dylan und viele andere eröffnet hatten, schon Teil eines Traditionsbestandes, auf dem sich aufbauen ließ. Cooke hatte Blowin in the wind im Copa gesungen, Wonder hatte es gecovert, Cooke hatte A change is … geschrieben. WGO war einfach neun Jahre nach Blowin in the Wind, neun Jahre, in denen sich der Horizont enorm geweitet, der Soul sein Themenspektrum, auch seine musikalische Sprache längst massiv ausgedehnt hatte (und das lag selbstverständlich bei weitem nicht nur an Dylan, ich glaube, das hieße seinen Einfluss nun doch heftig überzustrapazieren). Es gab schon die psychedelischen Temptations, es gab schon Hathaways angejazzte erste Platte mit dem Song „The Ghetto“, es gab schon Sly, es gab schon die späten Impressions, es gab schon Mayfields „Curtis“, es gab schon Isaac Hayes‘ rahmensprengede Hot Buttered Soul-Nummern, es gab „Say it loud, I‘m black and I‘m proud“, es gab die Bürgerrechtsbewegung, es gab Arethas Ruf nach „Respect“, es gab mit „Sweet Sweetback’s …“ bereits den ersten Blaxploitation-Film und und und. Es gab bis zu Gaye eben nicht im allermindesten nur Herzschmerz-Soul, es gab viele Lieder, in denen sich soziales Bewusstsein ausdrückte, ob nun kämpferisch oder uplifting, subtil oder derb. All das zählt für mich zur Vorgeschichte von WGO. Es gab, kurzum, vieles, das in der Luft lag, jede Menge, an das sich andocken ließ, musikalisch und textlich. Was Gayes epochale, ihrerseits stilbildende und einflussreiche Leistung mit WGO nicht im geringsten schmälern soll.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Sehr guter Beitrag, bullschuetz! Unterschreibe ich komplett.
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RosebloodIch verstehe was du meinst, jedoch ist mir nicht bekannt, ob es überhaupt Dylans Ziel war, mit seinen Texten ab 1965 ein möglichst großes Publikum anzusprechen. Viele Texte sind derart bildhaft und vernebelt beschrieben, dass viele womöglich gar nicht wussten, wie man dies am besten interpretieren könnte. Und vielleicht war es auch gar nicht Dylans Ziel, dass man so viel versucht in seine Texte hineinzuinterpretieren. Es war vielleicht lediglich für ihn der richtige Weg sich so auszudrücken, wie er es zu dieser Zeit wollte und für richtig befand. Und es liegt eben in der Natur des Menschen, die Dinge zu hinterfragen, die man nicht versteht. Und das ist wohl auch ein Grund (neben mehreren), wieso seine Texte auch heute noch besprochen werden. Dylan hat in vielen die Neugierde geweckt.
Für mich erzielt Dylan seine Wirkung hauptsächlich durch seine poetisch-literarischen Fähigkeiten und seine Geschichten und nicht mit seinen Melodien um seine Texte herum. Ich höre eher dem singenden Dichter zu, als dem spielenden Musiker. Er war gleich am Anfang clever genug um rechtzeitig zu erkennen, dass als Bohemian oder Woody Guthrie No.2 nicht sonderlich Geld zu verdienen ist. Ich denke schon, dass die Karriere für Dylan im Vordergrund stand und ein entscheidender Antrieb war. Was die Texte angeht würde ich sagen, dass er Wert darauf legt(e) auch verstanden zu werden, und nicht unbedingt als Orakel in die Musikgeschichte eingehen will. Dylan wird ja immer wieder mal als Nobelpreiskandidat gehandelt, aber sicher nicht wegen seiner vernebelten oder unverständlichen Texte.
Und ein ebenso wichtiger verdienst Dylans für die Pop-Musik ist seine Attitüde gewesen. Nach Elvis war er wohl wieder der erste Rebell. Und den Vorteil, den er zu Elvis hatte, Dylan war all dies genau zu der Zeit, als die Musik sich nachhaltig revolutionierte, in einem Ausmaß, der zuvor so nicht da war.
Rebell? Rebellen sind gewöhnlich nicht bloß Zuschauer. Ich sehe da keinen Rebellen in Bob Dylan, eher einen distanzierten Beobachter, der dann aus dem Gesehenen eindringliche Texte und Geschichten erzeugen kann. Auch Elvis Presley ist kein Rebell gewesen (konnte aber immerhin singen).
