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gypsy-tail-wind
„Conversations with Our Mothers“ ist vielleicht der würdige Abschluss der Zusammenarbeit (es gibt keine weitere dokumentierte Begegnung, oder?)doch, auf dem album von abdoulaye ndiaye (2001).
gypsy-tail-wind Und da vielleicht ein kleiner Exkurs, warum ich bei der Marathon-Idee in Sachen Black Saint/Soul Note bisher nicht wirklich angesprungen bin: viele der Alben wirken auf mich einfach nicht so gut produziert, und das wird beim Murray-Hören halt gerade wieder deutlich. Die liessen wohl oft einfach machen, und so manches wirkt auf mich eher wie ein Dokument, das halt im Studio und nicht im Club entstanden ist.
da ist natürlich was dran. ich hatte eher eigennützig an die entdeckungen und tipps gedacht, die sich trotzdem zwangsläufig ergeben würden. aber eine spannende label-diskussion lässt sich da wohl nicht führen.
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WerbungVielen Dank für den Hinweis auf Ndiaye – hatte nicht bemerkt, dass Burrell dort auch wieder dabei ist! Ich sollte Deine Posts der letzten Tage jetzt mal in Ruhe lesen, zumal ich die meisten Sachen eh nicht anhören werde …
Es läuft gerade „Queer Notions“ vom Soundtrack zu „Kansas City“ – das ist da definitiv ein Highlight! Insgesamt fehlen mir aber die Bilder schon ein wenig. Es gibt aber auch Vorteile vom Hören ohne Bilder: ich nehme Geri Allens eigenwilliges Spiel viel deutlicher wahr, wohingegen der im Film (als Basie-Doppelgänger) dominante Cyrus Chestnut weniger auffällt (in „Queer Notions“ ist er allerdings phantastisch … da darf man zwischendurch auch mal an Burrell oder gar Sun Ra denken).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbahal singer feat. david murray, challenge (2010)
und mit diesem charmanten projekt bin ich mit murray tatsächlich schon in den 2010ern. hal singer ist zum zeitpunkt der aufnahme 90 jahre alt und wird hier von murrays black saint quartet (murray, gilchrist, shahid, drake) begleitet. sehr viel gefühl und geschichte ist vorhanden, auch wenn die time nicht mehr so recht sitzt und die instabilität nicht so recht aufgefangen werden kann. das material ist durchaus keine nummer sicher, aber ich hätte mir vor allem etwas mehr sorgfalt in der produktion gewünscht. insgesamt ist das flach aufgenommen, was dem ohnehin dünnen ton von singer nicht zugutekommt, aber auch murray klingt nicht gut, das klavier hat kaum resonanz, was alles nicht schlimm ist, die band klingt ja gut, aber es wäre schön gewesen, dem leader etwas mehr akustische hilfestellung zu geben. obwohl das natürlich eine aufnahme aus paris ist, wo singer seit 1965 lebte, ist der obama-vibe zu spüren, murrays „long march to freedom“ ist verständlicherweise optimistisch, sehr schöne interpretation, leider spielt singer hier nicht mit.
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david murray cuban ensemble plays nat king cole en español (2010)
wechsel zum motéma label von jana herzen, das murrays recherche zu coles spanisch- & portugiesischsprachigen songs in argentinien und portugal unterstützt. die besetzung des „cuban ensembles“ ist im netz etwas schwer zu finden, wahrscheinlich:
franck mayea pedroza (tp), mario félix hernandez morejon (tp), denis cuni rodriguez (tb), roman filiu o’reilly (as), aariel bringuez ruiz (ts), pepe rivero (p), reiner elizarde ruano (b), georvis pico milan (dm), braham mansfarroll rodriguez (per).
gäste: daniel melingo (voc), juanjo mosalini (band).
sinofonieta of sines: joana cipriano (vl), joana dias (vl), joão andrade (vl), maria josé laginha (vl), rui guimarães (vl), gonçalo ruivo (va), joao gaspar (va), rita ramos (cel), catarina anacleto (cel), samuel santos (cel), tiago vila (cel).
musikalisch finde ich das nicht spannend. in so reinen latin-projekten finde ich murray mit seiner time verloren, die pittoresken klangfarben (inkl. gesang) kommen mir oberflächlich vor, und die streicher (fast nur hoch und resonanzarm eingesetzt) wirken auf mich wie beiwerk.
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das dirigatsprojekt POSSIBLE UNIVERSE von butch morris, live aufgezeichnet auf dem sardischen sant’anna arresi jazz festival im august 2010, finde ich nirgends. immerhin teilt sich murray da den tenorsax-spot mit evan parker, außerdem sind u.a. joe bowie, alan silva, greg ward, harrison bankhead, hamid drake und chad taylor dabei.danach macht murray tatsächlich pause bis 2013.
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Ich höre gerade Fo Deuk Revue wieder – und hole das hier einfach mal aus dem Enja-Faden rüber, was @vorgarten mit einem Auszug auch schon gemacht hat):
gypsy-tail-wind
vorgarten
david murray, fo deuk revue (1996)
ich schließe jetzt mal meine enja-murray-lücken – ich war wohl ende der 90er etwas übersättigt und habe diese alben mit den comichaften malereien gezielt ignoriert. beim ersthören von FO DEUK REVUE fiel mir aber ein, dass ich murray mit diesem programm live in moers gesehen habe und das gar nicht schlecht fand.
besser jedenfalls als dieses eigenartige album, in dem mehrere dinge aufeinandertreffen, ohne aufzugehen, finde ich. die vielen zusammenarbeiten mit robert irving III und seinen glitschigen schattenakkorden, die den comeback-miles schon efizient strukturiert hatten, gehen hier weiter, dazu kommen noch jamaladeen tacuma und ein funkdrummer, das also geht eher in richtung einer elektrischen jazzfusion, die zu diesem zeitpunkt ziemlich passé war. und wie passen die stimmen aus der afrikanischen diaspora dazu, die percussion, die den geraden beat umschmeichelt, amiri baraka, der ein gedicht vorträgt, senegalesische rapper und saitenspieler? ich finde: kaum. das ding ist im senegal aufgenommen und schließlich in new york mit overdubs verunklart worden. aber vielleicht war das einfach eine übergangsphase, denn bereits CREOLE, an dem ich schon dran bin, klingt viel selbstverständlicher.
