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friedrichIch muss mich entschuldigen, @redbeansandrice, dass ich jetzt erst etwas schreibe. Aber es passte vorher einfach nicht. Und ich werde auch nicht gleich zu allen Tracks etwas schreiben können, sondern wohl in drei Portionen. Hoffe, das ist okay.
Track #01
Ein Höhepunkt gleich ganz zum Anfang. Und das Stück selbst scheint auch mittendrin anzufangen. Klingt wie die Instrumentalversion eines Vokal-Stücks. Mit viel Glam arrangiert, mitreißende Melodie auf dem Sax, die man laut mitsingen möchte. Vielleicht mehr Soul als Jazz. Geht sofort ins Ohr und ins Herz. Das erinnert mich daran, dass bei mir immer noch King Curtis‘ Live-Album als opener für Aretha Franklin auf dem Wunschzettel steht.
Track #02
Track #01 geht direkt ins Ohr, Track #02 macht es mir schon schwieriger. Tastendes Sax, zaghafter Einstieg der rhythm section. So geradeaus #01 ist, so verschwurbelt ist #02. So tightly knit #01 ist, so locker sind die Fäden bei #02. Dort große Bühne, hier kleiner Club. Hat es bei mir im Anschluss an den ersten Track ziemlich schwer. Uups – der Applaus des offenbar doch zahlenmäßig recht starken Publikums überrascht mich am Ende.
Track #03
Das ist wieder ein gutes Stück strammer als #02. Das Sax geht lebhaft nach vorne los, die rhythm section swingt und ab geht die Post! Fast schon akrobatisch, wie es aus dem Saxofonisten raussprudelt. Ein Showman! Am Ende wird es fast kabarettistisch. Damit haben offenbar alle Beteiligten 7 Minuten viel Spaß. Ich auch.
Track #04
Zuerst fällt mir die Gitarre statt des Klaviers auf, dann setzt ein charmant-gutgelauntes Sax ein, das mich mit der Melodie mitnimmt. Und – Holla! – der Gitarrist lässt sich auch nicht lumpen und lässt die Finger über die Saiten flitzen. Und – Schande über mich! – jetzt stelle ich erst fest, dass es da doch ein Klavier gibt, das sich ungefragt ins Gitarrensolo einmischt und dann einfach übernimmt. Klingt sehr spontan, teils etwas holterdipolter. Wundert mich, dass das keine Live-Aufnahme ist. Frech und flott!
Track #05
Hier gibt es die kabarettistische Einlage mit dem Stummfilm-Marsch gleich zu Anfang. Dann löst sich das aus diesem Klischee und mutiert zu etwas völlig anderem. Das erzeugt natürlich Spannung, wohin das führen mag? Aha, Am Ende schließt sich der Kreis wieder und wir alle klopfen uns gegenseitig lachend auf die Schulter.
Bis hierhin habe ich noch keinen einzigen Musiker und kein einziges Stück erkannt. Oberflächliches Diagonalhören der folgenden Tracks deutet darauf hin, das das auch so bleiben wird. Aber für Unterhaltung ist gesorgt.
Track #06
Schönes verträumte Klarinette, dezent getupfte Begleitung von Bass, Vibes und Piano. Gefällt mir zunächst sehr gut. Bei ca. 0:45 kommt es mir fast so vor als würde eine Bass-Klarinette übernehmen, aber da spielt der gleich Soloist weiter, oder? Und es wird deutlich free-er. Die folgende getupfte Passage von Bass, Piano und Windspiel (?) gefällt mir wieder sehr. Wie der Wind in den Blättern … Eigenartig, wie oft dieses Stück im Verlauf seinen Charakter wechselt, von melodisch fließend über impressionistisch getupft bis zu swingend und wieder zurück. Fast wie eine Metamorphose. Raffiniert. Habe mehrmaliges Hören gebraucht um mich darauf einzulassen. Hörte sich für mich erst etwas gewollt an. Aber erscheint mir jetzt ganz selbstverständlich dahinzufließen.
