Startseite › Foren › Das Radio-Forum › Roots. Mit Wolfgang Doebeling › 31.01.2010
-
AutorBeiträge
-
@wolfgang: Deinen Aussagen zum Heft und zur Musikjournalistik im Allgemeinen stimme ich vollkommen zu. Nicht jeder Artikel kann kluge Gedanken oder bahnbrechende Erkenntnisse enthalten. Und es ist unfair, im Vorhinein Themen zu verurteilen, ohne die Berichte vorher gelesen haben. Was ich mir vom RS wünsche, ist eine gute Balance zwischen Artikeln über aktuelle Musik und rückblickenden Betrachtungen. Der „historische“ Teil des RS gehört aber dazu – den zu streichen wäre bedauerlich.
Damit komme ich zu folgender Aussage, auf die etwas Ausführlicher eingehen möchte:
In Anbetracht der ohnehin auseinanderdriftenden Galaxien Heft und Forum, im Wissen um diese immer ärgerlichere Dichotomie, ist Dein Schritt ein eher bedauerlicher. Was dieses Forum verbindet, so meine anfänglich naive Annahme, sei der „Rolling Stone“. Das hat sich weitgehend erledigt, fürchte ich. Was aber ist der Kitt, wenn nicht gemeinsame Lektüre? Man könne davon ausgehen, daß alle, die sich im Forum anmeldeten, irgendwie musikinteressiert seien, schrieb mal einer. Sicher, irgendwie schon. Aber bei den meisten reicht das Interesse gerade mal für’s Internet. Ahnungslosigkeit, via YouTube kaschiert und treuherzig Wiki-fundiert. Man legt und folgt Links, meinungsbildend. Das ist kein Kitt, sondern Suhlen in Affirmation.
Das sehe ich vollkommen anders. Die Menschen im Rolling Stone Forum verbindet mehrheitlich nicht der Konsens, sondern der Dissens, der Widerspruch und die Kontroverse. Wer hier herkommt, um „Affirmation“ zu bekommen, der wird feststellen, dass es die nur in Verbindung mit einer Menge Dissens und unterschiedlichen Auffassungen gibt. Und das betrifft jeden gleichermaßen.
In den Threads zu kontroversen Alben finden sich die verschiedensten Meinungen, manche gut begründet, andere weniger. Aber meistens entsteht eine sinnvolle Diskussion mit begründeten Argumenten. Manche können das bessere als andere und nicht alle schätzen es, wenn man ihre Meinung hinterfragt, aber viele tun das eben doch. Lies Dir doch zum Beispiel die Diskussion über Freddie Hubbard und andere Jazz-Trompeter durch („Die besten Impulse-Alben“) oder die inzwischen drei Diskussionen in der Track-Arena oder die Diskussion zu aktuellen Alben von Owen Pallett, Get Well Soon, Tocotronic oder Massive Attack. Und das sind nur Beispiele.
Man findet hier in der Tat zahlreiche Leute, die auf gleicher Wellenlänge liegen, aber man findet genauso viele, mit denen man nur wenig teilt. Und dann bemerkt man, dass man mit ihnen dennoch etwas teilt und das das Interesse an begründeten Meinungen, an Zusammenhängen, an Kontext. Niemand hier ist zufrieden, Musik nur zu hören, fast alle wollen auch darüber reden, darüber diskutieren, darüber streiten. Das ist es was das Rolling Stone Forum ausmacht.
Solange der Rolling Stone diese Herangehensweise verkörpert, wird er auch gelesen. Allerdings scheint der Inhalt, der auf einer kritischen Herangehensweise basiert, stetig abzunehmen. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, die hoffentlich bald umgekehrt wird. Die Leute im Rolling Stone Forum jedenfalls wollen gerade diese kritische Herangehensweise.
Ein Wort noch zum Internet: Das Internet ist wie das Internet ist, es besteht aus Links und Meinungsäußerungen, fundiert oder nicht und niemand wird es ändern können. Es macht schlichtweg keinen Sinn sich über Wikipedia-Artikel oder Youtube-Links aufzuregen, auch wenn das nicht Deine Welt ist. Als ich gestern abend den Miles Davis Auftritt von 1973 bei Youtube entdeckte, war ich geplättet vor Begeisterung. Ich würde das nicht missen wollen – aber ich muss es ja auch nicht. Der Nachteil des demokratischen Internets ist natürlich, daß jeder auch Unsinn schreiben kann. Aber in der Regel erfolgt dann Widerspruch – zumindest im Rolling Stone Forum. Das gegenseitige Geben und Nehmen ist ein Teil des Prozesses.