David Murray – Fo Deuk Revue | Da setzte ich dann mal gerne wieder an … aufgenommen in Dakar am 3. und 4. Juni 1996 mit späteren Overdubs, die beim Mix im Sound on Sound Studio in New York am 19. und 20. August beigefügt wurden. Auch das eine Justin Time-Produktion, die Enja übernommen hat. Mit Murray in den Senegal reisten Robert Irving III (p/keys), Jamaaladeen Tacuma (b) und Darryl Burgee (d) und trafen dort auf die Rapper von Positive Black Soul (Amadou Barry aka Doug E. Tee und Didier Awadi), eine lokale Band namens Dieuf Dieul (die davor noch nie ein Studio betreten hatte – Tidiane Gaye-voc, El Hadji Gniancou Sembène-keys, Abdou Karim Mané-b, Ousseynou Diop-d, Assana Diop-xalam/g, Moussa Séné-perc/backing voc), den Sänger Hamet Maal (Bruder von Baaba Maal) und den „godfather of percussion groove, the master of sabars“, Doudou N’Diaye Rose (das Zitat stammt aus Olivier Cachins Liner Notes, in denen die Murray-Band hartnäckig als „the Murray trio“ beschrieben wird). Im Line-Up steht noch der Name Oumar Mboup ohne Klammer, die ihn als Mitglied von Dieuf Dieul ausweist – er war vielleicht auch in Dakar dabei? Die Overdubs stammen dann von Hugh Ragin (t), Craig Harris (t), Amiri Barak und Amiri Baraka Jr. (voc) und vielleicht auch noch von den Mitgliedern von Murrays Combo. „Fo Deuk“ heisst „woher kommst du?“ auf Wolof, der wichtigsten Sprache im Senegal.Das fragliche Saiteninstrument ist die Xalam, eine traditionelle Laute, von der es unterschiedlichste Varianten mit mit 1-5 Saiten gibt, und ein paar gelegentlich auch in den Jazz übergeschwappte Verwandte (Ngoni, Rubab, Kora). Zu hören ist die Xalam in „Chant Africain“, einem Traditional, das Doudou N’Diaye Rose arrangiert hat und einer der besseren Tracks hier, zumindest in der ersten Hälfte; Irvings Keyboard-Kleister hätte ich nicht gebraucht (in NYC overdubbed?), aber der Groove von Xalam, Bass, Trommeln und Chants ist schon toll – ein Kinderchor aus Dakar wirkt hier gemäss den Liner Notes auch noch mit … und der Groove verliert sich in der Masse irgendwann und Murrays Solo klingt auch irgendwie overdubbed, als spiele er von hinterm Vorhang mit.
Ob das passt? Ich finde auch eher nicht, höre hier aber auch einiges an Sounds, wie sie in den Neunzigern da und dort zu hören waren … ein bunter Eklektizismus aus der Zeit, in der „World Music“ ein grosses Ding war halt. Ein völliges one-off ist das Ding nicht, wie den Liner Notes zu entnehmen ist: Murray war schon früher in die Region gereist und auf Gorée aufgetreten („Dakar Darkness“ ist ein Souvenir dieser ersten Reise, es wurde 1994 sogar mit dem Andrew Cyrille Quintet bzw. auf den Japanischen Ausgaben der Combo „African Love Supreme“ in Dakar eingespielt, später noch für Murrays Bleu Regard-Album „Flowers Around Cleveland“ und das WSQ-Album „With African Drums – Four Now“ auf Justin Time, bei dem Chief Bey, Mar Gueye und Mor Thiam mitwirkten).
Ein Stück wie „One World Family“ trägt nicht nur einen Titel, wie ihn damals alles von Michael Jackson bis Johnny Clegg hätten aufnehmen können, und manches in dem Potpourri hier erinnert mich auch an andere Dinge, die ich damals hörte: MC Solaar (obwohl die Rapper auch auf Englisch und – ich vermute – Wolof rappen), Buckshot LeFonque. Das wirkt aus heutiger Sicht tatsächlich ziemlich antiquiert … mein Favorit aus der Enja/Justin Time Murray-Trias ist jedenfalls ganz klar „Creole“, wo die verschiedenen Zutaten nicht nur nebeneinander stehen sondern wirklich gemeinsam musiziert wird. Ich hab ein bisschen den Verdacht, als würde mir ein Album von Dieuf Dieul – vielleicht mit ein paar zusätzlich ins Studio gebrachten Bläsern und ein paar Solo-Spots vom US-Gastproduzenten Murray – sehr viel besser gefallen. Der Track „Abdoul Aziz Sy“ kommt da wohl nah ran (keine Ahnung, ob Irving, Tacuma und Burgee hier spielen oder ihre senegalesischen Kollegen … deren Gitarrist ist jedenfalls dabei) – und ist vielleicht mein liebster hier.
https://forum.rollingstone.de/foren/topic/enja-records/page/42/#post-12315237
Ich bin da gerade recht entspannt – so frei bzw. mit geringen Erwartungen gehen manche Grooves, so überladen sie auch sind, schon ganz gut runter … und Murray steuert da und dort wie zu erwarten ist phantastische Soli bei.
Danach geht es nochmal auf den Parnass:
vorgarten
long goodbye – a tribute to don pullen (1996)
ein wirklich ernsthaftes hommage-album an den bereits im vorjahr verstorbenen don pullen, mit dem alle hier (murray, d.d. jackson, santi debriano, j.t.lewis) eine eigene geschichte haben. ernsthafte hommage nicht nur im sinne, dass es gut ist, dass pullen-kompositionen aufgefrischt werden, dass auch jacksons eigene stücke (aus der zeit, als er bei pullen gelernt hat) hier perfekt reinpassen – sondern weil sich die band in einen adäquaten rausch spielt, der dramaturgisch tatsächlich, wie ich schonmal schrieb, einer zunehmenden beschwörung gleicht – vom zärtlichen anfang bis zum anklopfen im himmel – und einer zutiefst melancholischen schlussnummer. sehr viel gänsehaut hier, der verlust wird spürbar, auch für diese form der musik.
das ist auch ein abschied für murray vom langjährigen label DIW. sein produzent kazunori sugiyama wickelt seine japanischen arbeitsbeziehungen ab und kümmert sich ab 1998 vor allem um tzadik. murray landet recht weich bei justin time, wo d.d.jackson vorher schon war, es gibt auch eine gemeinsame weihnachtsnummer fürs alljährliche kompilationsalbum. bis zum ende der nuller jahre scheint er seine eigenen sachen dort exklusiv aufzunehmen.
