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jackie mclean hat von 1931 bis 2006 gelebt, war davon 16 jahre lang heroin-abhängig. hat von 1948 bis 1999 plattenaufnahmen veröffentlicht, war davon 10 jahre lang nicht im besitz einer cabaret card, die ihm auftrittsmöglichkeiten in new yorker clubs erlaubt hätte. einer der wenigen jazzmusiker, die sich – ohne eigentlichen bruch – vom bebop zum freejazz entwickelt haben. die zeit ihres lebens weder von mitmusikern, noch von kritikern, noch von fans infrage gestellt wurden. und der sicherlich produzent eines der heraushörbarsten und originellsten instrumenten-tons der jazzgeschichte war.
mclean wuchs in einer der musikalisch fruchtbarsten perioden der amerikanischen musikgeschichte im sugar hill district in harlem auf und wurde schon als teenager für sein spiel respektiert und von den stars der szene gefördert. hatte freunde und schulkameraden wie sonny rollins, art taylor, walter bishop und kenny drew, lernte by doing mit 15 bei bud powell harmonien und improvisieren, bei charlie parker (und durch die weigerung seiner mutter, ihm ein tenorsaxophon zu kaufen) die besonderen schönheiten des altsaxophonspiels kennen, durch das gleiche vorbild auch den gebrauch der harten droge (obwohl ihn parker auf bessere vorbilder wie horace silver hinwies, deren professionalität auch den gesunden lebensstil einschloss), wurde von sonny rollins und miles davis auf ersten plattenaufnahmen vorgestellt (DIG und MILES DAVIS, VOL. 1), leitete 1955 seine erste leader-session für prestige (THE NEW TRADITION, mit mal waldron, doug watkins, roland tucker und – auf zwei stücken – donald byrd), war dann kurz teil eines frühen mingus-workshops (mit waldron und j.r. monterose zusammen), in dem PITHECANTHROPUS ERECTUS entstand, das ein frühes feature für mclean beinhaltete (PROFILE OF JACKIE).
von mingus lernte er, das nachahmen der übergroßen vorbilder zugunsten eines individuationsprozesses aufzugeben, von art blakey, dessen JAZZ MESSENGERS er kurze zeit später beitrat (im tenorsaxlosen quintett mit bill hardman und sam dockery, ohne eigentlichen ‚musical director‘), wie man ein bandleader wird (das entdecken, fördern und integrieren junger musiker war zeitlebens eine von mcleans hervorstechendsten qualitäten).
worüber man aber unbedingt reden muss, wenn man jackie mclean zum thema macht: seinen ton und seine phrasierung. bekannt ist die umschreibung, dass mclean sein altsaxophon wie ein tenor spiele – also ungewöhnlich dynamisch, voluminös, autoritär. auch von der ‚unsauberkeit‘ ist oft die rede, den ton nicht zu treffen, sondern in mikrointervallen knapp und bewusst zu verfehlen, anzusteuern, anzureichern mit der schärfe und dem dreck eines emotionalisierten ausdrucks. das selbstbewusstsein seines spiels liegt sicherlich in der frühen wertschätzung der wichtigsten jazzmusiker um ihn herum begründet, trotzdem ist es außergewöhnlich, dass mcleans ton niemals unsicher ist, niemals verloren, niemals selbstzweiflerisch, sondern bestenfalls – ganz selten – an den selbstauferlegten risiken und herausforderungen scheitern konnte. die liner notes haben sich immer bemüht, diesem ton eine emotionalität anzuhängen, das scharfe, schrille, manchmal kaum erträgliche, niemals hintergrund abgebende, immer drängende spiel als „flehend“, „wütend“, „ätzend“, „traurig“ oder „aufgewühlt“ bezeichnet. am schönsten ira gitler in seinem text zu A FICKLE SONANCE: „emotion ist something jackie has never had trouble communicating. (…) his horn can cut a hole in your heart and let the night pour through.” mclean selbst brachte es auf den punkt: “i’m a sugar-free saxophonist”.
