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Bruce Springsteen & The E Street Band
Berlin, 20. Oktober 2002, Velodrom
„Say Amen Somebody“Ein Springsteen Konzert hat etwas von einem Gottesdienst. Nur das hier nicht dem Herrn, sondern dem Rock and Roll gehuldigt wird.
Springsteen und Band stehen zwei Jahren nach der sensationellen Reunion-Tour wieder gemeinsam auf der Bühne. Diesmal mit einem dicken Packet neuer Songs im Gepäck. Die so genante „Barnstorming Tour“ zur Promotion von „The Rising“ funktioniert dabei nach dem Prinzip „One Town – One Show“, in Europa „One Country – One Show“.
Zu Beginn der Tour wurde Springsteen vorgeworfen, die Setlist würde von Show zu Show zuwenig variiert. Springsteen wird sich „scheiß Internet“ gedacht haben und spielt nach einem ersten kurzen Break der Tour wieder Tourpremiere nach Tourpremiere.
Das Berlin-Konzert war schneller ausverkauft als man „Fender“ sagen kann. Einige e-bay-Haie dürften sich darüber den Mund blutig gelacht haben.
Das Betreten der Bühne ist ritualisiert. Ein E-Streeter nach dem anderen betritt seinen Arbeitsplatz, wobei die Euphorie stetig steigt: …nach Little Steven kommt Clarence Clemons, nach Carence Clemons „The Boss“.
In abgedunkelter Halle hebt die Band zu „The Rising“ an und geht direkt danach in „Lonesome Day“ über. Mit Song drei und vier ist klar, dass auch diese Show eine eigen wird und nicht etwa eine Kopie des Barcelona-Gigs, der vor zwei Tagen überraschend auf MTV live übertragen wurde. Exklusiv werden „The Ties That Bind“ und „Atlantic City“ gespielt. Es werden nicht die einzigen Unterschiede bleiben.
Die heiß gelaufene Menge bringt der selbst bereits total durchgeschwitzte Boss mit der Bitte um Ruhe wieder unter Kontrolle und intoniert gefühlvoll und konzentriert „Empty Sky“ und „You’re Missing“. „Waitin’ On A Sunny Day“ funktioniert bereits als modernes „Hungry Heart“ – „Seid ihr bereit zu singen?“
Ankerpunkte der Show sind die neuen Stücke. Dazwischen wird ausschweifend aus dem umfassenden Backkatalog geschöpft. Irgendwer hält ein Banner mit „Let’s Rock“ hoch. Er bekommt wonach er verlangt.
Auf „No Surrender“ folgt – der Band mit zwei über dem Herz gekreuzten Fingern signalisiert – „Two Hearts“, dann „Worlds Apart, Badlands, She’s The One“ und als Showstopper „Mary’s Place“. Springsteen hat ein gutes Gespür für Dramaturgie und Spannungsaufbau. Er gibt den nachdenklichen Jedermann, den ungestümen Wilden, den Prediger… Sein Schauspiel wirkt authentisch und ehrlich, geraten manche Gesten auch „larger than life“.
Die Bandmitglieder haben etwas weniger Gelegenheit ihre Individual-Talente vorzuführen als bei der letzten Tour. Gary spielt keinen Up-Right-Bass, Nils kein Akkordeon und außer Background singt niemand Vocals. Die Erweiterung der E-Streeter um die Violinisten Souzie Tayrel bereichert indes das Klangspektrum bei einigen Stücken signifikant.
„Countin’ On A Miracle“ rockt und spät am Abend trägt Springsteen alleine und am Klavier „The Promise“ und „Incident of 57th Street“ vor – absolute Höhepunkte. „Into The Fire“, wieder „Full-Force“, beendet den Hauptset. Die gereifte Stimme von Springsteen beeindruckt in ihrer Spannweite und Ausdrucksstärke. Springsteen ist nicht der „Krächzer“ oder „Schreihals“, als der er ab und an dargestellt wird.
Der erste Zugabenblock wird mit einer uptempo Version von „Dancing In The Dark“ eröffnet. „Ramrod“ und „Born To Run“ – bei vollem Saallicht – folgen. „Ramrod“ ist ein crazy Rocker. Bruce kann nicht mehr und fragt Steve ob es nicht Zeit wäre nach Hause zu gehen. Der schaut auf die Uhr und erwidert „It’s Berlin. Must be Boss-Time“ bevor Bruce in einem gitarrenzerstörenden Solo explodiert.
Fast ohne Pause geht’s über in den zweite Zugabenblock. Zunächst mit „My City Of Ruins“. Bruce sitzt am Anfang erneut am Klavier und nimmt den Publikumsgesang auf, den er dann elegant abwürgt. „Born In The USA“ – seit Ewigkeiten wieder in einer vollen Band-Fassung – leitet Springsteen auf deutsch mit „Diesen Song habe ich gegen den Vietnamkrieg geschrieben. Heute spielen wir ihn für den Frieden“ ein. Die leicht wabbrige Version endet mit einem düsteren „Peace“.
Am Ende von „Land Of Hope And Dreams“ kommt der schon legendere Satz „Say Amen Somebody“ bevor die Messe mit einem finalen „Thunder Road“ nach gut drei Stunden beendet wird.
Während die Massen nach außen strömen läuft auf den Videowänden ein schwarzweiß Video. Zu sehen ist Springsteen, der mit zurückgegelten Haaren den Besuchern noch eine Hobo-Version von „Countin’ On A Miracle“ mit auf den Weg gibt. Beim Blick in strahlende Gesichter ist zu spüren, dass sich mancher auf geheimnisvolle Weise erleuchtet fühlt. Say Amen…
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Schlagwörter: 2003, Bruce Springsteen, Konzertbericht
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