Da fehlen mir gerade ein wenig die Worte … ein neues Quartett mit neuem Bassisten und Pianisten (mit dem Murray in der Zeit aber öfter aufnahm, die Alben unter Jacksons Namen muss ich mir wohl noch besorgen, zumindest das Debut) und dem Rückkehrer J.T. Lewis, der auf „Shakill II“ in ganz anderem Rahmen dabei war. Das funktioniert prächtig, setzt bei den früheren Quartetten an, findet aber eigene Wege. Die Zärtlichkeit ist da, aber auch eine unglaubliche Wucht – Jackson changiert zwischen einer surrealistischen Tönung (à la Dave Burrell) und einer heftigen Attacke (à la Cecil Taylor), Lewis trommelt befreit und doch sehr auf den Punkt, sehr knackig. Und Debriano ist überall dazwischen, irgendwie immer schon da – und sein öffnendes Solo im Closer ist toll. Ein würdiger Abschluss für das ergiebigste und vermutlich wichtigste Kapitel in Murrays Diskographie, die lange Reihe von DIW-Alben.
Dieses mir noch fast völlig unvertraute Album werde ich jedenfalls mal in Griffweite behalten.
Und in Sachen Quartette habe ich gerade Live at the Village Vanguard aus Deutschland bestellt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaLong Goodbye hör ich jetzt auch nochmal, das war für mich im jetzigen Zwischenstand vielleicht die grösste Entdeckung dieses Threads…
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.vorgarten
kahil el’zabar trio, love outside of dreams (1997/2002)
noch eine neuauflage einer langjährigen musikalischen beziehung, aber wichtiger ist dieses schöne album wohl vor allem deswegen, weil murray hier zum letzten mal mit fred hopkins zu hören ist, der 2 jahre später stirbt, 1999, da ist die delmark-cd noch nicht draußen. damit geht etwas zuende, was mindestens bei den wildflowers-sessions angefangen hat. hopkins ist mal wieder umwerfend hier, egal ob er licks spielt oder frei assoziiert, der ton ist schlank, felxibel und sehr präsent. wie immer bei el’zabar ist das programm abwechslungsreich, er singt, spielt auch conga und daumenklavier, verneigt sich vor ellington genauso wie vor steve mccall, und murray spielt einfach durch. ein bisschen nervt er, hier, so mitte/ende der 90er, die soli haben nicht mehr die zwingende dramaturgie wie z.b. auf FAST LIFE, er brettert so durch, reiht seine falsetto-ausflüchte auf knopfdruck hintereinander, spielt mir latent zu viel, aber bei el’zabar hat er halt auch die hauptarbeit. und er klingt nie müde, er hat scheinbar immer lust und energie.
Ich bin wieder an einem „dead end“ angelangt hier … das Nebeneinander von Tief- und Höhepunkten (Fo Deuk vs. Long Goodbye) ist schon heftig, die als nächstes anstehenden Alben nicht so mein Ding (ausser „Seaons“, hoffe ich – das kenne ich noch gar nicht), aber irgendwie möchte ich im Kontext halt doch nochmal durch sie durch („Creole Project“, „Speaking in Tongues“, „Octet Plays Trane“, später noch „Yonn-Dé“), besonders auch durch das Oktett-Album, das ich ja im Enja-Kontext sehr langweilig gefunden hatte.
Das Trio mit Fred Hopkins und Kahil El’Zabar lief gestern noch, aber zog ein wenig an mir vorbei, worauf ich mit Murray Pause machte. Jetzt ein neuer Anlauf, und die Beschreibung oben passt schon sehr gut. Murray stemmt das hier, er verliert sich aber auch immer mal wieder, seine Soli sind zwar druckvoll und e mangelt ihm nie an Ideen oder Power, aber so zwingend wie noch wenige Jahre davor hören sie sich für mich nicht mehr an. Mich nerven hier phasenweise Murray wie auch El’Zabar, vielleicht ist das einfach alles etwas zuviel? Aber es gibt auch echt schöne Dinge zu entdecken hier, etwa den trägen Groove von „Song of Myself“ mit der Bassklarinette und dem Kontrabass im Dialog, während El’Zabar an einem Drum-Kit sitzt. Auch das direkt folgende „Nia“ gefällt mir sehr gut, da verkantet sich Murray, während El’Zabar irgendwie seltsam unkontinuierlich dahinrollt und Hopkins mehr gefühlt als gehört walkt. Das baut sehr viel Wucht auf, die dann in ein Bass-Solo mündet, bevor das attraktive Thema wiederholt wird. Die Mitte des Albums (#3-5) gefällt mir wirklich gut, auch die „Meditation for the „Celestial Warriors“ im Duett von Tenorsax und Daumenklavier – beim generischen „A“-Train-Riff in „The Ebullient Duke bin ich dann wie beim Einstieg nicht mehr so wirklich am Haken. Je mehr Chanting, desto weniger fesselnd, finde ich. Im Closer spielt Murray nochmal Bassklarinette und El’Zabar ist als Sänger im Eddie-Harris-Groove, das klingt stellenweise fast schon wie ein Imitat – aber wer weiss, vielleicht war das ja in Chicagos South Side im Grundwasser und Harris hat’s auch schon woher? Für sich genommen finde ich fast jedes Stück hier gut – aber irgendwie wird das Ganze auf mich weniger gut als die Summer seiner Teile.
Zur Timeline habe ich eine Frage: Wikipedia sagt, das Album sei am 12. Mai 1997 im Riverside Studio in Chicago aufgenommen worden, auf der CD steht 10.-12. Mai 1997. In den Liner Notes schreibt Howard Mandel aber, die zweitägige Session habe ein halbes Jahr vor Hopkins‘ Tod (7. Januar 1999) stattgefunden, was so ca. Juni/Juli 1998 bedeuten würde. Schreibt Mandel da einfach Blödsinn?
