Kendrick Lamar

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  • #11229775  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    @sokrates

    Dass wir als weiße Deutsche Rap und Hip Hop aus Los Angeles nicht verstehen können, halte ich für eine besonders steile These. Zum Rest Deines Posts äußere ich mich gar nicht.

    Nicht nur meine 18-jährige Tochter, die seit ca. vier Jahren  ausschließlich Rap und Hip Hop aus allen möglichen Ländern und Kulturen hört, aber überwiegend aus den USA,  würde dir wahrscheinlich heftig widersprechen und vermutlich auch gut gegenargumentieren können.  Ich selbst höre auch wenig Hip Hop, würde aber als Gegenbeispiel wenigstens behaupten, dass ich kein  Jude sein muss , um Billy Joel oder Bob Dylan zu mögen und auch nicht aus Kingston stammen muss, um Bob Marley zu schätzen.

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    #11229833  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

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    doc-f@sokrates Dass wir als weiße Deutsche Rap und Hip Hop aus Los Angeles nicht verstehen können, halte ich für eine besonders steile These.

    Natürlich und unhaltbar. Dann könnte ich weder die Musik von Billie Eilish bis zur Protestsängerin Nina Simone nicht verstehen. Wenn einem die Musik liegt, kann man sich doch entsprechend mit Künstler, Umfeld und Einfluß ausienander setzen. Gerade das macht doch noch zusetlich viel Spaß. Hatte ja auch keine persönlichen Erfahrungen mit der Segregation im Memphis der 60er, aber die Musik von Stax hat mir die Zeit doch viel näher gebracht.

    Klar sind die Codes und besonderen Sprachstile von Rapmusik eine Herausforderung, aber man kann sich im I-Net inzwischen mit den Übersetzungen und Textanalysen schon auch weiter helfen. Lamars Musik ist aber auch ohne Text unversell verständlich.

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    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #11229949  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    sokrates Im zweiten Post hat Nail dann zur Substanz nachgebessert. Ich hatte mich auf seinen ersten bezogen. Wir kennen uns lange genug, dass er weiß, was ich meine. Was mir an dem Album missfällt, erhalte ich aufrecht. Ich meine das genau so. Ich glaube übrigens nicht, dass wir als Weiße in Heidelberg, Mannheim oder München schwarze Rap- oder HipHop-Kultur aus L.A. verstehen können. (Gestehe aber Lang Lang zu, Bach zu interpretieren :lol:) Insofern hat mich Nails Ratschlag, man müsse sich nur genug mit dem Album beschäftigen, und es komme die Erleuchtung, amüsiert: Auch hier die herrlich deutsche Mischung aus Anmaßung und Naivität. Ich bevorzuge Pragmatismus und eigene Anschauung.

    Ich finde es ziemlich unerhört, dass du meine Aufforderung dich mal mit den Themen des Albums zu beschäftigen, damit abtust, dass das gar nicht möglich sei. Das finde ich eine ziemlich faule, arrogante Haltung, die ich nicht durchgehen lassen kann. Du kannst nicht auf der einen Seiten „eigene Anschauung“ propagieren und diese wenige Zeile zuvor verweigern.

    Man muss ja wirklich nicht gleich „music as an universal language“ propagieren, um zu erkennen, dass Musik Grenzen überschreitet. Genauso könnte ich erklären, dass du als weißer Deutscher die Musik von Toto magst, einer Band, die ja nun definitiv genauso US-amerikanisch ist wie die von Kendrick Lamar. Wenn du mir dann erklären willst, dass lediglich die Hautfarbe den Unterschied macht, dann widerspreche ich dir heftig. Diese Art der Aufladung von Musik mit rassischen Kategorien erinnert ja schon an die „Negermusik“ unserer Großeltern. Ich hoffe nicht, dass du ein derart primitives Denken ernsthaft vertrittst.

    Aber selbst wenn du lediglich postulieren willst, dass die Lebensumstände eines schwarzen US-Amerikaners sich sehr von einem weißen Deutschen unterscheiden, kann man doch daraus nicht folgern, dass man als Deutscher überhaupt nicht verstehen kann, wovon der Amerikaner singt oder rappt. Das ist übrigens weder anmaßend noch naiv, sondern einfach die Basis jeder Auseinandersetzung. Wenn diese Basis fehlt, dann lohnt sich die inhaltliche Beschäftigung nicht.