Track #07
Drastischer Stimmungswechsel! Unisono vorgetragenes Thema, swingende rhythm section, Trompetensolo, Saxsolo … Bekannter Ablauf, Klare Verhältnisse. Das ist fingersnippin‘ good, macht Spaß, bietet aber auch keine große Überraschungen.
Track #08
Das nimmt mich mit seinem im ¾-Takt tänzelnden Charme sofort ein. Schön weicher Trompetenton, perlendes Piano, der drummer ist herrlich verspielt, ohne dass das Stück seinen groove verliert und alles zusammen reitet auf der bassline. Ganz wunderbares Zusammenspiel. Bravo!
Track #09
Ein Kabinettstück für 2 Gitarren. Klingt fast so, als würde der Gitarrist ein Duett mit sich selbst spielen, so ähnlich klingen die beiden. Wie Geschwister. Mal parallel, mal leicht versetzt, mal gegenseitig kommentierend. Und swingt natürlich auch sehr schön. Feine kleine Sache.
Track #10
Hui! Jetzt geht‘s richtig ab. Sehr dicht, rasant, nach dem Thema springt der Pianist in den Ring, zeigt, was er kann und lässt seine Finger nur so über die Tasten flitzen. Akrobatisch, halsbrecherisch und rauschhaft. Und selbst die Passage mit nur Piano, Bass und drums klingt so fett wie eine Big Band. Ein heißer Ritt!
Danach muss man erst mal durchatmen. Dafür sorgt:
Track #11
Und schon wieder ein abrupter Stimmungswechsel. Gelassen schlenderndes Klavier, gestrichener Bass, schön und gemächlich wogende Bläser. Diese Gelassenheit behält das Klavier während des Solos bei, nur gelegentlich werden mal schärfere Akzente gesetzt. Am Ende schließt sich wieder Kreis mit den Bläsern. Sehr schön!
Track #12
Das hier kocht wieder. Das Thema am Anfang erinnert an So what?, aber ist nur ein kleines Kürzel daraus, oder? Der drummer kann schon da nicht mehr an sich halten und danach geht es sowieso ab und jeder darf zeigen, was er kann. In meinen Ohren ist das einerseits heiß und aufregend, andererseits aber auch etwas beliebig. Interessant wird es für mich wieder kurz vor Ende, wo Sax, drummer und Orgel sich gegenseitig die Bälle zuwerfen.
Track #13
Der erinnert mich in seiner intensiven Dichte an #10. Wenn ich es negativ ausdrücken wollte, würde ich sagen, diese Musiker haben noch nie etwas davon gehört, dass das spannendste musikalische Mittel die Pause ist. Positiv ausgedrückt ist das aber ein gut 4-minütiger Rausch, bei dem die Töne nur so heraussprudeln und umhersprühen und schon wieder verschwunden sind, bevor ich sie richtig hören konnte. Ist überwältigend, aber danach muss ich erstmal durchatmen.
Track#14
Durchatmen kann ich offenbar bei diesem Stück. Melancholie mit spanischer Gitarre und sehnsüchtigen Sax im Hintergrund. während das Tenor erzählt eine traurige Geschichte erzählt. Kurzer Schwenk auf einen Blues, dann Schwenk auf die Bläser. Großes Kino! Hach, da wird mir ganz wehmütig!
Track#15
Hier ist wieder gute Laune angesagt! Partystimmung im Club mit souligen Tenor und Schweineorgel, die ordentlich einheizen. Das Thema möchte man laut mitsingen. Wie auch Track #01 erinnert mich das daran, dass ich King Curtis noch auf dem Wunschzettel stehen habe. Und es erinnert mich daran, wie Gospel, R&B und Jazz zusammenhängen. Das ganze Setting, die Besetzung, die Melodie, der Groove, das ist fast schon etwas Standardisiertes, was ich hier aber keineswegs abwertend meine. Das ist eine bewährte Sache, fast Folklore, und es kommt darauf an, was im speziellen Fall daraus gemacht wird und ob und wie es die Gemeinde erreicht. Hier ist es sehr uplifting!