Die drei (?) Duo-Alben von Murray und El’Zabar habe ich gerade mässig Lust, zwei von ihnen sind hier im Faden ja erwähnt worden (und zum dritten, „One World Family“ auf CIMP, schreibt Mandel auch wieder 1999, während auf dem Cover 2000 steht). Das spätere Spirit Groove-Album habe ich 2020 gekauft, mittelgut gefunden. Die Suche danach blieb neulich erfolglos – nicht schlimm.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbahier ist ein interessanter Artikel von 2007 und darunter ein Blindfoldtest aus den frühen 2000er Jahren… ich wollt mal gucken, ob sich mein Eindruck bestätigt, dass Murray jemand ist, der auf Festivals etc natürlich viel von der Jazzszene mitbekommt, aber kaum Platten hört… ganz so krass wie zB bei Grant Green ist es nicht, er errät auch das eine oder andere… aber ich würd behaupten, die Tendenz ist schon da…
“I used to put out five albums a year; now I put one out every year or 18 months,” he says. “I worked all the time and took pretty much any gig; now I take select gigs, maybe 120 concerts a year. I’m in Paris half the time, moving around the other half. I’m not aligning myself with the avant-garde or the bebop, I’m just David Murray. I take my kids to school at 8:30, then I exercise, and I’m home at 9:30. I write until noon, and practice the rest of the day till 6, going through my books, trying to keep my chops up and my mind open. When a project comes up, I get very serious, and don’t study nobody else’s shit but mine. That will last for three months, and then there’s no project. Then I go back to my little everyday shit.”
das ist aus dem Artikel von 2007…
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.Es ist seltsam, aber nach dem kargen Trio-Album tut der Groove dieser doch eher überfrachteten Platte direkt gut. Das wirkt für mich mehr auf den Punkt als El’Zabars Trio-Musik, die irgendwie vom Konzept her überfrachtet ist, unabhängig von der recht stringenten Erscheinungsform. Besser kann ich meine Irritation mit „Love Outside of Dreams“ gerade nicht formulieren … ausser, dass auch noch der Gedanke aufgekommen ist, dass es auch mit seiner Time zu tun haben könnte? Es gibt da zwar keine Reibungen wie mit Takase manchmal, aber vielleicht ist das doch ein Aspekt, der mich da nicht ganz überzeugt.
„Diese doch eher überfrachtete Platte“, damit meine ich „Creole“ und ich höre die jetzt einfach nochmal – wirklich mit Genuss! – und hole den umfangreichen Post aus dem Enja-Faden rüber. Murray und das ganze Konzept des Albums wirken auf mich hier fokussierter. Und Billy Hart ist wirklich toll (und für mich für so ein Projekt doch eine eher überraschende Wahl).
gypsy-tail-wind
David Murray – Creole Project | Aufgenommen am 19. und 20. Oktober 1997 in Guadeloupe und später für Justin Time und Enja in den Sound On Sound Studios in NYC abgemischt. Als Produzent zeichnete Murray selbst. Mir ist das Album erst vor relativ kurzem in die Hände gekommen: ich habe es gekauft, als wir es hier im Forum ein ein paar Jahren mal davon hatte, an den Kontext kann ich mich nicht erinnern (bei Discogs steht, ich hätte es vor 4 Jahren meiner Sammlung hinzugefügt, d.h. noch vor der 90er-Strecke – ich habe die Enja-Ausgabe mit „Project“ als Zusatz, finde davon aber kein gutes hier verwendbares Bild). @redbeansandrice hat hier schön beschrieben, was es zu hören gibt:
neulich, als es um vielgehörte Enja Alben ging, hatte ich das hier völlig vergessen… produziert von Murray selbst, sowohl bei Justintime als auch Enja erschienen… abgebildet ist die deutsche Version, die man am etwas anderen Albumtitel erkennt, Creole Project statt Creole… das Konzept ist genauso ambitioniert wie einfach und fast idiotensicher, Murray fährt mit einer fantastischen Band (James Newton, DD Jackson, Ray Drummond, Billy Hart) nach Guadeloupe und nimmt da für zwei Tage mit lokalen Musikern auf… das Programm besteht aus Treffen mit der örtlichen Jazzszene, dem Flötisten Max Cilla, dem Gitarristen Gerard Lockel und einigen Perkussionisten, zum Teil in eher jazzigen Tracks, zum Beispiel einem tollen Duett von Murray und Lockel, zum Teil in Songs des Liedermachers Teofilo Chantre, die so ein bisschen mehr Lokalkolorit/Urlaubsstimmung schaffen… (also: ich bild mir ein, dass das quasi die Lieder sind, die man dort im Radio hört) Flöte/Tenor-Frontlines mag ich sowieso, Murray hat tolle Momente, genu wie DD Jackson… und dadurch, dass es ziemlich abwechslungsreich ist – und dabei trotzdem als ganzes zusammenhängt – sind auch die 60 Minuten nicht zu viel… macht schon Sinn, dass mir das Mal so gefallen hat. Ob das jetzt wirklich ein Enja Album ist… immerhin hat sich irgendwer für das Wort „Project“ im Albumtitel starkgemacht…
Mir gefällt das auch sehr gut, das Programm ist abwechslungsreich, Murrays Band in Form (Hart glänzt mit ungewöhnlichen Beats), der Leader hat Spass in freieren Gefilden ebenso wie im Material aus Guadeloupe („Flor Na Pau“ von Chantre wäre in einer instrumentalen Version auf „Lucky Four“ auch nicht fehl am Platz gewesen), in „Guadeloupe Sunrise“ gibt’s das erste Duo mit dem lokalen Gitarristen (mit „Guadeloupe After Dark“ folgt gegen Ende des Albums ein zweites), im folgenden „Soma Tour“ sind nach dem Leader die Flöten von Max Cilla und James Newton im Duett zu hören. Newton hören zu können ist ja eh ein viel zu seltener Genuss (fickt euch, Beastie Boys, fickt euch hart!) und er ist hier recht prominent. Ob er oder Cilla auf „Gansavn’n“ (komponiert von Kiavue) zu hören ist, ist mir nicht ganz klar, aber auf „Mona“ ist’s dann sicher wieder Newton. Ein echt schönes Album!