über seine phrasierung liest man viel unsinn. irgendwo bei wikipedia wird sie von der seines vorbilds charlie parker abgehoben als nicht so rhyhtmisch komplex, sondern „eher genau auf den punkt“. das gegenteil ist meiner ansicht nach der fall. das ist ein ständiger wechsel zwischen vor- und hinter-dem-beat-spielen, zwischen rasenden einzelnotenketten und lang angehaltenen tönen – vor allem aber beherrscht mclean eines: die pause, meist dramatisch begleitet durch sein geräuschvolles lufteinziehen (immer hört man diese durch das instrument halb-verdeckten schreie und stöhngeräusche, die der musik etwas existenzielles, menschliches geben). da werden läufe angedeutet und wieder abgebrochen. da verschiebt sich der rhythmus durch das ab-und-wieder-an-setzen, wie reflexionspausen oder neue energieschübe. auch wann und wie mclean vibrato einsetzt ist originell: oft im letzten moment eines quälend direkt angehaltenen tons, ein spiel mit härte und weichheit, in dem das schöne oft mit dem unerträglichen engtanzt.
sicherlich hat sich da zwischen 1948 und 2006 einiges verändert. manchmal weiß ich aber auch gar nicht, ob man nicht bei den prestige-sessions (in denen die dramatik des mclean-tons nicht so auffällt) einfach das saxophon etwas heruntergepegelt und bei blue-note dafür in seiner vollen schärfe übermittelt hat – ob es also nicht gerade eine große konsistenz im spiel von mclean war, die ihn auszeichnete. angeblich ist aber sogar in den 1990ern noch etwas in seiner spielweise passiert, in richtung höherer abstraktion, noch weiter weg vom bebop seiner ‚formative years‘. ich kann das noch nicht nachprüfen, da meine motivation für diesen thread vor allem darin lag, mich mit der spät-, also post-blue-note-phase von jackie mclean auseinanderzusetzen, aus der ich bisher nur die grandiose duoplatte ANTIQUITY kenne.hier also ein vorbereitender durchmarsch durch die diskographie von mclean, sehr subjektiv in einzelne ‚phasen‘ geordnet, offen für anmerkungen jeglicher art und vor allem ausbaufähig (so ist es ja der gute brauch hier).
I. anfänge
charlie singleton: CAMEL WALKIN‘ (1948)
miles davis: DIG (1951)
miles davis: MILES DAVIS, VOL. 1 (1952)auf der singleton-aufnahme, die ein r&b-date war und die ich nicht kenne, spielt jackie baritone und kein solo. auf DIG von miles war er 19 und spielt hier neben einem desorientierten und quietschenden sonny rollins ziemlich auf, obwohl er sein instrument erst vier jahre lang bedient. in OUT OF THE BLUE wagt er ein paar halsbrecherische rhythmische experimente, insgesamt hat er nicht den hauch eines problems, bei hohem tempo große souveränität auszustrahlen. auch blakey und mingus waren bei der session dabei – danach brauchte er sich nichts mehr beweisen. auf MILES DAVIS VOL. 1 (blue note) ist mcleans beitrag zwar heraushörbar, allerdings (bei teilweise gleichem material wie auf DIG) vergleichbar blass und damit an das gesamtniveau dieser etwas drögen platte angepasst.
II. die prestige-zeit
THE NEW TRADITION (1955)
LIGHTS OUT! (1956)
4, 5 AND 6 (1956)
JACKIE’S PAL (1956)
McLEAN’S SCENE (1956)
JACKIE McLEAN & CO.
MAKIN’ THE CHANGES (1957)
A LONG DRINK OF THE BLUES (1957)
STRANGE BLUES (1957)
jackie mclean / john Jenkins: ALTO MADNESS (1957)
JACKIE McLEAN PLAYS FAT JAZZ (1957)außerdem (auswahl): GEORGE WALLINGTON QUINTET AT THE BOHEMIA (1955), charles mingus: PITHECANTHROPUS ERECTUS (1956), gene ammons: THE HAPPY BLUES (1956), FUNKY (1957), JAMMIN’ IN HIFI WITH GENE AMMONS (1957), the jazz messengers: HARD BOP (1956), RITUAL (1957), TOUGH! (1957), THEORY OF ART (1957), art taylor: TAYLOR’S WAILERS (1957), kenny burrell / jimmy raney: 2 GUITARS (1957), ray draper: TUBA SOUNDS (1957), mal Waldron: MAL-2 (1957).