So, das war‘s von mir. Ich hatte vorher fast nichts von den vorhergehenden Kommentaren gelesen, erst im Nachhinein schau ich jetzt etwas dort rein. Track #01 ist A. C. Jobims Wave? Habe ich nicht erkannt. Die in meinen Ohren gegenüber der mir bekannten Aufnahme von ACJ fast gegensätzliche Stimmung dieses Tracks (dort entspannt, hier leidenschaftlich) macht es mir zu schwer. Aber ist interessant.
Alles in allem ist Dein BFT ein bunter Strauß mit teils abrupten Sprüngen hinsichtlich Stil und Stimmung, was mich manchmal irritiert, manchmal angenehm überrascht. Mit Track #08 als Favoriten stehe ich hier offenbar nicht alleine da.
Besten Dank!sorry!! du weisst wie es ist, die Woche war ein bisschen verrueckt… Also:
#1: das ist vielleicht das am wenigsten jazzigste Stueck auf dem Album, vielleicht nicht ideal gewaehlt… ich mag wie rasant das ist
#2: ja, ein junger Musiker zum ersten Mal auf der ganz grossen Buehne… ich hab tatsaechlich in den letzten Tagen endlich angefangen, mehr von ihm zu kaufen, und haette inzwischen bessere Tracks (zB)
#3: genauso seh ich das auch…
#4: nach dem doch sehr gemischten Echo aus der Runde, freu ich mich ueber jeden, dem das hier gefaellt
#5: bei dem Stueck hab ich ja als scheinbar einziger das kabarettistische nie gehoert
#6: nur ein Klarinettist und ich weiss, welche Stelle Du meinst, ich denke, er haelt sich da einfach einen Moment am unteren Ende der Range auf (bin fast versucht, meine Klarinette zu holen, um zu testen, welche Toene das sind)
#7: in der Tat, das Spiel ist altbekannt
#8: hab ich inzwischen auch digitalisiert und schicke nachher oder spaetestens morgen den Link an Interessierte herum (#1, #3 und #15 hab ich schon, falls du interessiert bist – bin mit diesen Aktivitaeten allerdings die Woche auch ein bisschen hintendran)
#9: tatsaechlich ein einziger Gitarrist mit Overdubs, also quasi Zwillinge
#10: wie oben erraten: der Witz ist, dass das hier die Vorgaengerband der Necks ist (noch ohne Tony Buck und mit Saxophon)… zum einen krass, dass sie sowas auch koennen, zum anderen krass wie sie sich in den Folgejahren gewandelt haben
#11: Mein persoenlicher Lieblingstrack, der nicht alle gleichermassen ueberzeugte – ich freue mich ueber alle guten Worte
#12: In der Tat, der Track ist das Feature fuer den Drummer, und ja, man hat So What gehoert (was damals noch ziemlich neu war)
#13: Was das hier mit #10 gemeinsam hat, ist, dass man die Musiker eigentlich ganz anders kennt, gerade die Rhythmusgruppe… also, hier etwa klingen die auch sehr gut aber voelig anders
#14: ob das Stueck irgendeinen echten Soundtrackbezug hat, wuesst ich tatsaechlich gerne…
#15: da wuerd ich jetzt tatsaechlich sagen wollen, dass diese Sache mit der standardisierten Quasi-Folklore hier zutrifft, und noch bei ein paar anderen (10, 13, 7, vielleicht 3) aber auf die #1 ueberhaupt nicht, da kenn ich wirklich fast nichts, was aehnlich klingt… und klar ist sowas nicht abwertend, das begreif ich doch sofort…Danke fuer deine Kommentare – jetzt hab ich endgueltig keine Ausrede mehr, noch mit der „Aufloesung“ zu warten…
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Werbungredbeansandrice
#2: ja, ein junger Musiker zum ersten Mal auf der ganz grossen Buehne… ich hab tatsaechlich in den letzten Tagen endlich angefangen, mehr von ihm zu kaufen, und haette inzwischen bessere Tracks (zB)das ist schon krass gut…
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redbeansandricesorry!! du weisst wie es ist, die Woche war ein bisschen verrueckt …
(…)
Danke fuer deine Kommentare – jetzt hab ich endgueltig keine Ausrede mehr, noch mit der „Aufloesung“ zu warten…
Du brauchst Dich für nichts zu entschuldigen. Wir haben alle immer wieder mal verrückte Wochen – in letzter Zeit wohl sogar vermehrt. Ich hatte Dich nur angestuppst, weil dieser thread etwas in der Versenkung verschwunden war und durch meine nach-und-nach Ergänzung meiner Kommentare nicht erkennbar war, dass sich hier was tat. Finde es ganz übersichtlich und angenehm alle Kommentare und alle Kommentar-Kommentare jeweils gesammelt in einem post zu haben.