Das komplette Line-Up: David Murray (ts, bcl), James Newton (fl), D.D. Jackson (p), Ray Drummond (b) und Billy Jabali Hart (d) treffen auf: Klod Kiavue (perc, ka drum, voc), Max Cilla (flute des mornes), Gérard Lockel (g), François Landreseau (lead voc auf „Savon de Toilette“, ka drum) und Michel Cilla (dibass drum, voc). „Gwo ka“ steht für „grosse Trommel“ (hier im Line-Up „ka drum“), die Suche nach der „dibass drum“ ist etwas schwieriger, aber hier finde ich einen kurzen frz. Artikel über einen der letzten, der auf Martinique die „tanbou di bas“ (auch d’bas) herstellt und da gibt es unten auch ein Foto, auf dem er sie spielt:
https://la1ere.francetvinfo.fr/martinique/schoelcher/raphael-paquit-est-un-passionne-de-tambours-dont-le-traditionnel-tanbou-di-bas-1395870.html
(CN eher nichts für Vegetarier*inner, Veganer*innen und Freund*innen niedlicher Jungtiere – das wichtigste daraus zur Herstellung: fürs Fell braucht man die Haut von Zicklein, die strapazierbar und fein sei, die Haut wird feucht gemacht, dann zwischen zwei Metallkreisen eingespannt, justiert bis sie gut klingt, mit einem Strick festgezurrt und dann auf den Körper der Trommel gesetzt.)Die Bedeutung der Gwo ka scheint kaum zu überschätzen zu sein – bei redbullmusicacademy.com gibt es einen Text von 2017:
Gwo ka is an artistic movement, comprising lyrics, dance and music, which made it onto UNESCO’s list of Intangible Cultural Heritage in 2014, but which was born in the 17th century. It is represented by the “ka” drum that slaves made from barrels destined for the transport of goods preserved in brine. More than just a simple instrument, the “ka” was also used to announce clandestine meetings or revolts against sugarcane plantation owners. Gwo ka was inevitably banned by the colonisers and criticised by the church, who denounced the “obscene” character of the dances and the excessive rum consumption associated with such events. There were also accusations that the tambouyés (tambourine players) were “spreading degeneracy among the Guadeloupean people.” Described as “old negro music” or “brown negro music” – “brown negroes” (nègres marrons) was the name given to slaves who managed to escape from the plantations – gwo ka was rarely celebrated on Guadeloupean soil. This music was exclusively played in rural areas, and was synonymous with the lowest social class. “Gwo ka is the blues of Guadeloupe,” says Richard.
It was only in the ’70s, when there was a push for independence, that gwo ka was finally granted a sliver of cultural recognition, with artists such as Germain Callixte, Kristèn Aigle and Serius Geoffroy bringing it back from oblivion. Vélo, a member of the band Akiyo – and founding member of the LKP some forty years later – modernised the Guadeloupean carnival with his group. The local carnival was always considered a form of catharsis and complaint against normal societal institutions, but Akiyo replaced the costumes made from satin, glitter and plastic jugs with traditional masks and gwo ka drums; they even wore khaki-coloured military helmets, traditionally symbols of colonial oppression. Another performer, Robert Loyson, a sugarcane planter, sang in a bathrobe when he spoke out about the troubles of his oppressed countrymen. Resentment towards gwo ka persisted, however. At the time, the ka master Gérard Pomer, who discovered the drum via his great uncle, a sugarcane cutter, was just a teenager. As soon as he began to play drums at the village market with his friends, “the police would turn up within five minutes and break the instruments we had made ourselves, right in front of our eyes.” Guy Conquet would go on to experience this, too. In 1971, this legend of gwo ka, nicknamed the “Bob Marley of Guadeloupe,” was arrested by the police for “acts of subversion” because he was singing during a strike organised on the sugarcane plantations of Baie-Mahault. One of his most famous songs, “Gwadloup malad’o,” was banned from the airwaves of official radio stations.
Den ganzen Text gibt es hier:
https://daily.redbullmusicacademy.com/2017/09/gwoka-the-drums-of-discordIm Wikipedia-Eintrag zu Gwo ka wird auch klar, dass Gitarrist Gérard Lockel auch als Musikologe wichtig war: Er unternahm mit seinem „Traité de Gwoka modên“ den ersten Versuch einer Einordnung der Musik aus Guadeloupe und verortete sie im Kontext afrikanischer Musiktraditionen, aber: „Paradoxically, under Lockel’s leadership, Gwoka was transformed from a participatory music played outdoors to a presentational music played on stage with European and North American instruments.“ (Dazu ist eine PhD Thesis von 2011 als Quelle angegeben.)
Und auch die nächste Runde hole ich aus dem Enja-Faden rüber:
gypsy-tail-wind
David Murray – Speaking in Tongues | An diese Stelle noch einen verspäteten Dank für die Murray-Besternung @vorgarten! Dass Murray hier – die zweite von drei Justin Time-Übernahmen oder Co-Produktionen mit Murray – „Teufelsmusik“ spielt („there has always existed fear throughout the african american churches that jazz music was some kind of devil’s music“ steht auf der Rückseite des Booklets in einem Kreis) passt auch gut zum Film, den ich der nachmittäglichen Kino-Pause gerade gesehen habe – dort gibt es gläubige Schwarze, ein Limonadenfestival, Paraden und ein Begräbnis mit ein paar schönen durchaus gospeligen Momenten auf der Tonspur (Trivia: im Cast ist auch einer der Komponisten von „Sleepy Time Down South“ mit dabei, Clarence Muse, dessen Biographie sich sowieso interessant liest).
Manchmal scheint Murray hier wirklich in Zungen zu sprechen. Sein Solo in „Missionary“ klingt länger fast wie ein fliessendes Altsax, erst mit der Zeit kommt sein körniger Ton hervor, irgendwann geht es ab ins Falsett … aber den so typischen Sound im tiefen Register kriegt man hier kaum, eigentlich nur, wenn Murray ein paar Honks einstreut. Anderswo dürfen Hugh Ragin mit seiner strahlenden Trompete oder Fontella Bass mit ihren grossartigen Stimme sprechen – Ragin in „Blessed Assurance“ auch allein mit dem Klavier von Jimane Nelson. Es gibt Gospel-Hymnen und auch zwei Originals: „Missionary“ von Murray und „Jimane’s Creation“ von Nelson, der hier vor allem an der Orgel überhaupt ziemlich wichtig für den ganzen Sound ist (das Solo in „Missionary!“). Das ist schon ziemlich toll, aber für meinen Geschmack irgendwie auch etwas zu glatt geraten. Es fehlen die Texturen, die das Treffen auf Guadeloupe so toll machen, es fehlt ein wenig an Reibung, das flutscht irgendwie etwas zu leicht durch, trotz vieler toller Momente. Einer der schönsten ist sicher Murrays an der Bassklarinette in „Amazing Grace“ (Nelson am Klimperklavier und der heulenden Orgel, Gitarre und Bassgitarre sehr funky … aber die Drums – nicht nur hier – leider ähnlich eintönig und flach wie beim Harris/Harrison-Album).
