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Gukje Shijiang (Panorama)
Ein Kassenschlager aus Südkorea: Erzählt wird die Lebensgeschichte eines Mannes, der zusammen mit Mutter und Geschwistern im Korea-Krieg von Vater und Schwester getrennt wird und nun im Auftrag des Vaters die Geschicke der Familie lenken soll. Diese Last überfordert ihn nicht nur als kleinen Jungen, sondern beschert ihm auch im weiteren Verlauf seines Lebens eine Entbehrung nach der anderen. Der Film entpuppt sich als Historienkitsch, der auf jede wahrhaftig anrührende Sequenz eine umso klebrigere, pathetischere folgen lässt. Aber immerhin gibt es ein Wiedersehen mit Yunjin Kim, die in „Lost“ die Sun spielte. Hier gibt sie die Frau des Protagonisten. Als die beiden sich in den 1960er Jahren im Ruhrgebiet kennenlernen, sie Krankenschwester, er Bergarbeiter, singt sie herzzerreißend das „Lied von der Loreley“ – und das versöhnt ein wenig mit der ansonsten eher unerfreulichen Schmonzette.
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Jennifer beschuldigt ihren Mitschüler Alexander, sie vergewaltigt zu haben. Statt Anteilnahme zu ernten, zieht sie den Hass des gesamten Dorfes auf sich, auch nachdem Alexander verurteilt ist. Beata Gårdelers gemessen an seiner Thematik bemerkenswert unaufgeregter Film zeigt (ähnlich wie Thomas Vinterbergs „Jagten“ von 2012, in dem Mads Mikkelsen zu Unrecht als Kinderschänder gebrandmarkt wird) die grausam verdrehten Mechanismen einer sich bedroht fühlenden Dorfgemeinschaft.--
Nasty Baby (Panorama)
Ein schwules Paar (Regisseur Sebastian Silva und Tunde Adepimbe, Sänger der Band TV on the Radio) und ihre Freundin (Kristen Wiig) wollen ein Kind bekommen. Parallel entwickelt sich ein Nachbar in ihrer New Yorker Siedlung zum Problemfall. Ein erstaunlicher Film, der als nuancenreiche Komödie beginnt und nach einem dunklen Twist überzeugend die Tonlage ändert.--
I Am Michael (Panorama)
James Franco spielt einen Schwulen-Aktivisten, der zum Priester wird, der erst sich selbst und dann andere vom Schwulsein heilen möchte. Der Film erzählt, basierend auf einer wahren Geschichte, größtenteils in einem langen Rückblick, wie es zu dem Wandel kam. Einige enttäuschend banale Erklärungen und Figurenzeichnungen macht Regie-Debütant mit einem gemeinen Mini-Twist am Ende ein bisschen wett.--
Hier auch: „Body“ von Małgorzata Szumowska
Vom Dschungelcamp kennt man den Ausruf „Geschmacksexplosion!“ Er beschreibt das Erlebnis, wenn man nach zweiwöchiger Hungerkur mit ungesalzenem Reis, Bohnen und gelegentlichem Gekröse in einen schnöden Schokoriegel beißen darf. Nach dieser Methode verfährt Szumowska mit dem Zuschauer. Nach 85 Minuten strengster Diät, bei der man verstockten Menschen in hässlichen Klamotten mit trüben Blicken und scheußlichen Frisuren in trostlosen Ostblock-Landschaften beim Verrichten deprimierender Dinge beobachten muss (obszöner Weise auf Riesenleinwand mit Dolby-Monstersound), alles zudem maximal reiz-, farb- und klanglos gefilmt und nur gelegentlich durch leichte Anklänge absurden, teils auch recht plumpen Humors verdaulich gemacht, scheint für die letzten fünf Minuten plötzlich ein wenig Sonne auf die Gesichter und die eingespielte Musik tut ihr übriges, dass man in unerwartet milder Stimmung und nahezu ohne Gram und mit nur wenig Reue das Kino verlässt. Die Regisseurin selbst sagte, als sie nach der Premierenvorstellung auf die Bühne kam, sie fühle sich nach erneuter Sichtung des Films wie nach einer Therapiesitzung. Nun ja.Witek Dlugosz“Body“ von Małgorzata Szumowska
Du bist, was die Ästhetik angeht, die für mich so freudlos war, dass mir die Augen fast vertrockneten, wohl nachgiebiger. Aber Deine Beschreibung und Bewertung kann ich gleichwohl gut nachvollziehen. Das Thema und die Geschichte an sich, so spröde wie sie aufbereitet wurden, haben mich allerdings überhaupt nicht berührt oder interessiert.
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I like to move it, move it Ya like to (move it)La nuit et l’enfant (Forum)
Ein Mann und ein Kind flüchten durch eine nächtliche Gebirgs- und Steppenlandschaft. Vor wem und warum, bleibt offen – wie vieles in diesem mosaikartigen, assoziativen – und trotz seiner Kürze sehr zähen, vor sich hin irrlichternden Film.
Viaggio nella dopo-storia (Forum)
Halbdokumentarische Annäherung an einen der größten Film der 1950er Jahre: Vincent Dieutre möchte eine Hommage an Rossellinis Ehedrama „Viaggio in Italia“ drehen. Der Film zeigt sowohl seine Vorbereitungen als auch die (verblüffend schlecht gespielten) Szenen, in denen ein schwules Paar Rossellinis Film nacherlebt. Wer „Viaggio in Italia“ nicht kennt, wird mit Dieutres Film nichts anfangen können – und wer ihn doch kennt, sollte von dieser fahrig aufgebauschten erkenntnisarmen Neubearbeitung erst recht die Finger lassen.
