Das Sopran-Sax im Jazz

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    gypsy-tail-wind
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    Ein Thread für redbeansandrice – he he he

    Ein heikles Instrument, das nach Coltranes Erfolg mit „My Favorite Things“ trendig wurde, und leider wurde auch seine originäre aber ich behaupte jetzt mal wenig ausbaufähige Spielweise oft nachgeahmt – der dünne, schneidende, fast oboenähnliche Ton, die Linien, die böse gesagt manchmal an einen Schlangenbeschwörer erinnern mögen…

    Aber: ich mag das Sopransax gerne – nicht immer und am liebsten in Bands, die auch noch anderes (Blech, tiefere Saxophone) zu bieten haben, aber ich mag’s!

    Was sind eure liebsten Musiker am Sopran? Liebste Aufnahmen?

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    Als absoluten Favoriten nenne ich mal Lucky Thompson – er hatte das zickige Instrument absolut im Griff und konnte es so weich und sanft spielen wir kaum ein zweiter! Sein Werk ist sowieso viel zu klein geblieben – falls Ihr weiterlesen wollt, ich habe hier mal versucht, einen Überblick zu schaffen.

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    Dann natürlich Steve Lacy – der erste, der sich ganz dem Sopransax verschrieben hat. Ich hatte das Glück, ihn einige Monate vor seinem Tod in einem Solo-Konzert zu erleben – das war unglaublich!

    Seine frühen Aufnahmen (Candid und Prestige) sind noch ziemlich zahm, am besten finde ich „School Days“ mit Roswell Ruff (und einigen Monk-Stücken im Gepäck). Früh beginnt auch schon seine Zusammenarbeit mit Mal Waldron, dem er auch in den sonst teilweise ziemlich wilden 70ern treu blieb. Danach beginnt die Zeit von Lacys „grossem“ Quartett mit Steve Potts (Alt- und Sopransax), Jean-Jacques Avenel (Bass) und Oliver Johnson, später John Betsch (Drums). Ein Highlight aus dieser Zeit ist das umwerfende „Morning Joy“ (momentan hatOLOGY).
    Auch im Trio hat er tolle Aufnahmen gemacht, etwa „Capers“ (hat ART, momentan als hatOLOGY als „New York Capers and Quirks“, glaub ist auch schon vergriffen) mit Denis Charles und Ronnie Boykins, oder gegen Ende seiner Karriere „Work“ (für das leider untergegangene Label Sketch, im Trio mit Avenel und Daniel Humair).
    Im Duo (und seltener im Quartett) mit Mal Waldron entstanden auch eine ganze Reihe schöner Alben, wir haben sie im schon kurz angesprochen (ich weiss nicht mehr wo, im Piano-, HatHut- oder Prestige-Thread, oder in allen… einen Waldron Sterne-Thread gibt’s ja auch nocht).

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    Und dann Barney Wilen… er hat noch vor Coltrane auf Art Blakeys Soundtrack zu Vadims Film „Les liaisons dangereuses“ ein sehr schönes Stück am Sopran aufgenommen – auch er spielt mit einem weichen, vollen Ton. Sein Hauptinstrument war das Tenorsax, aber er spielte auf seinen frühen Aufnahmen ab und zu Sopran zwischendurch. Später hat er auch Barisax und Altsax gespielt (nach seinem Comeback ab 1985), aber auf dem Sopran ist er wohl neben dem Tenor am eigenwilligsten.

