Ich höre gerade … Jazz!

Ansicht von 15 Beiträgen - 59,416 bis 59,430 (von insgesamt 66,493)
  • Autor
    Beiträge
  • #12015433  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    gypsy-tail-wind
    Und ja, die Sachen mit Lucy Reed nehme ich durchaus ernster als dieses eine mir bekannte Frigo(/Marx)-Album. Vielleicht tu ich denen ja ein wenig Unrecht, aber ich bin ja sehr durchaus offen für kühle und auch hart-weisse Spielweisen des Jazz der Fünfziger … mit einer gewissen emotionalen Distanz meistens, aber eben: sehr interessiert. Mir kommt das aber einfach echt zu beschaulich rüber (drum der Biedermeier-Vergleich oben), halt wirklich so aus dem Vorstadt-Lifestyle heraus, kleines Häuschen, heile Welt … bei Tristano oder Konitz oder die ganzen kühlen New Yorker (Mulligan, Fruscella usw.) öffnen sich ganz andere Welten (hat wohl schon auch was mit „dues“ zu tun, was jetzt bitte nicht als Drogenromantik verstanden werden soll … aber die Lebenswelt hat nunmal einen Einfluss auf die Kunst, und dass wir Jazzfans – gerade wenn wir in so abgelegenere Ecken wie den weissen Cooljazz der Fünfziger eintauchen – es oft mit gebrochenen und schwierigen Biographien zu tun haben, ist ja bekannt). Dabei ist aber schon festzuhalten, dass eben Frigos Geigenspiel wirklich besonders ist.

    ich glaube, ich bin da völlig bei dir. es ist bei mir wohl spezifisch diese version von „a lazy afternoon“, die ich sehr interessant finde:

    das ist nicht mit bill evans, sondern eben mit frigo/marx, und wahrscheinlich auch schon von ende 1954, was das jahr ist, in dem der song überhaupt zum ersten mal zu hören war (im musical THE GOLDEN APPLE). für mich sind der song und das arrangement bereits ein baustein zum modalen jazz, dabei sehr atmosphärisch und spannungsvoll, ählich wie die version von karin krog 10 jahre später. kann sein, dass lucy reed hier einfach wusste, was sie wollte – aber was klavier und bass hier machen, ist schon sehr interessant.

    --

    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #12015443  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,509

    vorgarten

    soulpope

    vorgarten holland, eubanks, calvaire, another land (2021) nochmal im schönen flow dieses albums. natürlich unter dem eindruck des live-sets gestern, konzise 75 minuten, hierarchiefreier organismus, da kommunizierte alles miteinander, die autoritären fetten bass-grooves, die angeschmiegten komplexen akkorde und ein alles im konstanten fluss haltendes schlagzeug…. die anwesenden, zusammengerückten, 90 leuten genossen, einfach zusammen zu sein. hatte erwartet, distanzierter draufzuschauen und war nach 2 minuten völlig eingewebt.

    Schön, dass Du es zu diesem Konzert geschafft hast ….

    schade, dass ihr es nicht geschafft habt

    Ich sollte zumindest mal wieder Dave Holland aus der Dose hören  :yes: ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12015481  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,342

    vorgarten

    gypsy-tail-wind
    Und ja, die Sachen mit Lucy Reed nehme ich durchaus ernster als dieses eine mir bekannte Frigo(/Marx)-Album. Vielleicht tu ich denen ja ein wenig Unrecht, aber ich bin ja sehr durchaus offen für kühle und auch hart-weisse Spielweisen des Jazz der Fünfziger … mit einer gewissen emotionalen Distanz meistens, aber eben: sehr interessiert. Mir kommt das aber einfach echt zu beschaulich rüber (drum der Biedermeier-Vergleich oben), halt wirklich so aus dem Vorstadt-Lifestyle heraus, kleines Häuschen, heile Welt … bei Tristano oder Konitz oder die ganzen kühlen New Yorker (Mulligan, Fruscella usw.) öffnen sich ganz andere Welten (hat wohl schon auch was mit „dues“ zu tun, was jetzt bitte nicht als Drogenromantik verstanden werden soll … aber die Lebenswelt hat nunmal einen Einfluss auf die Kunst, und dass wir Jazzfans – gerade wenn wir in so abgelegenere Ecken wie den weissen Cooljazz der Fünfziger eintauchen – es oft mit gebrochenen und schwierigen Biographien zu tun haben, ist ja bekannt). Dabei ist aber schon festzuhalten, dass eben Frigos Geigenspiel wirklich besonders ist.

    ich glaube, ich bin da völlig bei dir. es ist bei mir wohl spezifisch diese version von „a lazy afternoon“, die ich sehr interessant finde:

    das ist nicht mit bill evans, sondern eben mit frigo/marx, und wahrscheinlich auch schon von ende 1954, was das jahr ist, in dem der song überhaupt zum ersten mal zu hören war (im musical THE GOLDEN APPLE). für mich sind der song und das arrangement bereits ein baustein zum modalen jazz, dabei sehr atmosphärisch und spannungsvoll, ählich wie die version von karin krog 10 jahre später. kann sein, dass lucy reed hier einfach wusste, was sie wollte – aber was klavier und bass hier machen, ist schon sehr interessant.