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„Als wir träumten“ von Andreas Dresen
Komisch, ich habe noch niemandem auf dem Festival getroffen, der den Film geglückt fand. Auch für mich war der Film eine mittelgroße Enttäuschung, zumal mir Dresen eigentlich recht sympathisch ist. In der deutschen Presse liest man hingegen allerhand freundliches mit allenfalls zaghafter Kritik in Nebensätzen. Während Andreas Platthaus in der FAZ gar vom „Weltklassekino“ fabuliert, das „jedes Festival der Welt zieren“ würde, diagnostiziert das US-Blatt Variety, „…the unnecessary voiceover, frequent flashbacks and stereotyped female characters play like a film from at least 10 years ago. Sales outside German territories may be a battle.“
Und The Hollywood Reporter, der in seiner Kritik vieles aufgreift, das mich auch gestört hat, meint: „…looks slick and is well-acted by a small cast of fresh faces but never comes together as a narrative, feeling just as disjointed and directionless as the people it portrays. Beyond countries where the book is a known quantity, this will prove an extremely hard sell.“--
I like to move it, move it Ya like to (move it)„Als wir träumten“ und „Wir sind jung. Wir sind stark.“ sprechen 2015 unwillkürlich dieselbe Sprache: Die Mauer muss wieder hoch.
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A Kiss in the Dreamhouse„well-acted“ kann man den Film aber auch nur finden, wenn man kein Deutsch spricht und nicht mitbekommt, wie unfassbar hölzern die alle sprechen. Ein regelrecht beschossener Film. Habe mich auf dem Weg aus der Pressevorführung richtig in Rage geredet. Die Kollegin, bei der ich mich da auskotzte, hat mir allerdings trotzdem nicht zugestimmt.
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Witek Dlugosz“well-acted“ kann man den Film aber auch nur finden, wenn man kein Deutsch spricht und nicht mitbekommt, wie unfassbar hölzern die alle sprechen.
Clemens Meyers papierne Sprache eben, aus der konnte auch Kohlhaase nichts herausholen. File under: Scheiß der Hund drauf. Denn einen Anwärter auf den goldenen Bären werden darin wohl nur deutsche Zuschauer und Kritiker sehen. Dass Matthew Weiner oder Audrey Tatou mit solchen tristen Befindlichkeiten und der Küchenschürzen-Erotik etwas anfangen können, halte ich für unwahrscheinlich.
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A Kiss in the DreamhouseHoffen wir’s!
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In der Sektion Perspektive Deutsches Kino wird es dieses Jahr eng und bedrohlich. Ein Überblick.
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The Forbidden Room und Queen Of Earth sind gebucht. Jetzt versuche ich noch What Happened, Miss Simone? und/oder den libanesischen Film Al-Wadi.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Nach der kargen Kost der letzten Tage habe ich gestern einen cineastischen Wellness-Tag mit zwei exzellenten US-Produktionen eingelegt:
54: The Director’s Cut (Mark Christopher)
Die Produktionsfirma Miramax hatte im Jahr 1998 nach desaströsen Testvorführungen gravierende Schnitte erzwungen und den Dreh weiterer Szenen angeordnet, die die Story über den legendären New Yorker Nachtclub deutlich familientauglicher, heterosexueller, zugänglicher (und stumpfer) machen sollten (mehr dazu in Variety). Ich kenne die entschärfte Kinoversion von 1998 nicht, aber bei der integralen Fassung, für die in akribischer Postproduktion 25 Minuten entfernt und 36 Minuten hinzugefügt wurden, dürfte es sich im Ergebnis um einen völlig anderen Film handeln. Aus heutiger Perspektive ist der düstere, drogenschwangerere und vor allem schwulere Director’s Cut immer noch recht leichtherzige und wenig explizite Kost, bereitet mit seiner ambivalenten Charakterzeichnung, schlüssigen Figurenentwicklung, moralischen Unbeschwertheit und mitreißenden Atmosphäre aber ein sinnliches Vergnügen, das den Verstand am nächsten Morgen nicht mit Kater straft. Herziger und weichzeichnender als „Saturday Night Fever“ und etwas formelhafter als Whit Stillmans Meistwerk „The Last Days of Disco“ aus dem gleichen Jahr, aber nahezu ebenso goldig. Komisch nur, dass das Tanzen selbst in der Inszenierung eine so untergeordnete Rolle spielt.
Im Anschluss gingen Regisseur und Team im „Südblock“ feiern, ich blieb aber zum Glück sitzen für…Are You Here (Matthew Weiner)
…, der deutlich komödiantischer angelegt ist als Weiners „Mad Men“, sich andererseits auch nicht zu strikt an Genre-Konventionen hält. Owen Wilson als kiffender Wettermoderator ist zum Knuddeln, Laura Ramsey an seiner Seite allerdings noch mehr. Noch toller als der Film selbst war allerdings, dass sich kurz vor Vorstellungsbeginn Kiernan Shipka (Sally Draper) und ihre Mutter direkt neben mich setzten, da habe ich kurz mit der Ohnmacht gekämpft. Der Smalltalk mit der Mom über eine geeignete Mantelablage gab thematisch allerdings leider zu wenig her, um irgendwie elegant auf den Berlinale-Auftritt der Tochter in „One & Two“ überzuleiten, bevor der Vorhang sich öffnete.--
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