    Der „Vater“ des Sopransaxophones ist natürlich ein anderer, nämlich Sidney Bechet. Sein Spiel klingt für an modernen Jazz gewohnte Ohren allerdings wohl noch einiges aufdringlicher als das von Coltrane – grosser Sound, noch grösseres Vibrato, mit der ganzen „exuberance“, wie sie seinen Stil des Jazz auszeichnet.
    Ein Einstieg mag das 1956 in Paris mit Martial Solal und Kenny Clark aufgenommene Album bieten:

    albumcoverSidneyBechet-MartialSolal-KennyClarke.jpg

    Auch Johnny Hodges hat in den frühen Jahren bei Ellington ab und zu Sopransax gespielt, hat sich dann aber leider geweigert, da Ellington seine Gage nicht erhöhen wollte als „doubler“… schade! Auf Goodmans 1938er Konzert spielte Hodges aber auf einem Stück ausnahmsweise nochmal Sopransax.

    Soviel mal zum Einstieg… und noch ein paar Namen, einigermassen chronologisch:

    Sidney Bechet
    Don Redman
    Johnny Hodges
    Charlie Barnet
    Woody Herman
    Budd Johnson (zum Beispiel auf Randy Westons „Tanjah“)
    Jerome Richardson (grandios in the Jones-Lewis Big Band!)
    Sahib Shihab (in der Clarke-Boland Big Band)
    Lucky Thompson
    Barney Wilen
    John Coltrane (Chronological Coltrane) (Sterne)
    Steve Lacy
    Roland Kirk (manzello)
    Wayne Shorter
    Sam Rivers (Sterne)
    Archie Shepp
    Pharoah Sanders
    Roscoe Mitchell
    Joseph Jarman
    Anthony Braxton
    Oliver Lake
    Evan Parker (Sterne)
    John Surman
    Charlie Mariano
    Dave Liebman
    Michel Portal
    Zoot Sims
    René McLean
    Ralph Moore
    Greg Osby
    Branford Marsalis
    Jane Ira Bloom
    Jane Bunnett
    Jan Garbarek (Sterne)
    Bob Wilber
    Louis Sclavis (Sterne)
    Harry Sokal
    Andy Sheppard (Sterne)

    --

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    #7567307  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    bei diesem heiklen Thema lass ich mir mit meinem ersten richtigen Beitrag Zeit… aber hier im 1956er Poll des französischen Magazins Jazz Hot findet sich knallharte Evidenz (immerhin über 400 Stimmen), dass Wilen schon sehr früh auch Bariton gespielt hat…

    (zitiert von der myspace Seite von Rene Mailhes, der – so verstehe ich es – mit berechtigtem Stolz darauf verweist, dass er schon knapp vierzig Jahre vor seinem ersten Album, verdammt gut war…)

    --

    .
    #7567309  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Das wusste ich nicht – und diesen Poll hatte ich natürlich schon wieder vergessen :-)

    Auf Aufnahmen zu hören ist das Barisax jedenfalls erst später… hat er in dieser frühen Zeit als Sideman Barisax gespielt? Weisst du mehr, oder hast du mehr dazu gefunden?

    Und noch ein Klassiker:

    Evan Parker – Saxophone Solos

    Eine Solo-Aufnahme von 1975, ursprünglich Incus 19, dann auf CD Chronoscope CPE 2002-2 und jetzt neu wieder auf CD als psi 09.01.
    Unglaubliche Sachen hört man da!

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    #7567311  | PERMALINK

    newk

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    Beiträge: 428

    Ich mag Parker und Braxton, der übrigens meistens Sopranino spielt, am liebsten. Auf dem Album der beiden auf Leo gibt es ein unglaubliches Sopran/Sopranino Duett.
    Steve Lacy ist natürlich ein großartiger Musiker, aber dieser quakige Ton stört mich immer ein wenig. Morning Joy finde ich aber auch toll.
    Vielleicht noch erwähnenswert sind Saxophonisten wie Urs Leimgruber, John Butcher und Lol Coxhill, die eher freie Improvisation als Jazz spielen, aber das ist ja schon bei Parker der Fall.

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    #7567313  | PERMALINK

    Anonym
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    Das soprano führt mich eher abseits – aber ich werde verfolgen, was Ihr schreibt.