    Ja, das ist auch wirklich klasse! Und das „aggressive“ Spiel von Frigo am Bass kann man da schon auch raushören, wenn man mag: der Gestus ist eben nicht: ich hab Noten und die hab ich dann und dann als Pedal Point zu spielen sondern der setzt die, sehr gezielt, wuchtig (aber nicht übertrieben) – und auch wenn er zum Bogen greift, das ist nicht mit Samthandschuhen und ebensowenig mit Routine gespielt. (Zu Marx mag ich da nichts sagen, den kann ich auch vom Frigo-Album her schlecht einschätzen, denk der Jankowski-Vergleich könnte sehr wohl passen (aber klar, das schliesst auch nicht aus, dass er selbst mal so eine schöne Arrangement-Idee hatte).

    Dass das beinah modal klingt, höre ich auch so. Hat natürlich mit dem Orgelpunkt (Pedal Point) zu tun, das öffnet ja das Feld bzw. reduziert eben die allenfalls vorhandenen Changes stark (ein paar Bewegungen sind ja doch noch übrig in der Version). Da passen natürlich die Leute, mit denen sie sich umgab (Evans, Russell, der andere Evans) auch perfekt. Und die Stimme ist halt auch toll … also auch da eine gewisse Distanz (zur Stimme nicht, mit der hat sie mich), aber mir kommt das alles schon stärker vor als meine kleinen sonstigen Einblicke in Sachen Frigo/Marx. Die hatten vielleicht auch so gute Ideen und Überlegungen hinter dem, was sie taten, aber die Umsetzung überzeugt halt einfach nur halb (das ist ja nun auch nichts, was auf weisse Cooljazzer der Fünfziger beschränkt wäre: wie oft sind in einer Rezension Sätze zu lesen, nach denen ein heftiger Haben-Wollen-Effekt eintritt, und wenn dann die eigenen Ohren im Spiel sind, ist vom Gelesenen nur ansatzweise was hörbar … eh auch immer individuell bzw. schwer skalierbar, sowas … aber wir hören ja auch viele ähnliche Dinge mit ähnlichem Background bzw. teils mit bekannten Unterschieden und das ermöglicht ja schon immer wieder ein Sprechen darüber).

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records, 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12015527  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    kevin eubanks, east west time line (2017)

    hab ich damals übersehen, das cover hat wohl auch nicht geholfen, ist aber ein schönes autobiografisches projekt. 5 in new york aufgenommene originale (besetzung: nicholas payton, orrin evans, dave holland, jeff ‚tain‘ watts), danach 5 in l.a. aufgenommene arrangements von jazz- & pop-stücken (besetzung: bill pierce, rene camacho, mino cinelu, marvin ’smitty‘ smith), früherer und aktueller lebensmittelpunkt, ostküstenkomplexität und -schnelligkeit, westküsten-latin-flavour und -wärme, alles auf hohem musikalischen niveau, aber wenn man die beteiligten kennt, auch keine überraschungen.

    --

    #12015577  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,509

    Wurde gestern von „lotterlotta“ irrtümlich im 90er Albenthread ins Spiel gebracht (Dank dafür !!) und ging mir seither nicht mehr aus dem Kopf …. :

    Die fünf Alben von Henry Threadgill mit seinem Sextett/Septett für About Time und Novus in den 80ern gehören zum Besten, was der Jazz in dieser Dekade zu bieten hatte …. da lege ich mich unbedingt fest ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12015621  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,509

    Danach folgte diese Gerri Allen Trio Scheibe, mit welcher ich gleichzeitig Dave Holland hören und mglws. Nähe zu den Aufnahmen (über die bestehende Wertschätzung zu „Lush Life“ hinaus) schaffen kann ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12015631  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

    Registriert seit: 09.04.2005

    Beiträge: 5,620

    soulpopeWurde gestern von „lotterlotta“ irrtümlich im 90er Albenthread ins Spiel gebracht (Dank dafür !!) und ging mir seither nicht mehr aus dem Kopf …. : Die fünf Alben von Henry Threadgill mit seinem Sextett/Septett für About Time und Novus in den 80ern gehören zum Besten, was der Jazz in dieser Dekade zu bieten hatte …. da lege ich mich unbedingt fest ….