Entstanden ist das Album in René Amelines Studio Ferber in Paris (im Booklet steht „Forber“ – zur Geschichte des Studios mehr hier in französischer Sprache aber inkl. einige Fotos) am 5. Dezember 1997. Ameline wirkte als Tonmeister, zur Band gehörten neben Murray (ts, bcl), Ragin (t), Nelson (org, p, synth) und Bass (voc) auch Stanley Franks (g), Clarence „Pookie“ Jenkins (elb), Ranzell Merritt (d) und Leopoldo E. Flemming (perc).
Mit angepassten Erwartungen geht das eigentlich sehr gut runter … auch die Drums stören mich nicht mehr so sehr, in den ganzen Mix passt Ranzell Merritt schon sehr gut. Mir bleibt das aber etwas zu glatt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaredbeansandrice
hier ist ein interessanter Artikel von 2007 und darunter ein Blindfoldtest aus den frühen 2000er Jahren… ich wollt mal gucken, ob sich mein Eindruck bestätigt, dass Murray jemand ist, der auf Festivals etc natürlich viel von der Jazzszene mitbekommt, aber kaum Platten hört… ganz so krass wie zB bei Grant Green ist es nicht, er errät auch das eine oder andere… aber ich würd behaupten, die Tendenz ist schon da…“I used to put out five albums a year; now I put one out every year or 18 months,” he says. “I worked all the time and took pretty much any gig; now I take select gigs, maybe 120 concerts a year. I’m in Paris half the time, moving around the other half. I’m not aligning myself with the avant-garde or the bebop, I’m just David Murray. I take my kids to school at 8:30, then I exercise, and I’m home at 9:30. I write until noon, and practice the rest of the day till 6, going through my books, trying to keep my chops up and my mind open. When a project comes up, I get very serious, and don’t study nobody else’s shit but mine. That will last for three months, and then there’s no project. Then I go back to my little everyday shit.”
das ist aus dem Artikel von 2007…
Danke, das passt gerade, weil da auch steht, dass Gwo-Ka-Drummer Klod Kiavue bzw. wie es dort geschrieben ist Klod Klavue (der im „Creole“-Line-Up direkt auf Ray Drummond und Billy Hart folgt, noch vor James Newton, D.D. Jackson usw.) der Ehemann der Schwester von Murrays Frau Valerie Malot sei. Der Kontext ist eh interessant, wenn es um die Phase geht, in der Murray quasi vom Quartett zum Konzept wechselt – und von New York nach Paris:
Murray attracted a worldwide fan base through the lyric swagger and raw edge of his tonal personality. He drew criticism from many ’80s “young lions,” who attacked him as a poseur, suggesting that his predisposition to blast off to the outer partials stemmed less from an independent aesthetic decision than insufficient grounding in the tropes of tradition. As Crouch, who had championed Murray during the ’70s, joined forces with Wynton Marsalis to establish the Jazz at Lincoln Center juggernaut, Murray was unceremoniously deleted from the mainstream conversation. He recorded ever more prolifically, for multiple labels, and toured regularly with his various ensembles, but he was falling into a rut, and his rambunctious lifestyle was beginning to take a toll.
“I was troubled, and I needed to leave,” Murray recalls. “I had Paris in my sights.” For one thing, Paris was a magnet for African musicians. For another, Malot, who grew up in North Africa and whose sister’s husband, Klod Klavue, is a master Gwo-Ka drummer from Guadeloupe, understood — and through her booking and production experience was in a position to actualize — Murray’s desire “to get closer to my African roots and do a little personal research” on them by traveling to and performing with “groups of people in Senegal, in Ghana, in South Africa, in Cuba I’d met that I could relate to.”
“Jazz has the primal feeling of African drums and the sophistication of the city,” Murray says. “A primal force, like [drummer] Dudu Ndiaye Rose, brings very complex rhythms. I bring the harmonies and melodies. It makes me want to play and sweat, like praising the Lord, going into a trance and getting back to roots. I’m trying to get to the core where the musics fuse.”
Today, Murray is less enamored with Paris than he once was. (“[The French] have an attitude that gets on your nerves.”) Nonetheless, Murray finds family life a sanctuary that provides space to think and focus, to work more systematically than the distractions of the New York City allowed.
Und der BFT ist doch ziemlich gut, er erkennt – ausser vielleicht Branford Marsalis – doch im wesentlichen alle Leute … okay, nicht Booker Ervin (was echt ein Hinweis auf „nicht so viele Platten hören“ sein könnte) und Charles Gayle, aber der war ja auch in anderen Welten unterwegs, und nicht Branford Marsalis …
zuletzt geändert von gypsy-tail-wind--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbane, schlecht ist die Performance im Test nicht… und die Klassiker wie Mingus, Ornette Coleman, Paul Gonsalves und Ben Webster erkennt er ohne auch nur drüber zu reden… aber jenseits der Klassiker erkennt er Sachen scheinbar fast immer nur aus der direkten Erfahrung, nicht von Platte… er redet auch in seinen Antworten nie von den Platten, von denen die Tracks kommen könnten, immer nur von den Leuten, ob sie noch leben vor allem… bei Von Freeman und Charles Gayle zB erwähnt er in der Antwort, wo er sie gehört hat, David Sanchez auch… Eric Alexander, Joe Lovano, Branford Marsalis und Michael Brecker erkennt er nicht… Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass der David Murray der 90er und 00er Jahre so gut wie keine Alben angehört hat, weder von sich noch von anderen
edit: ein ganz interessanter Kontrast ist hier James Carter in einem ähnlichen Test… ist auch nicht komplett anders, aber Charles Lloyd und Roscoe Mitchell hat er direkt, David Murray auch…
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.danke für den hinweis – das ist ja wahrscheinlich auch haltungssache, dass man nicht die eigenen vorbilder oder gar zeitgenossen anhand von konserven studiert, sondern sich allenfalls erinnert, sie live – auf den gleichen festivals, auf die man selbst eingeladen war, wahrscheinlich – gesehen zu haben. ich denke auch, dass murray seinen eigenen alben-output vor allem unter dem aspekt gesehen hat, für festivals, tourneen tec. relevant zu bleiben (120 konzerte im jahr als idee „ausgewählter“ auftritte finde ich ja schon ziemlich spektakulär).