--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Highlights von Rolling-Stone.deSo klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
Welches Equipment verwenden eigentlich…Pink Floyd?
Musikalische Orgasmen: 6 Songs voller Höhepunkte
Dies ist (laut Fans und Kritikern) die beste Folge von „Friends“
Studio-Magier: Die 8 besten Musikproduzenten
So arbeiteten die Beatles am „Weeping Sound“ für das White Album
WerbungWolfgang DoebelingFair enough […] (in viel zu vielen Worten, ich weiß).
Ich kaufe mir den Stone regelmäßig (sprich: derzeit noch immer), kann die Frustration von otis gut verstehen – und bin mir sicher: Wenn das Heft von so viel Leidenschaft, Standpunkt, Argumentationssicherheit und nebenbei auch von so viel polemischer Kraft und zum energischen Widerspruch provozierender Streitlust und Einseitigkeit durchpulst wäre wie dieser Beitrag von Dir, dann wäre der Stone ein Blatt, für das ich mich Monat für Monat begeistern und über das ich mich Monat für Monat schwarzärgern könnte; und nicht ein Blatt, das einen nach der Lektüre mit dem Gefühl zurücklässt, man habe gerade lau gebadet.
--
@ bullschuetz
Es geht ja gerade wieder mal darum, herauszufinden, ob es Leute, die gerne lau baden, in ausreichender Zahl gibt, um eine solche Publikation über Wasser zu halten. Verschiedene Stellungnahmen im Neuen-Heft-Thread belegen immerhin, daß sich dieser Typus auch hier aufhält (als ob es dafür eines weiteren Beweises gebraucht hätte).
@ nail75
Daß Du die Dinge „vollkommen anders“ siehst als ich, ist ja Norm, doch hier hast Du etwas falsch verstanden (oder ich habe mich mißverständlich ausgedrückt): nicht primär im Forum diagnostiziere ich ein „Suhlen in Affirmation“, obwohl das große Wort „Dissenz“ auch nicht so recht zum „Gefällt-mir-gefällt-mir-nicht“-Geplauder der allermeisten Beiträge passen will, sondern im Umgang mit dem Internet. Google nach einer x-beliebigen Band oder Platte und Du wirst zuerst seitenweise mit Angeboten strikter Affirmation bedient: Websites der Labels, MySpace-Auftritte, jede Menge Mailorder-Angebote, Amazon, eBay, etc. – samt und sonders Anpreisungen aus naheliegenden Gründen. Und es stößt mir sauer auf, wenn ich mit so einem Schmu belästigt werde. Geradezu als Affront betrachte ich die leider immer zahlreicheren Werbebotschaften von Leuten, deren unterentwickeltes Erkenntnisinteresse sich mit dem Abspielen von CDs und DVDs befriedigen läßt und die diesen oberflächlichen Mist auch noch offensiv mit Links „untermauern“, die, man glaubt es nicht, zu MyAmazon und ähnlichen Anbietern führen. Das ist nicht nur dumm, sondern auch eine ungeheure Zeitverschwendung für jeden, der sich nicht für blöd verkaufen lassen will. „Die Menschen im Rolling Stone Forum“ (hast Du’s nicht ein paar Nummern kleiner?), schreibst Du, „verbindet mehrheitlich nicht der Konsens, sondern…die Kontroverse“. Ja, wo denn, wie denn? Die von Dir angeführten Beispiele sind Ausnahmen, vielleicht sogar löbliche, aber perspektivisch ist der Diskurs-Boden glitschig und abschüssig. Denn wo kommen sie denn her, „die Menschen“, die sich hier neu anmelden? Habe mir jetzt fast eine halbe Stunde lang die Profile und ersten Beiträge von Neuankömmlingen angeschaut: schaurig! Ich will keine Namen nennen, aber es war keiner dabei, der den „Rolling Stone“ überhaupt kennt. Einer kannte ihn immerhin so gut, daß er meinte, hier herrsche Classic Rock und man sei sich hier selbstredend darin einig, daß nach Deep Purple nichts Nennenswertes mehr kam (außer Guns’N Roses!). Weil das Heft doch „Rolling Stones“ heiße!! Ein anderer schmiert Fave-Threads voll mit „Lieblingssongs“, die er dank YouTube „kennt“. Kein Witz. Komm‘ mir also nicht mit „unterschiedlichen Auffassungen“. Die gibt es auch, doch die wohlbegründeten muß man suchen. Was die Neuzugänge betrifft, stellt sich die Frage: wie finden sie hierher, „die Menschen“? Nicht über den RS, so viel ist sicher. Also durch Zufall, über Google oder dergleichen. Auf der Suche, ich bleibe dabei, nach Affirmation. Oben erwähnter Heini mit der Deep-Purple-Behinderung haute entsprechend auf den Putz und trollte sich beleidigt, als man ihm mitteilte, hier seien die Classic Rocker eher in der Minderheit. Repräsentativ für alle Neuzugänge ist das vielleicht nicht, aber die Tendenz ist nicht zu leugnen. Das liegt, ich hatte es anderswo schon ausgeführt, am Zuwachs an „Menschen“, der sich stets umgekehrt proportional zur Qualität resultierender Debatten auswirkt. Siehe Internet. Kurzum, es fehlt hier zunehmend an Homogenität, die Voraussetzungen werden differenter, das kann dem Austausch nicht förderlich sein.