während sich jackie bei mingus und blakey als ideenreicher und kraftvoller hardbopper etabliert, mit seinen autohupen-sounds auf A FOGGY DAY und seinem solofeature PROFILE OF JACKIE wesentliche beiträge zu mingus‘ erstem meisterwerk PITHECANTHROPUS ERECTUS beisteuert, seinen job bei anderen prestige-künstlern (vor allem gene ammons) erfüllt und den tubaisten ray draper fördert, sind seine eigenen zahlreichen aufnahmesessions eher durchwachsen. ich kenne davon 4, 5 AND 6, JACKIE’S PAL, MAKIN‘ THE CHANGES, STRANGE BLUES, McLEAN’S SCENE und ALTO MADNESS und finde davon eigentlich nur JACKIE’S PAL mit bill hardman und einem ziemlich auftrumpfenden mal waldron etwas inspiriert. mclean hat selbst bedauert, dass man damals dutzendware eingespielt habe, ohne vorbereitungszeit und ohne die ambition ausgefeilterer arrangements. bei einer session am 15. februar 1957 entsteht ein großteil des materials für ganze vier alben. seine partner (meist donald byrd, mal waldron oder elmo hope, doug watkins oder paul chambers, art taylor oder philly ‚joe‘ jones) sind zwar alles gute musiker, aber man hat sie woanders schon besser gehört.
vielleicht hört das hier aber auch jemand anders – für diese art klassischen hardbop bin ich ziemlich taub.
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WerbungSehr schön, danke! Werde mich hier gerne auch hie und da zu Wort melden… ein wenig McLean hören ist schon länger wieder fällig, die Prestige-Alben kenn ich zum grösseren Teil noch kaum!
Kleine Frage: woher kommt die Idee, dass „Dig“ ein Rollins-Album ist? Ist bei Allmusic so, aber ich versteh das nicht… (keine Kritik an Deinem Text, nur eine kleine Nachfrage, ob ich da Veröffentlichungsgeschichtlich irgendwas verpasst habe).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbavorgartenworüber man aber unbedingt reden muss, wenn man jackie mclean zum thema macht: seinen ton und seine phrasierung. bekannt ist die umschreibung, dass mclean sein altsaxophon wie ein tenor spiele – also ungewöhnlich dynamisch, voluminös, autoritär. auch von der ‚unsauberkeit‘ ist oft die rede, den ton nicht zu treffen, sondern in mikrointervallen knapp und bewusst zu verfehlen, anzusteuern, anzureichern mit der schärfe und dem dreck eines emotionalisierten ausdrucks. das selbstbewusstsein seines spiels liegt sicherlich in der frühen wertschätzung der wichtigsten jazzmusiker um ihn herum begründet, trotzdem ist es außergewöhnlich, dass mcleans ton niemals unsicher ist, niemals verloren, niemals selbstzweiflerisch, sondern bestenfalls – ganz selten – an den selbstauferlegten risiken und herausforderungen scheitern konnte. die liner notes haben sich immer bemüht, diesem ton eine emotionalität anzuhängen, das scharfe, schrille, manchmal kaum erträgliche, niemals hintergrund abgebende, immer drängende spiel als „flehend“, „wütend“, „ätzend“, „traurig“ oder „aufgewühlt“ bezeichnet. am schönsten ira gitler in seinem text zu A FICKLE SONANCE: „emotion ist something jackie has never had trouble communicating. (…) his horn can cut a hole in your heart and let the night pour through.” mclean selbst brachte es auf den punkt: “i’m a sugar-free saxophonist”.
Nun ja, 16 Jahre lang war er wohl nicht sugar-free…
Sehr schöne Beschreibung!
miles davis: DIG (1951)
auf DIG von miles war er 19 und spielt hier neben einem desorientierten und quietschenden sonny rollins ziemlich auf, obwohl er sein instrument erst vier jahre lang bedient. in OUT OF THE BLUE wagt er ein paar halsbrecherische rhythmische experimente, insgesamt hat er nicht den hauch eines problems, bei hohem tempo große souveränität auszustrahlen. auch blakey und mingus waren bei der session dabei – danach brauchte er sich nichts mehr beweisen.