    Ein Aspekt, der sich durch das gesamte Album zieht, sind die Unsicherheit von Kendrick Lamar, der Druck des Ruhms, der Versuch, diesen Ruhm richtig einzusetzen und die Frage, ob seine Fans wirklich loyal sein werden, wenn er sich vielleicht mal einen Fehler erlaubt. Weder du noch ich wissen wie es ist, berühmt zu sein. Wir wissen aber sicher etwas von Selbstzweifeln und Unsicherheit, weil das allgemeine menschliche Gefühle sind. Damit sind sie aber auch universell verständlich. Auf dieser Ebene sollte die Diskussion stattfinden, nicht auf der sehr abstrakten und sehr deutschen Diskussionsebene, ob ein weißer Deutscher einen schwarzen Amerikaner verstehen kann.

    bullschuetz Okay, verstehe. Das hatte ich evtl missverstanden.

    Von meiner Seite aus hattest du das nicht.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #11229967  | PERMALINK

    wenzel

    Registriert seit: 25.01.2008

    Beiträge: 5,950

    doc-f

    Ich selbst höre auch wenig Hip Hop, würde aber als Gegenbeispiel wenigstens behaupten, dass ich kein Jude sein muss , um Billy Joel oder Bob Dylan zu mögen…

    Das halte ich jetzt wiederum für einen sehr abstrusen Vergleich. Haben Dylan oder Billy Joel das jemals thematisiert?

     

    --

    #11230759  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    wenzel

    doc-f

    Ich selbst höre auch wenig Hip Hop, würde aber als Gegenbeispiel wenigstens behaupten, dass ich kein Jude sein muss , um Billy Joel oder Bob Dylan zu mögen…

    Das halte ich jetzt wiederum für einen sehr abstrusen Vergleich. Haben Dylan oder Billy Joel das jemals thematisiert?

    Sicherlich war das bewusst überspitzt formuliert von mir. Aber es ging primär darum, dass man laut @sokrates aufgrund einer bestimmten Herkunft eine bestimmte Sorte von Musik grundsätzlich nicht verstehen könne. Und das ist Quatsch und zwar in jeder Kunstrichtung gleichermassen.

    --

    #11231323  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,107

    doc-f

    wenzel

    doc-f

    Ich selbst höre auch wenig Hip Hop, würde aber als Gegenbeispiel wenigstens behaupten, dass ich kein Jude sein muss , um Billy Joel oder Bob Dylan zu mögen…

    Das halte ich jetzt wiederum für einen sehr abstrusen Vergleich. Haben Dylan oder Billy Joel das jemals thematisiert?

    Sicherlich war das bewusst überspitzt formuliert von mir. Aber es ging primär darum, dass man laut @sokrates aufgrund einer bestimmten Herkunft eine bestimmte Sorte von Musik grundsätzlich nicht verstehen könne. Und das ist Quatsch und zwar in jeder Kunstrichtung gleichermassen.

    @doc-f: Siehst Du, ich dachte mir doch, dass da was durcheinander geht ;-)

    Ich bin selbst Anhänger der These, dass die Kunst (hier: die Musik) für sich selbst sprechen muss. Und dass man sie daher auch ohne Vorkenntnisse gut finden (oder auch nicht, wie ich im Fall Kendrick Lamar.)

    Das aber wurde ja gerade für falsch gehalten: Man müsse sich damit beschäftigen, hieß es, damit man verstehe.

    Es wurde mir oben entgegengehalten, wie tief und komplex in Sachen schwarzer Kultur KLs Musik sei – also das komplette Narrativ aufgefahren, das man nicht hört, sondern das nur im Hintergrund ist und herhalten muss, um die wahre Größe und Bedeutung der Musik zu begründen. Und dieses Narrativ könönen wir nicht verstehen, da uns der kulturgeschichtliche und hautfarbenklassenspezifische Erfahrung fehlt.

    Das meinte ich, und hoffe, ich konnte es nun verständlicher machen.

    @nail75: In dem Zusammenhang: Ich finde es krass und unglücklich polarisierend, gleich mit der Negermusik-Keule zu kommen, nur weil ich auf die gewaltigen kulturellen Unterschiede hinweise. Die sind doch Realität. Das habe ich nicht gemeint oder auch nur gedacht – um es wirklich ganz deutlich zu sagen.