Habe das Gefühl, dass wir uns ganz gut über die Musik verständigen konnten, ohne unbedingt zum gleichen Urteil zu kommen.
Nochmal vielen Dank!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)vorgarten
redbeansandrice
#2: ja, ein junger Musiker zum ersten Mal auf der ganz grossen Buehne… ich hab tatsaechlich in den letzten Tagen endlich angefangen, mehr von ihm zu kaufen, und haette inzwischen bessere Tracks (zB)das ist schon krass gut…
Hab es noch nicht oft gehoert, aber der erste Eindruck von Strangehorn ist sehr stark … das Duoalbum mit Takase ist vergleichsweise langweiliger, aber auch ueberhaupt nicht schlecht… jetzt sind zwei der drei anderen Enja/Tutu Alben in der Post, dann fehlt mittelfristig noch das dritte und Debut… ist eine kleine aber potentiell feine Diskografie…
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.Habe das Gefühl, dass wir uns ganz gut über die Musik verständigen konnten, ohne unbedingt zum gleichen Urteil zu kommen.
:) ich auch – nochmal vielen Dank fuer Deine Kommentare!
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.ich fänd ja eine abschließende übersicht noch ganz gut, vor allem fürs spätere nachschlagen… kann ja auch ganz rudimentär sein.
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ist geplant, ich hab eigentlich auch Texte im Kopf… wenn ich es nicht bald schaffe, werd ich in der Tat einfach die Tracklist posten… sorry! bin schon froh, dass die heisse Phase des Tests in eine Zeit fiel, in der ich den Kopf halbwegs frei hatte…
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.redbeansandriceist geplant, ich hab eigentlich auch Texte im Kopf… wenn ich es nicht bald schaffe, werd ich in der Tat einfach die Tracklist posten… sorry! bin schon froh, dass die heisse Phase des Tests in eine Zeit fiel, in der ich den Kopf halbwegs frei hatte…
war jedenfalls super!
und „krass gut“ passt bei #2 auch für mich – mal schauen, ob ich da mal was aufzutreiben versuche … besten Dank auch nochmal für die Digitalisate – klasse Service!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind
redbeansandriceist geplant, ich hab eigentlich auch Texte im Kopf… wenn ich es nicht bald schaffe, werd ich in der Tat einfach die Tracklist posten… sorry! bin schon froh, dass die heisse Phase des Tests in eine Zeit fiel, in der ich den Kopf halbwegs frei hatte…
war jedenfalls super!
und „krass gut“ passt bei #2 auch für mich – mal schauen, ob ich da mal was aufzutreiben versuche … besten Dank auch nochmal für die Digitalisate – klasse Service!ich hab die gerade bei discogs bestellt, deshalb kam ich überhaupt darauf, dass ich den überblick verloren hatte über das, was noch so im bft versteckt war.
edit. die christlieb habe ich bestellt, nicht klatt. und mein kommentar bezog sich ja auf klatts „strangehorn“, nicht auf das stück aus dem bft. so verwirrt bin ich schon.
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so… endlich der erste Teil der Aufloesung… habe kapiert, dass eine der Sachen, die mich die Tage deprimieren, die Tatsache ist, dass ich diese posts noch nicht geschrieben habe… hoffe es hilft (und ich schaff die zweite Haelfte auch bald)… wie von thelonica angeregt gibt es ueberall ein paar Tipps zum weiterhoeren (so ich sie habe)… nochmal ganz vielen Dank Euch allen fuers mitspielen!
