Re: Dead or alive? Der Einfluss der "alten Meister" auf jüngere Musiker

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nail75Nochmal: Gaye ist kein Dylan-Epigone oder ein Dylan-Schüler, das zu behaupten wäre Irrsinn. Es geht nur um Parallelen in der Vermittlung gesellschaftspolitischer Themen.

Und genau diese Lehre hat Marvin Gaye doch ebenfalls gezogen – und dennoch schreibst du …

Als Marvin Gaye WGO machte, waren die Möglichkeiten, die Dylan und viele andere eröffnet hatten, schon Teil eines Traditionsbestandes, auf dem sich aufbauen ließ. Cooke hatte Blowin in the wind im Copa gesungen, Wonder hatte es gecovert, Cooke hatte A change is … geschrieben. WGO war einfach neun Jahre nach Blowin in the Wind, neun Jahre, in denen sich der Horizont enorm geweitet, der Soul sein Themenspektrum, auch seine musikalische Sprache längst massiv ausgedehnt hatte (und das lag selbstverständlich bei weitem nicht nur an Dylan, ich glaube, das hieße seinen Einfluss nun doch heftig überzustrapazieren). Es gab schon die psychedelischen Temptations, es gab schon Hathaways angejazzte erste Platte mit dem Song „The Ghetto“, es gab schon Sly, es gab schon die späten Impressions, es gab schon Mayfields „Curtis“, es gab schon Isaac Hayes‘ rahmensprengede Hot Buttered Soul-Nummern, es gab „Say it loud, I‘m black and I‘m proud“, es gab die Bürgerrechtsbewegung, es gab Arethas Ruf nach „Respect“, es gab mit „Sweet Sweetback’s …“ bereits den ersten Blaxploitation-Film und und und. Es gab bis zu Gaye eben nicht im allermindesten nur Herzschmerz-Soul, es gab viele Lieder, in denen sich soziales Bewusstsein ausdrückte, ob nun kämpferisch oder uplifting, subtil oder derb. All das zählt für mich zur Vorgeschichte von WGO. Es gab, kurzum, vieles, das in der Luft lag, jede Menge, an das sich andocken ließ, musikalisch und textlich. Was Gayes epochale, ihrerseits stilbildende und einflussreiche Leistung mit WGO nicht im geringsten schmälern soll.

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