david murray infinity quartet feat. macy gray & gregory porter, be my monster love (2013)
das album habe ich damals bewusst ignoriert, weil ich die beiden gastsäger*innen nicht mag (und dachte: armer murray, dass du mit denen aufnehmen musst, um aktuellen zielgruppen ein begriff zu bleiben), was mal wieder ziemlich blöd war. die kapriziöse gray und der glanzlos-laute porter sind hier super eingesetzt, stimmiger habe ich beide nie gehört… und dann hat sich murray ein neues quartett zusammengebaut, das ihn ganz offensichtlich sehr inspiriert: gilchrist und drake sind weitergezogen, aber der tolle jaribu shahid ist geblieben (ich mag den sehr gerne, toller ton, sehr präsent, druckvoll…), dazugekommen sind marc cary, der viel zupackender spielt als der verschrobene gilchrist, und nasheet waits, der nicht primär die grooves variiert wie drake, sondern sehr aufwändig überall zugleich ist, vor allem beim solisten. murray ist herausgefordert wie selten, und das mag er ja. das material… naja, etwas merkwürdige songs (kompositionen von ihm, z.t. auf dem singer-album schon zu hören, jetzt mit texten u.a. von ishmael reed), dazwischen großartige quartett-stücke, u.a. den „sorrow song“ aus LOVE & SORROW. das geht mal richtung kirche, mal südwärts, mal zum hardbop. und dann räumt murray nochmal kurz die bühne für einen freund und mentor, bobby bradford – eher als geste, denn als battle. nach 3 jahren pause ist alles so kraftvoll, scharf und beschwingt wie immer.
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vorgarten
seasons (1998)
das hidden treasure in der murray-diskografie, bei dem man auf dem papier denkt: hier passt doch nichts zusammen. murray mit richard hanna, richard davis und victor lewis (ok, der passt), ein jahreszeitenprogramm aus der tin pan alley, das merkwürdige pow-wow-label, lauter eigenartige arrangements („autumn in new york“ als schnelle samba), ein „less-is-more“-zugang des leaders (steht so in den liner notes, die insgesamt ziemlich gaga sind), „let it snow“ als closer – wie kann das so gut funktionieren? hier sind tatsächlich feine ohren nötig, die die doppeldeutigkeiten und untiefen des inside-playing wertschätzen, die man hier serviert bekommt. und tatsächlich auch fehler und schiefgang: hanna kann z.b. keine samba, davis witzigerweise aber schon, murray strauchelt bei den changes ordentlich, was ihn nicht daran hindert, genau dort seine herausforderung zu suchen und nicht darüber hinweg zu spielen. am ende ist das alles auf kreative weise rutschig, gleichzeitig total ernsthaft, und ruft nebenher aus den vorlagen heraus allerhand aus der jazzgeschichte auf, unterschiedliche rhythmen, harmonien, zugänge, verschiedene formen des glamours, entertainments, der showpraktiken. am ende wundert man sich wieder mal, was man aus guten songs alles machen kann.
in der euphorie der erstbegegnung schrieb ich hier damals sowas:
musste nochmal kurz auf den broadway. da sitzt nämlich das büro von pow wow records, für das murray 1998 dieses merkwürdige album aus jahreszeitengebundenen standards aufgenommen hat. also: frühling mit loesser (so kam ich drauf) und rodgers/hart, sommer mit legrand/bergman und herbert/dubin, herbst mit weil/anderson, duke und dubin/warren, winter mit thornhill/thornhill und cahn/styne. dafür hat der außerordentlich gechillte murray sich ein unterstützendes trio aus roland hanna (dessen „seasons“, für sarah vaughan geschrieben, hier als einführung dient), richard davis und dem unendlich lässigen victor lewis zusammengestellt. und man merkt, dass diese band zeit zum üben und zusammenfinden und arrangieren hatte. die versionen überraschen, obwohl sie sehr unaufgeregt daher kommen. der fast-weihnachts-song „spring will be a little late this year“ entsteigt einer gewitterwolke, „autumn in new york“ wurde offenbar in einem barrio aufgenommen, der „snowfall“ tritt als elegante cocktail-party auf. die band ist spitze, murray klang selten besser (mike marciano hat aufgenommen), aber es ist roland hanna, der hier wirklich überzeugt: er wienert theaterbühnen, hebt samtvorhänge, tanzt die showtreppe rauf und wieder runter, bevor der suchscheinwerfer ihn findet. ganz tolles album, habe ich damals komplett übersehen, als ich großer murray-fan war. let it snow, let it snow, let it snow!
da sind ein paar fehler drin, u.a. war ich damals ja gar kein großer murray-fan mehr. aber ansonsten hab ich das heute wieder genauso gehört. roland hanna wird nicht mein lieblingspianist, dazu finde ich ihn rhythmisch zu steif, aber wenn es um wirklich tiefe auseinandersetzung mit dem great american songbook geht, hat er einiges zu sagen. hier ist er absolut einzigartig.
Da bin ich jetzt – und docke gerne wieder an, weil ich das Album gerade zum allerersten Mal und auch nur in Behelfsversion höre … danke dafür @vorgarten, das scheint nämlich die nächste grosse Entdeckung zu sein, mitten in der Phase, in der ich ja auch ein wenig mit Murray zu hadern anfange. Aber wie Hanna hier schon zum Einstieg den Teppich ausrollt, was da alles läuft zwischen Richard Davis und Victor Lewis – das hat mich sofort! Hanna mag ich eine Spur lieber, aber es kommt irgendwie total auf den Kontext an. In der Jones/Lewis Big Band (mit Davis am Bass) wirkt sein Spiel oft ziemlich überbordend und fast unbotmässig – das ist dann wohl auch die Qualität, die Mingus an ihm gemocht haben dürfte (er hat ja leider nur ganz wenig mit Mingus aufgenommen, aber gehörte um 1959/60 herum zum Pool der Leute, die Mingus bei Gigs anrief). Solo oder im Duo mit George Mraz mag ich ihn auch gerne, aber im Klaviertrio finde ich ihn oft etwas unsubtil wuchtig. Dabei höre ich bei ihm da, wo ich ihn mag, eine Art beharrliche Flamboyanz – was ein Widerspruch ist, klar, weil Beharrlichkeit viel zu bieder ist, um flamboyant zu werden … ich höre da also durchaus irgendwie harte Arbeit, Schweiss – aber eben auch Höhenflüge und eine Offenheit für Unvorhergesehenes.