    … ja ja, der Schaden und der Spott! Das Album hat zwar das hässlichste Cover von allen Threadgill-Scheiben in den genannten Besetzungen, ist mir mittlerwele aber das Liebste von ihnen….und mit den besten Jazzscheiben der 80er widerspreche ich ausdrücklich nicht :good:

    --

    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
    #12015651  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,509

    lotterlotta

    soulpopeWurde gestern von „lotterlotta“ irrtümlich im 90er Albenthread ins Spiel gebracht (Dank dafür !!) und ging mir seither nicht mehr aus dem Kopf …. : Die fünf Alben von Henry Threadgill mit seinem Sextett/Septett für About Time und Novus in den 80ern gehören zum Besten, was der Jazz in dieser Dekade zu bieten hatte …. da lege ich mich unbedingt fest ….

    … ja ja, der Schaden und der Spott! Das Album hat zwar das hässlichste Cover von allen Threadgill-Scheiben in den genannten Besetzungen, ist mir mittlerwele aber das Liebste von ihnen….und mit den besten Jazzscheiben der 80er widerspreche ich ausdrücklich nicht

    Jedenfalls kein Spott …. und mit dem Schaden dieser Scheibe sind wir alle „gut bedient“ 😇 ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12016623  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

    Registriert seit: 09.04.2005

    Beiträge: 5,620

    --

    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
    #12016821  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    sylvia syms, sylvia syms sings (1956)

    vielleicht eine der schönsten entdeckungen zum thema für mich, eigentlich eine verwechslung, ich wollte das album kaufen, dass „sings“ heißt, mit dem namen der sängerin zusammen kommt es auf das selbe hinaus, ist aber eine andere session. das hier ist eigentlich eine aufgefüllte 10“ mit einer 1952er session, auf der syms vom barbara carroll trio begleitet wird (das original – auch verwechslungsgefahr – heißt SONGS BY SYLVIA SYMS), das alleine ist schon ein hit: man hört die körperliche schwere und gedankliche beweglichkeit, den dramatischen vortrag und die exquisite begleitung, die nirgends im weg steht – und tatsächlich hört man syms manchmal nach dem letzten ton noch laut ein- und ausatmen. aufgefüllt wird das mit material aus einer session mit anderem klaviertrio und dem bläsersatz cohn – winding – elliott, ganz anders, auch toll, kühle eleganz plötzlich, fülle und schärfe. nicht meine lieblingssongs, aber wenn ich mal „down in the depths (on the ninetieth floor)“ von cole porter brauche, dann so wie hier. ich glaube, ich brauche ohnehin die aufnahmen der sängerin in allen vorhandenen kombinationen von syms, songs und sings.

    p.s. die japanische cd-ausgabe aus der atlantic-60th-reihe klingt unfassbar gut.

    --

    #12016827  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,509

    Fast 20 Jahre später singt Sylvia Syms  nochmals „Lonely Woman“ (wieder auf Atlantic) ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #12016829  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    großartig. und das mit nur noch einer lunge.

    (sorry, ableismus, aber ich finde das beeindruckend.)

    --

    #12016835  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,342

    Ich glaub ich kenne Syms noch überhaupt nicht :scratch: – danke für den schönen Post!

    Aber wenn ich den Titel des Porter-Songs höre, denke ich immer sofort an die Version von Helen Carr:

    (Okay, zwei Tracks von Syms mit Carroll sind als Bonus auf der billigen aber tollen 4-CD-Box mit den kompletten 1951-56 Trio-Aufnahmen von Barbara Carroll enthalten.)

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records, 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12016859  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    Das Syms Cover ist ja auch toll… Danke euch auch nochmal für die Gedanken zu Dick Marx… Tristano als Referenz fand ich spannend, da ist ganz sicher was dran – aber natürlich ist es auch nicht die ganze Geschichte… Ich selbst hatte an Clare Fischer gedacht, das ist ws eine andere Variante des gleichen Gedankens… Der Verweis auf Jankowski war auch gar nicht soo abwertend gemeint – bloß dieser Eindruck, dass es bei den Europäern besonders gängig war, zwischen ganz gescheitem Jazz und den fürchterlichsten Sachen einfach umschalten zu können… Karrieren, die im Hard Bop beginnen und in der Trachtenkapelle enden, kenn ich aus Amerika weniger – aber vllt nimmt man sie auch nicht so wahr… Marx schien mir tendenziell ein Kandidat zu sein (auf .org wurde er als Werbejinglepapst von Chicago erinnert)

    --

    .
    #12016865  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    redbeansandriceDas Syms Cover ist ja auch toll…

    ja, ich bin auch ganz froh, dass die erwähnte japan-cd ein paper sleeve hat. das kommuniziert hier auch gut mit dem wollny darüber… aber bei einem derart grafischen (spirale?) entwurf für ein vokaljazzalbum frag ich mich schon, ob man ein porträtfoto von syms bei atlantic zu wenig verkaufsfördernd fand (kann ich mir aber eigentlich nicht vorstellen).

    --

Ansicht von 15 Beiträgen - 59,416 bis 59,430 (von insgesamt 66,493)

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.