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tolomoquinkolom
Rebell? Rebellen sind gewöhnlich nicht bloß Zuschauer. Ich sehe da keinen Rebellen in Bob Dylan, eher einen distanzierten Beobachter, der dann aus dem Gesehenen eindringliche Texte und Geschichten erzeugen kann. Auch Elvis Presley ist kein Rebell gewesen (konnte aber immerhin singen).
.Vielleicht definieren wir Rebell verschieden.
Kennst du die Dokumentationen „Don’t Look Back“ oder „No Direction Home“. Dort wird deutlich, dass Dylan 65/66 der coolste Typ gewesen sein muss, der zu dieser Zeit Musik machte. Sein Auftreten, sein Kleidungsstil, seine Aussagen, seine Interviews, allgemein sein Gehabe, es ist so anders als all das seiner Mitmusiker aus der Zeit. Auch wenn sich Dylan vielleicht nicht hingestellt und zu irgendetwas aufgerufen hat, mit seiner Art rebellierte er gegen Normen und Erwartungen. Für mich hat kein Musiker so viel Individualismus in die Musik gebracht wie Dylan. Zumindest tat es davor niemand in dieser Art. Dylan war nicht nur Musik, er war jemand, mit dem man sich identifizieren konnte. Er war nicht gesichtslos wie viele andere, die ein Instrument spielten. Und von Dylans Auftreten hat die ganze folgende Pop-Musik profitiert.--
THELONICADas Zitat bitte noch nachreichen. Joey hatte die Rolling Stones doch auch mehrmals live erlebt, auch noch später, denn er war ein Fan der Band, nicht? Und er mochte die Aufnahmen mit Brian Jones ganz besonders.
Joey Ramone über die Stones:
„The Stones were dark and a little more realistic than The Beatles. It was always ‚It’s All Over Now‘, not ‚She Came Back‘. She didn’t come back. I liked the way they were against the system and didn’t want to conform.“Im gleichen Buch findet sich noch ein Zitat, Joey Ramone über The Who:
„I saw The Who in New York in ’67. They blew me away with the aggression, and Townshend was so visual, and Keith Moon. Their personalities, the songs, they were just great. It was a total release. The Who were my first big favourite band after The Beatles.“
Als Lieblings-Who-Album benennt er A Quick One.Beide Zitate stammen von 1989.
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nail75Das habe ich doch auch nie bestritten, mir ging es um die Möglichkeit, Ausdrucksformen und Themen des Folk in die „neue“ Popmusik zu integrieren, Tradition und Moderne zu verbinden, gerade auch im Songwriting.
Hat Dylan das denn getan? Seine textlichen Anknüpfungen an traditionelle Lieder fanden ja selten in seiner „Popphase“ statt, sondern vornehmlich in der Folkphase. Später hat er doch alles zitiert und zusammengerührt, ohne daß da ein Bezug zu Volksliedern wirklich herauszuhören war. Und die Elektrifizierung von Folk haben ja andere vor ihm populär gemacht.
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Ja, damals schon und heute immer noch. Wo finden sich denn beispielsweise politische Themen in der Popmusik vor 1963? Nur um mal einen Aspekt aufzugreifen.
Seine textlichen Anknüpfungen an traditionelle Lieder fanden ja selten in seiner „Popphase“ statt, sondern vornehmlich in der Folkphase.
Textliche Anknüpfungen an traditionelle Lieder finden sich in jeder „Phase“ seiner Karriere.
Später hat er doch alles zitiert und zusammengerührt, ohne daß da ein Bezug zu Volksliedern wirklich herauszuhören war.
„Ein Bezug zu Volksliedern?“ Abgesehen davon, dass „Volkslieder“ und „Folk Music“ nicht deckungsgleich sind: Kennst Du Dylans Veröffentlichungen aus den letzten 35 Jahren eigentlich? Das kann dir noch nicht alles entgangen sein!
Und die Elektrifizierung von Folk haben ja andere vor ihm populär gemacht.
Wer denn? Wenn du „gemacht“ geschrieben hättest – ok. Aber „populär gemacht“? Sicher nicht.
Das hat man wohl weder Pete Seeger, noch den Besuchern in Newport oder in Manchester gesagt.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum. -
Schlagwörter: Dylan Thomas, Ursuppe
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