Hm, Rollins hat ja in der Tat mindestens in einem Stück Probleme mit seinem Blatt, aber ich höre ihn dann doch als den deutlich souveräneren Musiker in dieser Aufnahme. Ich hab mich ja im Rollins-Thread zu „Dig schon geäussert, ich hol das mal hier rüber (und werde das Album übers Wochenende nochmal hören):
gypsy tail wind
Miles Davis Sextet: Miles Davis (tp) Jackie McLean (as) Sonny Rollins (ts) Walter Bishop, Jr. (p) Tommy Potter (b) Art Blakey (d)
New York, October 5, 1951228 Conception
Prest 868, EP1349, LP124, LP7013, LP7457, PR24022, NJ 8296, PatheMarconi FELP10.011, Giants of Jazz
LPJT24
229 Out of the Blue
Prest 876, EP1361, LP140, LP7012, LP7281, Vic (Jap)MJ7084
230 Denial
Prest EP1361, LP7012, LP7281
231 Bluing
Prest 846, 868, EP1355, LP140, LP7012, LP7281
232 Dig
Prest 777, 45-321, EP1339, LP124, LP7012, LP7281, LP7298, Vic (Jap)MJ7084, SMJ7575
233 My Old Flame (JML out)
Prest 766, EP1339, LP124, LP7013, LP7281, 24022, NJ 8296, Met B628, PatheMarconi FELP10.011
234 It’s Only a Paper Moon (JML out)
Prest 817, 45-321, EP1349, LP124, LP7012, Vic (Jap)SMJ7575, Giants of Jazz LPJT24Prestige LP7012: „Dig“
Prestige LP7013: „Conception“
Prestige LP7457 „Greatest Hits“
Prestige LP7298 „Prestige Groovy Goodies“
Prestige PR7744 „Conception“
Prestige 2LP P24054: „Dig“
Prestige LP7012 = OJC 005: „Dig“„Bluing“ pt. 1 & 2 auf 846 und pt. 3 auf 868
„Out of the Blue“, „My Old Flame“, „Dig“ und „It’s Only a Paper Moon“ als pt. 1 & 2 auf diversen 78 rpm ReleasesAlle Stücke auch auf:
Prest LP7744, P.012, PR24022
Prestige 8PCD-012-2 [CD]
Prestige 7PCD-4407-2 [CD]Bei dieser Session kann man vielleicht wirklich von der ersten Hard Bop Session überhaupt reden – jedenfalls erinnere ich mich vage, dass drüber auf Organissimo mal eine Diskussion in diese Richtung lief (ich glaube, es war Larry Kart, der etwas in diese Richtung schrieb – habe keine Glück mit Google, vielleicht kann redbeans helfen?).
Die Band ist jedenfalls erstklassig, mit Jackie McLean und Sonny Rollins hat Miles zwei aufregende Solisten an seiner Seite, Blakey und Potter sind ein eingespieltes Team in der Rhythmusgruppe und Walter Bishop bringt am Piano einen lyrischen Touch. Shearings „Conception“ wechselt zwischen Vamps/Pedal Points und swingendem 4/4 hin und her. Miles soliert als erster, scheint nicht ganz fokussiert. Rollins folgt mit einem überzeugenden Statement. Dann soliert Bishop kurz, bevor das Thema wiederholt wird.
„Out of the Blue“ wird relaxter angegangen als im Birdland, Miles soliert erneut als erster, gefolgt von Rollins, der einmal mehr mit Aurität spielt und bei weitem das überzeugtendste Solo bläst. McLean folgt, sein Ton noch viel naher bei Parker als später, seine Intonation noch viel konventioneller (also weniger daneben). Es dauert ein paar Takte, bis er richtig in Fahrt kommt, und dann ist sein Solo auch schon vorüber und Miles setzt wieder ein, dieses mal konzentriert. Gegen Ende ist der Groove gelassen und fett, rhythmisch entspannter als im Bebop.