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #11231373  | PERMALINK

    bullschuetz

    Registriert seit: 16.12.2008

    Beiträge: 2,216

    Sokrates Ich bin selbst Anhänger der These, dass die Kunst (hier: die Musik) für sich selbst sprechen muss. Und dass man sie daher auch ohne Vorkenntnisse gut finden kann (oder auch nicht, wie ich im Fall Kendrick Lamar.)

    Da widerspreche ich Dir gar nicht grundsätzlich! Ich finde es bei der Aneignung von Kunst (Malerei, Musik, Literatur, was auch immer) grundsätzlich einen ganz guten Ansatz, zunächst einfach mal gründlich zu hören, zu sehen, zu lesen und dann nochmal aufmerksam hinzuhören, hinzusehen, nachzulesen, was es da eben so alles wahrzunehmen gibt und wie es auf mich wirkt.

    Widersprechen würde ich erst, wenn jemand das als den einzig sinnvollen, einzig freien, einzig richtigen Ansatz betrachten würde, bei dem man unbedingt immer stehen bleiben sollte. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Du das tust. Manchmal habe ich den Eindruck, Du neigst diesem Kurzschluss zu, wenn Du mal wieder in allen, die es anders machen, nur fremdgesteuerte Lemminge zu sehen scheinst, die eben nicht in der Lage seien, selber zu sehen, zu hören, zu denken. Aber vielleicht tue ich Dir da auch überinterpretierend Unrecht. Falls ja – ich bitte um Entschuldigung.

    Das aber wurde ja gerade für falsch gehalten: Man müsse sich damit beschäftigen, hieß es, damit man verstehe.

    Was mich betrifft: Muss man nicht. Ich habe aber oft die Erfahrung gemacht, dass es tiefe emotionale Erlebnisse bringt, sich intensiver damit zu beschäftigen. Es ist ein bisschen wie mit der Liebe. Wenn jemand sagt, er verknalle sich halt in jemanden, und das sei halt, wie es sei – okay! Aber mit der Zeit lernt man diesen Menschen womöglich besser kennen und tiefer verstehen, indem man miteinander redet, mehr übereinander erfährt – und dann wird manchmal aus Verliebtheit Liebe. Sich mit etwas oder jemandem intensiv zu beschäftigen, führt eben oft zu vertieftem Verständnis. Wissen, Denken, Fühlen: Das steht ja alles nicht gegeneinander, sondern ergänzt und erweitert einander.

    Und bei Kunst hilft es meiner Erfahrung nach, wenn man über sein eigenes Wahrnehmen mit anderen kommuniziert – indem man zum Beispiel mit ihnen redet oder ihre Artikel oder Bücher liest.

    Und da jedes Kunstwerk grundsätzlich immer in einem kulturellen Kontext steht, auf den es irgendwie reagiert (indem es sich daran anlehnt, davon abgrenzt, Bewährtes übernimmt oder nach Neuem sucht), schult es zumindest mein Begreifen-, Verstehen-, Fühlen-Können, wenn ich über diese Hallräume Bescheid weiß, wenn ich die feinen Echos und Schwingungen wahrnehmen kann, die das Kunstwerk aussendet, wenn ich die Anspielungen auf Traditionen bemerke, die das Kunstwerk macht.

    Es wurde mir oben entgegengehalten, wie tief und komplex in Sachen schwarzer Kultur KLs Musik sei – also das komplette Narrativ aufgefahren, das man nicht hört, sondern das nur im Hintergrund ist und herhalten muss, um die wahre Größe und Bedeutung der Musik zu begründen.

    Da liegst Du, glaube ich, falsch. Man kann das hören. Ich kann es zumindest. Und ich vermute fast, Du kannst das auch.

    Die Jazztönungen sind in vielen Stücken doch für jeden wahrnehmbar, der mal, sagen wir, Coltrane gehört hat. Im letzten Stück, vor dem Dialog mit 2Pac, ist doch der smoothe Marvin-Gaye-Groove fast gar nicht zu überhören. In King Kunta hört man James Brown – und indem Lamar textlich auf Kunta Kinte anspielt und dessen Selbstbehauptungswillen und die Verletzungen, die ihm angetan wurden, in einen neuen Kontext einordnet, dann macht er doch seine Suche nach Traditionen, Vorbildern, Role Models hörbar.