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    #7567315  | PERMALINK

    atom
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    Es gibt ein Album von Lol Coxhill, Steve Lacy & Evan Parker („Three Blokes“, 1994 auf FMP), auf dem sie ausschließlich Sopran spielen. Ich habe es zwar seit Jahren nicht mehr gehört, habe es aber sehr gut in Erinnerung, was besonders am ersten Duo zwischen Lacy und Paker liegt.

    --

    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    #7567317  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    newkIch mag Parker und Braxton, der übrigens meistens Sopranino spielt, am liebsten. Auf dem Album der beiden auf Leo gibt es ein unglaubliches Sopran/Sopranino Duett.
    Steve Lacy ist natürlich ein großartiger Musiker, aber dieser quakige Ton stört mich immer ein wenig. Morning Joy finde ich aber auch toll.
    Vielleicht noch erwähnenswert sind Saxophonisten wie Urs Leimgruber, John Butcher und Lol Coxhill, die eher freie Improvisation als Jazz spielen, aber das ist ja schon bei Parker der Fall.

    Coxhill kenn ich bisher nur schlecht, aber Butcher und Leimgruber sind beides sehr spannende Musiker!
    Butcher gehört wohl rein technisch zu den besten überhaupt, unglaublich, welche Kontrolle er über seine Instrumente hat, und welche Nuancen er hinkriegt!
    Leimgruber hat seine Wurzeln sehr wohl im Jazz, u.a. in der Jazz-Rock Band Om (mit Christy Doran, Bobbi Burry und Fredi Studer), die zu den Klassikern des CH-Jazz gehört! ECM hat vor ein paar Jahren einen Sampler rausgebracht mit Stücken von drei Alben und einem vierten komplett. Ist wohl leider das einzige, was es im CD-Zeitalter von ihnen geben wird, schade. Aufnahmen von/mit Leimgruber besitze ich sonst fast keine, eine tolle Impro-CD auf hatOLOGY („No Try No Fail“ mit Joëlle Léandre und Fritz Hauser), aber ich hab das eine oder andere vom Radio (grandioses Duo mit Hauser, das „Quartet Noir“) und hab ihn auch mal in einem enorm eindrücklichen Konzert gesehen, im Trio mit Christian Weber/Christian Wolfarth.

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    #7567319  | PERMALINK

    dogear

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    Joe Farrell

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    Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
    #7567321  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    dogearJoe Farrell

    Kenn ich bisher fast nur als toller Tenorsaxophonist, u.a. mit Jaki Byard („Live! At Lennie’s“ & „More from Lennie’s“), von Elvin Jones‘ ersten Blue Note Alben (im Trio mit Jimmy Garrison – glaub dort spielt er auch mal Sopran, ist ja schliesslich stark Coltrane-geprägt…) und natürlich von den grossartigen Thad Jones/Mel Lewis Big Band Sessions auf Solid State.

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    #7567323  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    atomEs gibt ein Album von Lol Coxhill, Steve Lacy & Evan Parker („Three Blokes“, 1994 auf FMP), auf dem sie ausschließlich Sopran spielen. Ich habe es zwar seit Jahren nicht mehr gehört, habe es aber sehr gut in Erinnerung, was besonders am ersten Duo zwischen Lacy und Paker liegt.

    Die muss ich mal anhören, habe ich schon seit Ewigkeiten auf meiner Liste, aber FMP ist ja nicht mehr einfach zu finden…

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    #7567325  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    meine kürzlichen Zweifel, was das Sopransaxophon betrifft, hat eigentlich nail mit seiner Theorie von den vielen Garbareks losgetreten… vordergründig gibt es ja auch noch Garbarek den Sopransaxophonisten und Garbarek den Tenoristen – und ich glaub mit dem zweiten hab ich fast keine Probleme… und da hab ich mich gefragt, wo Garbarek diesen süsslichen Stil wohl her hat… also, manchmal kriegt man solche heritage-Linien ja auf dem Tablett präsentiert (hier etwa: Pharoah Sanders und dann David Sanborn) werd wohl die Tage mal gründlich mein liebsten Tenoristen am Sopran studieren, angefangen mit Coltrane, den ich auch am Tenor sehr viel lieber mag, im allgemeinen