„Denial“ ist dann eine schnelle Nummer, in der Miles das rudimentäre Thema gleich in ein paar Solo-Chorusse bettet, die dann und wann mit einfachen Saxophon-Linien unterlegt werden. Miles ist mittlerweile wach, sein Spiel ist lyrisch und höchst konzentriert, er spielt lange, schnelle Linien, hie und da wagt er sich sogar mal ins höhere Register vor. Rollins folgt mit einem kurzen Solo, dann übernimmt McLean und jetzt passt auch bei ihm alles. Dann folgen Fours von Miles und Blakey.
Auch in „Bluing“, einem mittelschnellen Blues, hören wir wieder diesen relaxten Groove. Potter walkt mit fettem Sound, Blakey swingt locker, während Bishop ein sehr stimmungsvolles Solo spielt. Nach fast einer Minute setzt Miles ein und bläst ein reduziertes Solo. Nach ein paar Durchgängen beginnen McLean und Rollins hinter ihm zu riffen. Sonny Rollins folgt mit einem grossartigen Solo, das die Atmosphäre des Stücks völlig in sich aufsaugt. Auch McLean soliert hier sehr schön, relaxt, seinen Ton rauht er manchmal etwas auf, lässt viel Raum, setzt Pausen effektiv ein bei der Gestaltung seines Solos. Dann übergibt er an Miles, Blakey fällt kurz in einen fetten Backbeat, bringt dann einen seiner patentierten Rolls, der Miles in eine Doubletime-Passage katapultiert, vor Blakey dann selber kurz in Doubletime wechselt. Am Ende hört das Stück irgendwie ohne Schluss auf… wohl bis dahin abgesehen von den „Birth of the Cool“ Aufnahmen das grösste Highlight, das Miles im Studio zustande gebracht hat!
Weiter geht’s mit „Dig“, einem boppigen Thema. Rollins soliert zuerst, gefolgt von Miles, während dessen Solo Blakey immer aktiver wird. Es folgt McLean und danach Miles wieder mit einem zweiten Solo. Die Ballade „My Old Flame“ gehört am Anfang ganz allein Miles. Potters Begleitung ist stark, Bishop und Blakey agieren sehr zurückhaltend. Nach etwas über vier Minuten übernimmt Rollins für ein kürzeres Solo, er ist schon in diesem jungen Alter ein grosser Balladen-Künstler, mit Geduld, langem Atem, der Fähigkeit, wenn’s angebracht ist, sich zurückzuhalten.
Zum Abschluss folgt eine relaxte Version von „It’s Only a Paper Moon“. Miles präsentiert das Thema wieder ganz alleine und übernimmt das erste Solo. Wie schon auf „My Old Flame“ setzt McLean aus, Rollins spielt ein verhaltenes Solo, er kämpft offenbar mit einem harten Blatt, und das scheint ihn hier ziemlich zu hemmen, was ein wenig schade ist, da Miles das Stück so schön eröffnet und dei Rhythmusgruppe den gelassenen, fetten (hardboppigen) Groove mittlerweile so gut drauf hat. Miles wagt sich in seinem zweiten Solo (Langspielplatte, also musste er eben auch plötzlich mal lang spielen… jedenfalls macht Miles hier zum ersten Mal Gebrauch von den Möglichkeiten, die mit der 10″ LP gegeben waren) ins hohe Register, allerdings mit mittelprächtigem Erfolg.
Ein ziemlich durchzogenes Album, das aber tolle Momente enthält und möglicherweise (nach der Bud Powell Quintett-Session) einen zentralen Schritt auf dem Weg zum Hardbop darstellte, den Miles ein paar Jahre später, als er sich gefangen hatte, die Drogensucht losgeworden war und sein Spiel noch viel konzentrierter und sparsamer wurde, massgeblich prägen sollte.--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHier ist übrigens noch der Mac-Sterne-Thread – und wenn ich meine Ratings dort anschaue, dann kommen zumindest „Jackie’s Bag“ und „The Connection“ zu schwach weg!