    Bei der Gelegenheit: Ich hoffe, wir können uns zumindest so einigermaßen darauf einigen, dass bei Kunstwerken, in denen Menschen singend oder sprechend Texte von sich geben, diese Texte ein integraler Teil der Kunst sind und nicht irgendwas Ignorierenswertes, nicht wirklich Dazugehörendes. Wir beschränken uns bei Picasso ja auch nicht auf die Formen, während wir die Farben ignorieren, und bei Filmen sagen wir  auch nicht, es komme bloß auf die Bilder an, die Dialoge seien unerheblich. In diesem Sinne: Die Texte sind natürlich ein wichtiger Teil von Lamars Kunst.

    Musikalische wie historische Role Models und Bezugsgrößen durchziehen also sehr deutlich hörbar die gesamte Platte, vom Sklavenaufstand-Anführer Nat Turner bis zu 2Pac, von Jazz über Soul bis zu Rap-Vorgängern. Das alles ist nichts, was man in Form eines Narrativs dazudichten müsste, das alles ist schlichtweg sinnlich wahrnehmbar DA, in der Musik wie in den Texten. Und wenn man sein Ohr schult, um derlei noch etwas deutlicher wahrnehmen zu können, wird eben alles viel interessanter, tiefer, vielschichtiger, faszinierender, bewegender, ergreifender.

    Und dieses Narrativ können wir nicht verstehen, da uns der kulturgeschichtliche und hautfarbenklassenspezifische Erfahrung fehlt.

    Das glaube ich nun überhaupt nicht. Wenn es so wäre, müsste jede Kultur in ihrem Saft schmoren, unerreichbar abgeschottet gegen jede andere. Das ist doch das Tolle an uns Menschen, dass wir Fremde kennenlernen können! Und es ist das Tolle an Kunst, dass sie uns auf ganz erregende, fesselnde Weise dabei hilft!

    Das meinte ich, und hoffe, ich konnte es nun verständlicher machen.

    Danke, dass Du versucht hast, Dich verständlich zu machen. Ich schätze den Austausch mit Dir – auch oder gerade, weil ich viele Deiner Standpunkte nicht teile.

    die gewaltigen kulturellen Unterschiede […] sind doch Realität.

    Ja, das stimmt. Aber ein kultureller Abgrund klafft auch zwischen mir und Walter von der Vogelweide – vollkommen andere Zeit, vollkommen andere Alltagsumstände, vollkommen andere Erfahrungen, Denkweisen, Traditionen. Und doch kann ich mich seinen Gedichten zunächst mal unbefangen annähern, indem ich sie einfach lese; und kann sie mit der Zeit besser verstehen und tiefer schätzen lernen, wenn ich mich mit den Hintergründen seiner Gedankenwelt und seiner Schreibrealität befasst habe. Und so ähnlich ist es mit Ralf Ellison oder Grimmelshausen, Mozart oder Fela Kuti, Chagall oder Hieronymus Bosch.

    Ich glaube auch in vielen Kunstwerken so eine Art universellen humanen Kern feststellen zu können, der über alle Unterschiede hinweg zu mir spricht – bei Kendrick Lamar jedenfalls ganz unbedingt! Und wenn ich dann noch mehr erfahre über die Kultur – in dem Fall die black culture – und die Lebensumstände, in denen dieses Werk entstanden ist, dann rückt mir eben auch das Spezifische, vielleicht nicht ganz so unmittelbar universell Verständliche dieser Kunst mit der Zeit näher.

    --

    #11231375  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 26,163

    sokrates

    doc-f

    wenzel

    doc-f

    Ich selbst höre auch wenig Hip Hop, würde aber als Gegenbeispiel wenigstens behaupten, dass ich kein Jude sein muss , um Billy Joel oder Bob Dylan zu mögen…

    Das halte ich jetzt wiederum für einen sehr abstrusen Vergleich. Haben Dylan oder Billy Joel das jemals thematisiert?

    Sicherlich war das bewusst überspitzt formuliert von mir. Aber es ging primär darum, dass man laut @sokrates aufgrund einer bestimmten Herkunft eine bestimmte Sorte von Musik grundsätzlich nicht verstehen könne. Und das ist Quatsch und zwar in jeder Kunstrichtung gleichermassen.