    Tatsache: Barney Wilen am Sopran ist über jeden Zweifel erhaben, Steve Lacy auch – zwei völlig unterschiedliche Spielweisen, aber beides durch und durch geschmackvoll…

    was Lucky Thompson betrifft: seinen Stil Mitte der fünfziger Jahre mag ich glaub ich lieber als den späteren; letzterer ist allerdings ein höchst fasziniernder, der ganze „Hawkins-Ballast“ aus dem Spiel verdrängt… JE Berendt schreibt, er findet Thompson am Sopran seltsam kalt oder so – ich glaub eher, die relevantere Unterscheidung ist Thompson 1956 vs Thompson 1966; eins der besten späten Thompson Alben, Sopran und Tenor; klassischer (Tenor-) Thompson von 1956 etwa auf dem ersten Album hier

    Joe Farrell war auch einer meiner ersten Gedanken gestern – weiß gar nicht so recht, an welche Alben ich dabei dachte… Evan Parker gehört noch zu meinen großen Lücken – das wird nicht so bleiben können… auch Coxhill kenn ich bisher vorwiegend als tollen Sideman von Kevin Ayers…

    --

    .
    #7567327  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Parker ist ein harter Brocken… ich mag in der Gegenwart sein rauhes, emotionales Tenorspiel sehr viel besser, weil er auf dem Sopran irgendwie nur ein Solo hat und dieses immer wieder spielt (so wie Booker Ervin auf dem Tenor… der hat zwar zwei, ein schnelles und ein langsames… :-) – und von dem bin ich ein grosser Fan…)
    Habe Parker live gehört mit Barry Guys New Orchestra, und am Tenor war er unglaublich gut!

    Als Tip: „At the Vortex“ vom Parker-Guy-Lytton Trio

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    #7567329  | PERMALINK

    dogear

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    Joe Farrell
    Ich beziehe mich da auf die unter hard core jazzern oft verachteten CTI Alben (z.B. Outback, Moon Germs oder das Duo Benson&Farrell) bzw. auf die erste Return To Forever (ECM)

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    Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)
    #7567331  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Die „Return to Forever“ ist in der Tat sehr schön – und da spielt er ausschliesslich Sopran (oder noch Flöte? Jedenfalls kein Tenor). Habe ich vergessen… hab kürzlich endlich noch das Verve Album (Master Edition 2CD) gekauft, aber noch nicht reingehört.

    Die CTI-Alben kenne ich nicht – ich gehöre da wohl in der Tat eher zu den Verachtern, die sind mir einfach zu „slick“ produziert. Die beiden ersten von Hubbard find ich allerding super, und ich hab auch die LP von Randy Weston, aber die ist wohl eher ein Exot im Programm.

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    #7567333  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    dogearJoe Farrell
    Ich beziehe mich da auf die unter hard core jazzern oft verachteten CTI Alben (z.B. Outback, Moon Germs oder das Duo Benson&Farrell) bzw. auf die erste Return To Forever (ECM)

    die Outback hab ich, hat mich nicht restlos überzeugt, aber das ist keine ideologische Sache ;-) irgendwie ist die ganze Power des Albums in ein Stück gesteckt, während der Rest ziemlich pastoral ist – hätte mir glaub ich eine etwas gleichmäßigere verteilung gewünscht, so find ich beide Hälften ein bißchen unbefriedigend… Moon Germs hör ich jetzt grad zum ersten Mal, gefällt mir tendentiell noch eine Spur besser… wenn alle CTI Alben so schöne introspektive Momente hätten, so vielschichtig wären, wie die beiden, hätte das Label glaub ich einen besseren Ruf bei Hard Core Jazzern…

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