#1 Vince Wallace – Wave (A.C. Jobim)
Album: Live At the Studio Cafe (Ampex)
rec. September 24 & 25, 1975, Balboa
Bill Atwood (t), Hart Smith (tb), Vince Wallace (ts), Kent Glenn (p), Mark Proctor (b), Paul Kreibich (d)Vince Wallace ist so ein Name, der in Saxophonforen immer genannt wird, als jemand, ueber den zu Unrecht keiner spricht… in der Kategorie haben wir hier im Test tatsaechlich einige, Paul Stocker zB oder Joe Romano… eine graue Eminenz der Bay Area Szene, 1939-2012, der in den 70ern zwei Alben unter eigenem Namen aufnahm, und dann ab den 90ern wieder, alles auf Kleinstlabels an der Grenze zur Eigenproduktion. Viele dieser verkrachten Existenzen des Jazz (s. diese seltsame Dokumentation https://www.youtube.com/watch?v=jlx4-DN8OsE, er gehoert eindeutig dazu) machten ja auch Musik, die ein bisschen danach klang (Tony Fruscella zB), was mir an diesem Track unter anderem gefaellt, ist, wie weit all die Probleme ausgeblendet sind… klar, das ist im weitesten Sinne Hard Bop, aber die Breitbeinigkeit kommt aus dem Rock…
Next Steps: das Vorgaengeralbum „Vince Wallace plays Vince Wallace“ ist auch sehr gut, ab da wird es schwierig… das ist so eine Clique von Musikern, die immer wieder zusammen gespielt haben, Kent Glenn (Diskografie), Marc Proctor, Gene Stone… aber ich bin noch ziemlich am Anfang…
#2 Günther Klatt – Chelsea Bridge (B. Strayhorn)
Album: Various Artists – 1st European Jazz Competition – European Young Jazz Artist – Jazz Festival Leverkusen 1982 – International Jazz Federation
rec. October 13 & 14 1982, Leverkusen
Günther Klatt (ts), Paul Grabowsky (p), Daniel Anderson (b), Hacky Hartmann (dr)ich hab es ja eigentlich nicht so mit deutschem Jazz… aber neulich stolperte ich via youtube Empfehlungen ueber den Muenchner Saxophonisten Günther Klatt (1957-2012) und war direkt ziemlich begeistert… allein schon die Idee, das es reichen koennte, die eigene Musik komplett auf der Basis von Ellington Balladen aufzubauen… natuerlich reicht das, wenn man so drueber nachdenkt… (und soulpope nannte Archie Shepp – der hatte irgendwann eine aehnliche Idee) … damals 1982 sah es nach dem Beginn einer vielversprechenden Jazzkarriere aus, Album fuer ein legendaeres Label (JG Records), erster Preis in Leverkusen… und danach kam ueber die naechsten 15 Jahre nochmal eine handvoll Alben, aber irgendwann machte es wohl keinen Spass mehr, das mit der Karriere war so eine Sache, er soll viel gemalt haben in den spaeteren Jahren… der Track ist gut, aber sicher nicht sein bester, hab in den letzten Wochen endlich angefangen, systematischer einzukaufen… zu den Musikern hier weiss ich sehr wenig… Grabowsky, ein Australier, blieb noch ein paar Jahre bei Klatt und ist auch noch immer recht aktiv, fuer die beiden anderen war das hier scheinbar ihr Moment im spotlight.