    @doc-f: Siehst Du, ich dachte mir doch, dass da was durcheinander geht Ich bin selbst Anhänger der These, dass die Kunst (hier: die Musik) für sich selbst sprechen muss. Und dass man sie daher auch ohne Vorkenntnisse gut finden (oder auch nicht, wie ich im Fall Kendrick Lamar.) Das aber wurde ja gerade für falsch gehalten: Man müsse sich damit beschäftigen, hieß es, damit man verstehe. Es wurde mir oben entgegengehalten, wie tief und komplex in Sachen schwarzer Kultur KLs Musik sei – also das komplette Narrativ aufgefahren, das man nicht hört, sondern das nur im Hintergrund ist und herhalten muss, um die wahre Größe und Bedeutung der Musik zu begründen. Und dieses Narrativ könönen wir nicht verstehen, da uns der kulturgeschichtliche und hautfarbenklassenspezifische Erfahrung fehlt. Das meinte ich, und hoffe, ich konnte es nun verständlicher machen. @nail75: In dem Zusammenhang: Ich finde es krass und unglücklich polarisierend, gleich mit der Negermusik-Keule zu kommen, nur weil ich auf die gewaltigen kulturellen Unterschiede hinweise. Die sind doch Realität. Das habe ich nicht gemeint oder auch nur gedacht – um es wirklich ganz deutlich zu sagen.

    Da hast du aber die z.B. von mir vorgeschlagene Vorgehensweise gründlich mißverstanden. Man kann sich mit „to pimp…“ am Anfang auch ohne Textanalyse nähern, eben wie ich beschrieben habe: erstmal die nicht wenigen eingängigen Songs verinnerlichen und dann das ganze Album anhören. Die Textanalyse kommt bei mir erst später.

    Es ist also überhaupt nicht notwendig nach LA zu fliegen um dort in Eigenrecherche die Musikszene kennen zu lernen. Das mach ich bei ähnlich aufwendigen Alben doch auch nicht.

    Und dein Einwand, daß wir ja im übertagenen Sinne vom Feuilleton getrieben wären, ist eher eine Beleidigung meines seit Jahren gewachsenen Musikverständnis. Ich brauche nicht die Presse um Musik zu verstehen, aber sie hilft mir bei einer Vorauswahl und macht mich neugierig. Insofern komt dem Feuilleton da eine wichtige Aufgabe zu.

    Dir gefällt ja „Fetch the bolt cutters“ so gut. Mit dem Album mag der eine oder andere auch Schwierigkeiten haben, aber deshalb muß man Apple weder musikalische Ideenlosigkeit, noch fehlende Melodien vorwerfen

    P.S. nur mal so als Hinweis. die Melodien spielen sich bei Lamar nicht zwingend im Vordergrund durch Gesang oder Leadinstrument ab, sondern mehr im Hintergrund, also begleitend.

    --

    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #11232005  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

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    sokrates
    Ich bin selbst Anhänger der These, dass die Kunst (hier: die Musik) für sich selbst sprechen muss. Und dass man sie daher auch ohne Vorkenntnisse gut finden (oder auch nicht, wie ich im Fall Kendrick Lamar.) Das aber wurde ja gerade für falsch gehalten: Man müsse sich damit beschäftigen, hieß es, damit man verstehe. Es wurde mir oben entgegengehalten, wie tief und komplex in Sachen schwarzer Kultur KLs Musik sei – also das komplette Narrativ aufgefahren, das man nicht hört, sondern das nur im Hintergrund ist und herhalten muss, um die wahre Größe und Bedeutung der Musik zu begründen. Und dieses Narrativ könönen wir nicht verstehen, da uns der kulturgeschichtliche und hautfarbenklassenspezifische Erfahrung fehlt. Das meinte ich, und hoffe, ich konnte es nun verständlicher machen. @nail75: In dem Zusammenhang: Ich finde es krass und unglücklich polarisierend, gleich mit der Negermusik-Keule zu kommen, nur weil ich auf die gewaltigen kulturellen Unterschiede hinweise. Die sind doch Realität. Das habe ich nicht gemeint oder auch nur gedacht – um es wirklich ganz deutlich zu sagen.