Meine Highlights nach dem ersten Hören: „Spring Will Be a Little Late This Year“ mit einer wunderschön singenden Bassklarinette, wie ich sie von Murray noch nicht kannte (und wie sie – für einmal – von Dolphy kaum weiter entfernt sein könnte) und wie sie hier aus einer Art Urbrummeln emporsteigt. Da gibt es auch diese kleinen Arranger’s Touches, die echt gelungen sind. Dann ist da das kollektive Abmühen in „Summer Knows“, das wirklich interessante Resultate zeitigt (und sehr viel besser gelingt als „Autum in New York“, finde ich). Murray klingt auf dem ganzen Album super, scheint mir etwas weniger in den Vordergrund gemischt als bei DIW/Jim Anderson, die Aufnahme klingt überhaupt wärmer, runder, voller – und tatsächlich wahnsinnig schön (lustig, beim Enja-Marathon fand ich die Marciano-Brüder ja nicht immer top – aber schlecht jetzt auch nicht … da gab’s halt direkte Vergleiche mit anderen Studios). Was die mit „September Song“ alles anstellen, ist auch toll – weniger das gestrichene Bass-Intro/Outro (da kam mir direkt Howard Mandel in den Sinn, der zu „Love Outside of Dreams“ schrieb, dass Hopkins den Bogen daheim gelassen hätte – hätte bei Davis an dem Tag auch nicht geschadet) besonders der Übergang vom Tenorsax zum Klavier. Das Klavier ist dann im schnörkellosen „September in the Rain“ in Soul-Jazz-Manier unterwegs – und auch das passt hier perfekt, vor allem weil sich Murray und Lewis an Lässigkeit zu übertrumpfen versuchen. „Snowfall“ ist dann auch wieder super, eine Rumba, von Davis‘ Bass getragen mit Murray an der Bassklarinette (lief hier neulich schon vom Mutter/Sohn-Gespann Stella und Sean und Levit – auch schön). Der Closer ist dann allerdings eine Lüge, denn ich wurde vorhin auf dem Fahrrad nicht etwa eingeschneit sondern bis auf die Knochen durchnässt … Murray hat hier einen seiner stärksten Momente auf dem Album und Hanna ist danach auch nochmal stark. Was für ein tolles Album – da muss auf jeden Fall noch eine CD her!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaEins geht noch … ich höre nochmal Octet Plays Trane. Es stimmt schon: das Arrangement von „Giant Steps“ ist toll und ziemlich elaboriert, wie @vorgarten geschrieben hatte – aber jetzt auch nicht so viel mehr als irgendwas von Tadd Dameron (gut, Coltrane-Soli transkribiert und daraus Combo-Arrangements gemacht hat der natürlich nicht), der dazu dann halt noch eine spezifische Handschrift hatte, was bei Murrays Arrangements für mein Empfinden nicht der Fall ist. Aber ich will nicht nochmal nachtreten (hier der Link zu meinem Post im Enja-Faden mit der Fehlprognose zum Zeitpunkt des nächsten Hörens) – einfach nur hören und vielleicht besser verstehen, was mir an dem Album nicht gefällt. Das krieg ich aber nicht wirklich zu fassen … der Sound ist gut, nicht kalt oder so. Das zieht einfach alles irgendwie ein wenig an mir vorbei – und mein Rant im Enja-Faden ist ein Versuch, das zu ergründen. Was mir im neuen Kontext auch stärker auffällt: ich finde Murrays Beiträge nicht so super. Er liefert, klar – aber vielleicht passt für mich hier die Formulierung, die @vorgarten weiter oben zu „Love Outside of Dreams“ verwendet hatte: „murray spielt einfach durch. ein bisschen nervt er, hier, so mitte/ende der 90er, die soli haben nicht mehr die zwingende dramaturgie wie z.b. auf FAST LIFE, er brettert so durch, reiht seine falsetto-ausflüchte auf knopfdruck hintereinander, spielt mir latent zu viel“. Ein paar kleine Verschiebungen gibt es schon, so mag ich z.B. heute den leicht südafrikanisch angehauchten Groove in „The Crossing“ ziemlich gerne – manchmal müssen ja auch einfach zuerst mal die Erwartungen über Bord gegangen werden. „India“ bleibt mein Favorit, da passt für mich alles zusammen: Stück, Arrangement, Stimmung, Soli. In Sternen erhöhe ich von den 2,5 aus dem Enja-Marathon auf 3 – ein Ausfall ist das Album jedenfalls wirklich nicht.
Mir fehlen die zwei Oktett-Alben zwischen denen auf Black Saint und diesem hier, „Picasso“ und das Dead-Album, vielleicht würde sich daraus das nochmal Neues ergeben, was meinen Blick auf „Octet Plays Trane“ ändern könnte?
Trivia: Bei der Justin Time-Variante des Covers (oben, die Ausgabe habe ich, drum fiel mir das alles überhaupt auf, das Foto im Post von @vorgarten irritierte mich) ist der Name von Guy Le Querrec etwas dezenter aufs Cover gedruckt worden als bei der Enja-Ausgabe (unten – Fotos von Discogs), wo auch die Gelbtöne satter und die Tiefenschärfe etwas grösser ist (und der Bierflaschenhals ganz unten links wegretuschiert wurde … unten rechts vor Murrays Hose fehlt bei Enja noch was, könnte ev. ein Mundstück sein?):
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-windMir fehlen die zwei Oktett-Alben zwischen denen auf Black Saint und diesem hier, „Picasso“ und das Dead-Album, vielleicht würde sich daraus das nochmal Neues ergeben, was meinen Blick auf „Octet Plays Trane“ ändern könnte?
das denke ich nicht. beide haben tolle momente, aber was unvorhergesehenes passiert da nicht.
ich bin ja tatsächlich schon im finish, gestern habe ich noch die hälfte des murray/allen/carrington-trios gehört, was ja ziemlich großartig ist, da läuft dann einiges schon richtung später karrierehöhepunkt, auf dem sich murray momentan zu bewegen scheint. das gisler-album mit branch & murray habe ich leider nicht, aber sonst kenne ich da eigentlich das meiste bis FRANCESCA und freue mich aufs wiederhören.
das quartett mit marta sánchez war übrigens ende 2024 noch für verve im studio, da kommt also noch was dieses jahr.
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Schlagwörter: David Murray, Tenorsax
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