Next Steps: Als sideman hat Klatt nicht viel gemacht, vor allem das Lala Kovacev Album, von dem ich hier vor einiger Zeit erzaehlt hatte… seine eigenen Alben findet man eigentlich alle recht leicht auf LP oder CD… es gibt definitiv bessere Tracks als diesen hier
#3 Pete Christlieb – Like Almost Like (aka Almost like being love, Lerner & Loewe)
Album: The Pete Christlieb Quartet Live – Dinos’83 (Bosco)
Pete Christlieb (ts), Mike Melvoin (p), Jim Hughart (b), Nick Ceroli (dr)hierzu ist schon das meiste gesagt – live Jazz Atmosphaere kriegt man selten so pur wie hier… Christlieb (*1945) hat eine bedeutende Studiokarriere hinter sich, Steely Dan organisierten ihm 1978 sein Debut Album (Apogee mit Warne Marsh), die naechsten Alben erschienen dann erstmal auf seinem eigenen Label Bosco… das hier bis auf den Drummer die Band von Tom Waits Nighthawks… alles Leute, die in LA mit jedem gespielt haben und hier an einem freien Abend beweisen koennen, dass sie vor gar nichts Angst haben muessen
Next Steps: ich kenn mich hier noch kaum aus, behaupte aber einfach mal, dass es sich lohnen muss, nach anderen releases auf Bosco (link, link) zu suchen, Besetzungen variieren ein bisschen, aber wenn Warne Marsh dazukommt, oder Mike Wofford (s.u.) Mike Melvoin ersetzt, kann das eigentlich nicht schaden…
#4 Thomas-Pelzer Limited – Star Eyes (Raye, De Paul)
Album: Thomas-Pelzer Limited – Thomas-Pelzer Limited (Vogel)
rec. 26 February 1974, Reward Studios, Schelle, Belgien
Rene Thomas (g), Jacques Pelzer (as), Rein De Graaff (p), Henk Haverhoek (b), Han Bennink (dr)fuenf grosse bis ganz grosse Namen des europaeischen Jazz, die hier einige nicht ganz ueberzeugen konnten… ich find das Album ja ganz rough und charmant… aber zugegeben, dass das hier der erste Studiotrack im bft sein soll, wundert einen schon
Next steps: Tatsaechlich ist das Album vielleicht die groesste Raritaet im Test, mir lief mal ein ehemaliges Bibliotheksexemplar fuer fuenf Euro ueber den Weg, aber das Glueck muss man haben… aber natuerlich gibt es jede Menge andere tolle Aufnahmen von Rene Thomas, Han Bennink, und den anderen… das Label Vogel kann man eigentlich auch gefahrlos kaufen, ein kleiner aber gesuchter Katalog
#5 Burton Greene Quartet Featuring Paul Stocker – Valencia Chocolate
Album: Valencia Chocolate (Cat Records)
rec. 24 Juni 1985, Studio 44, Monster, Niederlande
Burton Greene (p), Paul Stocker (sax), Raoul van der Weide (b), Clarence Becton (dr)und direkt das naechste vergleichsweise unbeliebte Stueck… drei Amerikaner in Holland, Greene, Becton und Stocker – wobei letzterer nie in Amerika aktiv war, er arbeitet heute in Spanien… dazu ein toller niederlaendischer Bassist… Greene (*1937) ist ja so ein legendaerer Name, ESP in den 60ern… ab den 70ern lebte er dann in Holland und nahm einige Alben auf… Stocker (*1954) ist mE ein sehr sehr toller Saxophonist (allein schon technisch… wie er das hier mit den zwei Saxophonen macht), der vielleicht ein bisschen zu spaet auf die Szene kam, um so richtig durchzustarten…