@ otis
Was Deine Ausführungen zum Mangel an Hörerreaktionen und einschlägigem Feedback betrifft, magst Du richtig liegen. Ich gehe da zu sehr von mir aus, habe Peel regelrecht eingedeckt mit Kommentaren, damals in den Siebzigern. Im Wege postalischer Korrespondenz. Mein Denkfehler besteht wahrscheinlich darin, daß ich meinte, die einfache und prompte Möglichkeit der Stellungnahme hier müßte die Bereitschaft zu einer solchen erhöhen, sie geradezu herausfordern. Es ist wohl schon so wie mein alter Deutschlehrer bereits 1967 sagte: „Ihr Mitteilungsdrang ist überentwickelt, Doebeling. Versuchen Sie mal, ihn etwas zu zügeln.“ Ich sollte es wirklich mal versuchen.
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Ihr Mitteilungsdrang mag überentwickelt sein, Herr Doebeling. Aber bitte nicht zügeln. Weitermachen, einfach weitermachen!
--
Bevor sie völlig untergeht, nochmal die Playlist (thanks, otis):
otis
ROOTS 31.01.10
Ausgabe #1113Kicks on 45
Singles 1954-1969
1. Stunde:
1. Bob Luman: Whenever You’re Ready
2. Dale Vaughn: High Steppin’
3. Sonny Fisher: Sneaky Pete
4. Mac Curtis: The Low Road
5. Charlie Feathers: Runnin’ Round
6. David Ray: Lonesome Baby Blues
7. Conway Twitty: Make Me Know You’re Mine
8. Mac Curtis: You Ain’t Treatin‘ Me Right
9. Steve Wright: Wild Wild Woman
10. Marvin Rainwater: Baby, Don’t Go
11. Sonny Fisher: Pink And Black
12. Jackie Lowell: Rocket Trip
13. The Mystics: Don’t Take The Stars
14. Veronica: So Young
15. Joni Dina: Johnny & Frankie
16. Betty LaVette: He Made A Woman Out Of Me
17. Lee Dorsey: Neighbor’s Daughter
18. David Ray: I Am A Fool
19. Bobby Lee Trammell: Woe Is Me
20. Marty Robbins: Ruby Ann
21. Charlie Feathers: Too Much Alike
22. Vernon Ray & The Raymen: Big City After Dark2. Stunde:
23. Johnny Rivers: Midnight Special
24. Skip & Flip: Fancy Nancy
25. Ray Sharpe: Hey, Little Girl
26. The Rev-Lons: Boy Trouble
27. Ray Sharpe: The Day You Left Me
28. Suzanne & The Band-Aides: You May Never Know
29. Glen Campbell: Brenda
30. Dale Vaughn: How Can You Be So Mean To Me
31. The Rev-Lons: Give Me One More Chance
32. Sanford Clark: Shades
33. The Poor: She’s Got The Time
34. Mouse: A Public Execution
35. Alan Price: To Ramona
36. Dave Van Ronk: Dink’s Song
37. The V.I.P.s: You Pulled A Fast One
38. Ronnie Self: The Road Keeps Winding
39. Dave Van Ronk: Head Inspector
40. Mickey Newbury: Got Down On Saturday
41. Reparata & The Delrons: Saturday Night Didn’t Happen
42. Sammy Turner: Falling
43. Brian Hyland: I’m Afraid To Go Home--
Memo: heute entfällt „Roots“.
Ab morgen beantworte ich die Fragen zu #1114.
--
-
Schlagwörter: !7", 45s, Country, Rockabilly, Soul
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.