Das wird dann mal revidiert, wenn ich die Alben wieder gehört habe.--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail wind
Hm, Rollins hat ja in der Tat mindestens in einem Stück Probleme mit seinem Blatt, aber ich höre ihn dann doch als den deutlich souveräneren Musiker in dieser Aufnahme. Ich hab mich ja im Rollins-Thread zu „Dig schon geäussert, ich hol das mal hier rüber (und werde das Album übers Wochenende nochmal hören):
das hören wir wohl ein bisschen anders. ich bin ja auch ein rollins-fan und habe diese aufnahmen immer im rahmen der schmucklosen fan/presti/ZYX-box seiner „complete prestige recordings“ gehört – aber ich finde sein spiel hier wirklich mau. miles ist toll, aber mclean hat sowas waches, unverschämtes, eben sehr jugendliches, gerade bei den uptempo-sachen (anders als auf der blue-note-aufnahme mit miles).
die these der ersten wirklichen hardbop-session finde ich spannend – wo genau läge denn dieser moment, dieses „etwas“, das da vom bebop zum hardbop führte (zumal ja mehrere bebopper anwesend waren)? wo überhaupt würdet ihr den unterschied festmachen? (führt hier wahrscheinlich zu weit.)
mich würde außerdem wirklich interessieren, wie die hardbop-kenner hier die prestige-aufnahmen mcleans einschätzen.--
Vielen Dank für diesen Thread, den ich übrigens als sehr enthusiastisch geschrieben empfinde! :wave:
Vom frühen McLean kenne ich nur wenig, aber ich bin auch kein großer Freund von ihm in dieser Zeit.
Ich meine, dass ihm zu Beginn seiner Aufnahmen noch die Souveränität fehlt, die ihn in der Hochphase seiner Blue Note Zeit auszeichnete. Das trifft für mich zusammen, dass ich seine Interpretation des Bebop als nicht gefestigt und persönlich erachte. Vilemher wurde er mit tollen Musikern in einen Raum geworfen und es kam Standardware dabei raus. Das deute ich dahingehend, dass er erst seinen eigenen Stil entwickeln musste und den rauen Ton seines Instruments auf seine Weise weicher machen musste.
Natürlich spielen seine vorhandenen Drogenprobleme auch eine Rolle.
Ich finde bspw. auch, dass er zu einer Zeit mit Mal Waldron spielte, in der sich dieser auch entwickeln musste und diese Triebe etwas unterband, wenn er mit McLean spielte.
Ich kann das nicht besser auf den Punkt bringen, aber ich denke, dass McLean sich erst eine Zeit lang persönlich entwickeln musste, bevor er zu seiner ersten wirklich guten Form fand.--
"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur IIIgypsy tail windNun ja, 16 Jahre lang war er wohl nicht sugar-free…
Sehr schöne Beschreibung!
zu seinem ton habe ich gerade noch was schönes von gary giddins gefunden:
„Above all, we loved his sound, which set his detractors’ teeth on edge: dark and rich, round and hard, caustic but celebratory, and, oh yes, slightly sharp or maybe flat. It was—it is—the sound of a man with a mission, a storyteller who could stop time and sear the soul. Or, as he put it, “It’s just my sound.” The sound was part of a style that included raspy asides and a motif-based approach to improvisation. A typical McLean solo will find him playing a fragment, and then repeating it even though the chords have changed, heightening the tension. Too melodic and intricate to qualify as mere riffs, these phrases keep the listener pleasurably suspended in the moment before McLean resolves them.“
(von hier).
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Es gab zum Thema Hardbop mal ein paar Diskussionen in Mail-Listen und anderen Foren, redbeans hat mir neulich einiges zusammengestellt, ich hab das aber nicht dabei… es gibt wohl nicht die klare Grenze und das eine definierende Merkmal, aber der Hi-Hat-Beat auf 2 und 4 ist etwas (den hört man bei Bop-Drummern nicht, und oft auch nicht auf West Coast Aufnahmen), dann die einfacheren, eingängigeren Tunes (Silver, Timmons, Nat Adderley), die oft stark auf dem Blues beruhen, und die elaborierteren Arrangements (Intros, Interludes, Riffs hinter Solisten, Shout-Chorusse) – das sind alles keine neuen Dinge, neu ist die Kombination und neu sind diese Dinge in erster Linie verglichen mit dem Bebop, der eben meist komplexe Linien und wenig Struktur bietet (also eben keine Shout-Chorusse, höchst selten mal Interludes und solche kleinen arranger’s touches).