Next Steps: auch hier kenn ich mich so zu wenig aus… ich kauf eigentlich alles, wo Stocker draufsteht (JC Tans and Rockets, Jeff Reynolds Big Band… aber bislang war das hier wohl das staerkste)
#6: Mike Wofford – Dearly Beloved (J. Kern)
Album: Mike Wofford Quartet – Plays Jerome Kern – Vol.2 (Discovery)
rec. July 1980, Los Angeles
Mike Wofford (p, ep), Anthony Ortega (cl), Tom Azarello (b), Jim Plank (dr, vib)ich find das einfach einen tollen, experimentellen und atmosphaerisch packenden Track, den man Leuten aus der dritten Hard Bop Generation auf einem „Plays Jerome Kern“ Album so vielleicht nicht zugetraut haette… Ortega spielt hier ueber die Tracks verteilt sein ganzes Arsenal an Instrumenten (Klarinette, Floete, Altsax und Tenorsax)… an der Klarinette hoert man mE besonders deutlich, dass er zusammen mit Eric Dolphy gross geworden ist…
Next Steps: Discovery Records hat in den 70ern und 80ern viel aufgenommen, optisch ueberwiegend keine Schmuckstuecke, aber musikalisch ueberraschend breit, tolle Musiker – und sie sind eigentlich auch immer sehr fair gepreist, wenn man sie heute sieht… Ortega nehm ich eigentlich immer mit, wenn ich etwas sehe… das hier ist Vol 2 eine Serie von 3 (es gab die auch mal auf einer Doppelcd), aber die anderen beiden sind im Trio ohne Ortega (blogpost)… ansonsten ist natuerlich eine direkte Anschlussempfehlung Scattered Clouds von Ortega mit Wofford auf Hatology, eine tolle Aufnahme aus den 90ern, die soulpope immer mal wieder anpreist
#7: Sam Noto – Upstate Association
Album: Sam Noto – Act One (Xanadu)
rec. 1 Dezember 1975, New York
Sam Noto (tp), Joe Romano (ts), Barry Harris (p), Sam Jones (b), Billy Higgins (dr)Upstate Association… die verlorene italo-amerikanische Hardbopgeneration aus Upstate New York, viele von ihnen waren irgendwann in Las Vegas oder Los Angeles… in Sachen Hardbop konnte ihnen eigentlich keiner was vormachen, aber Italoamerikaner mit reichlich Showbizerfahrung waren tendentiell nicht im Beuteschema von Labels wie Blue Note… Tom Azarello aus dem Mike Wofford Track kommt aus der Ecke, Frank Strazzeri und Sal Nistico auf #11 auch… hier hoeren wir Sam Noto (tp) und Joe Romano (ts), beide im Prinzip seit den 50ern aktiv, bloss selten im Rampenlicht, mit einer ganz klassischen Hard Bop Rhythmusgruppe (Barry Harris, Sam Jones, Billy Higgins) – in diesem Sinne eine typische Xanadu Produktion… und klar machen die hier nichts anderes als Hard Bop, und klar brauchen die sich vor gar keinem verstecken.
Next Steps: Joe Romano und Sam Noto nehm ich eigentlich immer mit, ist auch nie teuer… generell kann man mit diesen silbrigen Xanadu Alben wenig falschmachen… das Konzept ist fast immer das gleiche – ein Solist, der die Chance verdient hat (Ted Dunbar, Billy Mitchell, Sam Noto, Sam Most, Bob Mover, Jimmy Heath), kriegt eine ganz klassische Hard Bop Rhythmusgruppe gestellt und darf zeigen was er kann, Duke Jordan oder Barry Harris am Klavier, am Bass gerne Larry Ridley oder Sam Jones, Schlagzeug vielleicht von Frank Butler oder Billy Higgins… ist fast nie „innovativ“ aber klappt eigentlich immer.
#8 Janot Morales – Trixie
Album: Quartet Janot Morales – Miles Inspirations (Selection Records)
rec. 1977 (?)