    Hier liegt ein ganz großes, fundamentales Missverständnis deinerseits vor. Wie ich oben beschrieben habe, fand ich die Musik auf Anhieb toll, aber die nähere Beschäftigung machte dieses Meisterwerk noch großartiger, weil ich erkannte, wie viele tiefgehende Gedanken Kendrick Lamar sich über ganz viele Themen gemacht hat. Wenn ich mich nie mit den Themen genauer beschäftigt hätte, fände ich das Album aber immer noch großartig. Wie Bullschuetz schrieb folgte aus dem emotionalen Zugang der Wunsch nach näherer Beschäftigung. Ja, das Album ist tief und komplex, aber ich garantiere, dass 99% der deutschen Käufer da höchstens halb eingestiegen sind und hauptsächlich die Musik geil finden.

    Ich weigere mich aber nach wie vor eine „kulturgeschichtliche“ oder „hautfarbenklassenspezifische Erfahrung“ zu verabsolutieren. Wenn uns die moderne Kulturgeschichte eines lehrt, dann ist das die Relativität der Wahrnehmungen, der Wandel der Urteile im Lauf der Zeit und die Unterschiedlichkeit der Perspektiven, die aber keineswegs immer nur ausschließt, sondern auch einbezieht. Ansonsten könnte es ja gar keine grenzüberschreitende Musik geben, dann dürften Araber nur „arabische Musik“ hören (was immer das ist) und Deutsche nur deutschsprachige.

    Ja, die gewaltigen kulturellen Unterschiede sind Realität, aber sie können genauso integrierend wie abstoßend wirken. Dass du das nicht siehst, ist ein grundlegender Denkfehler. Wie Bullschuetz geschrieben hat, eignet sich diese Musik doch dazu, etwas von einer uns nicht so im Detail bekannten Welt oder Realität zu vermitteln.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #11232265  | PERMALINK

    krautathaus

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    @nail75: ja, so hätte ich das auch schreiben können. Mir ist eben diese Ausrede der Gesamtkomplexität (in Bezug auf Text und Musik) zu billig, um Gefallen an etwas aufwendigeren Alben finden zu können. Den kulturellen Background von Björk auf Island bis Serge Gainsbourg in Frankreich muß ich nicht verinnerlicht haben, um deren Musik zu mögen.

    Vielleicht setzt sich der eine oder andere auch zu sehr unter Druck, eine aktuelle Albenveröffentlichung sofort bewerten zu müssen und zu verstehen. Bei mir und „To pimp…“ hat es tatsächlich ein Jahr gedauert, weil mir das Album etwas zu viel war. Diesen Druck des „sofort bewerten müssen“ haben doch nur Musikjournalisten und die suchen sich die Werke aus.

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    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #11271269  | PERMALINK

    ianage
    Ianage

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    good kid, m.A.A.d. city *****
    To pimp a butterfly *****
    Untitled unmastered. ****1/2
    DAMN. *****

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    #11271291  | PERMALINK

    jesseblue
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    doc-f
    Nicht nur meine 18-jährige Tochter, die seit ca. vier Jahren ausschließlich Rap und Hip Hop aus allen möglichen Ländern und Kulturen hört, aber überwiegend aus den USA, würde dir wahrscheinlich heftig widersprechen und vermutlich auch gut gegenargumentieren können.

    Wir wissen doch alle, dass die Jugend nur aus einem Grund Rap hört: Es ist die Musik, nach der die Bequemen nicht suchen müssen, da sie an jeder Ecke einen anspringt. ;)

    (Achtung, Beitrag kann Spuren von Provokation enthalten)

    --

    #11271347  | PERMALINK

    Anonym
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    Hat jemand ein Gähn-Smiley für mich?   :-)

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    #11271401  | PERMALINK

    krautathaus

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    grievousangelHat jemand ein Gähn-Smiley für mich?

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    #11271403  | PERMALINK

    krautathaus

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    jesseblue

    doc-f Nicht nur meine 18-jährige Tochter, die seit ca. vier Jahren ausschließlich Rap und Hip Hop aus allen möglichen Ländern und Kulturen hört, aber überwiegend aus den USA, würde dir wahrscheinlich heftig widersprechen und vermutlich auch gut gegenargumentieren können.

    Wir wissen doch alle, dass die Jugend nur aus einem Grund Rap hört: Es ist die Musik, nach der die Bequemen nicht suchen müssen, da sie an jeder Ecke einen anspringt. ;) (Achtung, Beitrag kann Spuren von Provokation enthalten)

    Wolltest du nicht ein paar Coronadeppen blosstellen…husch husch…

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