Das mit McLean auf „Dig“ werde ich nochmal nachhören wie gesagt.
Ich war ja schon auf Rollins justiert, als ich die Session neulich (mehrmals) wiedergehört habe – mal sehen ob ich sie anders höre, wenn ich sie nach McLean durchhöre.
Die Highlights waren ja wie gesagt für mich „Denial“ und vor allem „Bluing“.Mit Miles hat McLean auch noch auf der Hälfte des Albums „Miles Davis/Milt Jackson“ gespielt, das kenn ich auch noch nicht so gut.
Dass übrigens die Hardbop-Spezialisten hier mit allen McLean Prestiges vertraut sind, würde ich nicht erwarten, denn die werden ja meist als ziemlich mittelmässig betrachtet – da gibt’s sehr viele Alben, die man vorher hören will! Ging jedenfalls mir so… ich hab zwar im Rahmen des Fantasy-Debakels die meisten fehlenden mal noch nachgekauft, aber einige stehen seit zwei Jahren ungehört herum.
Das grosse Meisterwerk aus jener Zeit ist eindeutig „Pithecantropus Erectus“ – McLean benötigte offenbar damals eine lenkende, starke Hand, die eine Richtung vorgab, und dann war er zu grossartigem bereit. Alleine und gehetzt im Prestige-Studio schien das nicht zu klappen (dass er sich drüber beklagt hat… nun ja, er hat damals wohl auch seinen nächsten Schuss bezahlen können dank diesem System… da sind wir wieder mittendrin… ich würde Weinstock jedenfalls nicht allzu harte Vorwürfe machen).--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIch fände es übrigens gut, wenn wir die allgemeine Hardbop-Diskussion eher dort fortsetzen würden, wo sie hinpasst, hier geht sie verloren!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail windEs gab zum Thema Hardbop mal ein paar Diskussionen in Mail-Listen und anderen Foren, redbeans hat mir neulich einiges zusammengestellt, ich hab das aber nicht dabei…
lange Geschichte, würd es ungern hier offen posten (auch wenn es „nur“ alte Forenbeiträge sind), wer es lesen will (eine längere Debatte zum Thema „wann begann der Hard Bop“ mit ein paar ganz erhellenden Beiträgen), gerne pm… (hab wenig Ruhe zum lesen und schreiben grad, aber ob ich Pithecantropus wirklich so klar als erstes Meisterwerk sehe…)
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.Ich denke er war ein Junger von Paker.Hab eine späte Dextor Gordon Jackie Mcleas Session auf CD muss die mir mal anhören.
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Mit „Let Freedom Ring“ bricht sich ein neues oder verändertes Bewusstsein in McLeans Musik Bahn, die ihn weit über das Niveau eines Parker-Schülers hinaushebt. Das ermöglicht ihm auch, Musik zu schaffen, die heute noch aufregend und intensiv ist.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Wobei Alex ja nicht unrecht hat, denn die früheren Aufnahmen zeigen ihn schon eher im Korsett eines Parker-Schülers.
Außer Frage steht, dass er sich Stück für Stück davon freimachen konnte und insbesondere mit „Let Freedom Ring“ in eine individuelle Phase eintrat.--
"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur IIIkatharsisWobei Alex ja nicht unrecht hat, denn die früheren Aufnahmen zeigen ihn schon eher im Korsett eines Parker-Schülers.
Außer Frage steht, dass er sich Stück für Stück davon freimachen konnte und insbesondere mit „Let Freedom Ring“ in eine individuelle Phase eintrat.Alex hat absolut nicht Unrecht, ich gebe ihm ja indirekt Recht, indem ich eben auf den Neubeginn seiner Karriere mit den späten Blue Notes hinweise. Das an Parker angelehnte Frühwerk kenne ich nicht gut und was ich kenne, mag ich nicht.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Ja, das wissen wir… aber Alben wie „Bluesnik“, „Jackie’s Bag“ und „New Soil“ sind doch schon sehr anders als das, was ich als Frühwerk sehe… hast Du „New Soil“ mal angehört? Das find ich schon sehr speziell!
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Schlagwörter: Billy Higgins, Grachan Moncur III, Jackie McLean, Jazz
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