Janot Morales (tp), Gus Decock (p), Paul Dubois (b), Garcia Morales (dr)so richtig fassen kann ich das Album irgendwie noch immer nicht… ich stelle mir die Geschichte etwa so vor: Der Library-Music Produzent Pierre Pletinckx kam zu Janot Morales und sagte etwas wie „wir haben demnaechst diese Dokumentation ueber… Leoparden… koennt ihr dafuer etwas im Stil der Miles Davis Alben aus den 50ern machen?“ und Morales (1919-1981), Spross einer Dynastie von Zirkusartisten (link) sagte „jo, klar, natuerlich“, schnappte sich seinen Sohn Garcia (Studiodrummer und Schlagersaenger, „Ich kauf der ganzen Welt heut eine Cola“), den Bassisten Paul Dubois (der ziemlich nennenswerte Jazzcredentials in Belgien hat) und den Pianisten Gus Decock (der sowas sonst scheinbar zumindest nicht auf Platte machte, wohl quasi im Vorruhestand war, und hier ziemlich glaenzt)… und irgendwie scheint man dann erkannt zu haben, dass das Album eigentlich sehr sehr stark ist – sonst haette man es nicht auf dem normalen Markt herausgebracht…
Next Steps: schwierig… Janot Morales hat davor das Album „Trompetenparty“ eingespielt, und ich weiss nicht, ob man das hoeren will… er hat viel aufgenommen, auf den Django Reinhardt Sessions aus den 40ern gibt es schoene Trompetenmomente, auf den Francy Boland Alben aus den 70ern auch – vielleicht war er das ja – aber es sind immer nur Momente… Garcia Morales hatte seine kreativsten Momente wohl als Leadsaenger und Schlagzeuger der JJ Band (zB, das ist so Prog-Fusion mit Soul-Funk-Einschlag, aber echt nicht schlecht)… und dann gibt es zwei weitere Spuren… die Library Music Szene um Rene Costy, der hier die meisten Stuecke mitkomponiert hat und kuerzlich auf einer huebschen DoppelCD gewuerdigt wurde (link) und das Werk des Produzenten Pierre Pletinckx, der neben seiner Hauptarbeit in der Library Music einige schoene belgische Jazzplatten mitproduziert hat, etwa Phil Raphaels Stop Look Listen, das stilistisch durchaus passt – in den 70ern aus dem Bebop Erbe nochmal was richtig tolles entwickeln, was es damals so nicht gab…
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.reserviert…
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.toll, vielen dank. habe mir gerade den phänomenal disfunktionalen cola-schlager von garcia morales angehört, und ihn hier, mit der jj band (portugiesen in charleroi und irgendjemand schreibt dann tatsächlich, ihr partygejohle sei ein schrei gegen das salazar-regime gewesen), kann man ihn in aktion sehen:
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tolles Video, danke, kannt ich noch nicht…! Jess & James und ihre Begleitband, die JJ Band, trennten sich recht frueh, auf den eigentlichen JJ Band Alben ist Garcia Morales dann der Leadvokalist (zB) waehrend Jess & James zB hier (info) mit einer Studioband zu hoeren sind, die sich auch sehen lassen kann (Papa Morales an der Trompete, Nathan Davis am Saxophon…)
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.Gerade erst zum Lesen gekommen, danke!
Den Wallace-Film so zu 2/3 geguckt/gehört … schon sehr toll, das wird in den Studio-Ausschnitten auch nochmal deutlich, Ton, Gestaltung, Phrasierung – passt wirklich alles. Highlight ist aber der Zombie-Tanz bei ca. Minuten 15 (dann steht er noch in den Teil eines Kaktus?) – und warum zieht er sich eine Kampfuniform an, wenn er zum Challenger-Memorial geht? (Kommt dazu was in den ersten Minuten, die liess ich nämlich weg?) Die Szene mit den Kindern ist auch krass … und der Moment, wo er da mit Frau (?) und Freunden auf dem Sofa sitzt und sich freut, dass er nicht tot sein muss, um einen Film zu kriegen … und auch cool, ganz zum Schluss steht wirklich eine „tip jar“ dort,
Wer ist der zweite Saxer im Studio? Lou (Louis) Ciotti? Der hat auch ganz respektable Credits, auch wenn ich mir den Namen noch nicht gemerkt hatte:
https://www.discogs.com/artist/1175471-Louis-CiottiRelated (Gene Stone):
https://jazzforasaturdaynight.com/2014/07/19/jazz-for-a-saturday-night-113-the-gene-stone-quintet/Ich bin jedenfalls verdammt froh, dass ich kein Junkie bin.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaok, den Anfang auch noch geguckt … lohnt, wegen dem alten Artikel, den er so ab Minute 7 vorliest – und kommentitert
und:
„Certain drugs were more popular during certain eras – there was the LSD era, the speed era, the cocaine era“
„What was your favorite era?“
„They all had their points, they all had their ups and their downs.“
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: Blindfold Test, Jazz, Jazz BFT
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