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Ich bin kommende Woche alle drei Tage beim Intakt-Festival im Loft. Kommt sonst noch jemand aus unserer Jazz-Ecke?
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Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!lotterlotta…yep, bin montag abend da, hatte zumindest einen platz reserviert! weiß nicht ob ich da noch mal was von höre oder einfach an der abendkasse bezahlen muss…
Bezahlung ist auf jeden Fall an der Abendkasse. Ob es standardmäßig eine Rückmeldung gibt oder was es bedeutet, wenn es keine gibt, weiß ich leider nicht.--
Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. DickNduduzo Makhathini Trio – Moods, Zurich – 18.05.2025
Nduduzo Makhathini-p/synth/voc, Dalisu Ndlazi-b, Lukmil Perez Herrera-d
Letzten Sonntag hörte ich vielleicht das Jazzkonzert des Jahres: Nduduzo Makhathini kehrte ins Moods zurück, wo er schon letztes Jahr ein grossartiges Konzert spielte (ohne dass ich dazu wirklich geschrieben hätte, nur mit viel Verspätung hier ein paar Zeilen). Die Besetzung war eine andere, das Trio mitten in einer längeren Tour und bestens eingespielt. Dieses mal stammte der Bassist aus Südafrika und der Drummer erneut aus Cuba. Es gab ein Set von ca. einer Stunde und danach einen über zwanzigminütigen Zugabenblock. Los ging es mit Cape-Jazz-Grooves und überirdisch schönen Melodien, ich sass wie immer wenn das geht in der ersten Reihe, für einmal sogar in der Mitte (die regulars kamen nach mir bzw. erschienen nicht so zahlreich wie üblich) und war auch nach genug dran, Makhathini mitsummen zu hören, wenn er das Gesangsmikro nach hinten geschoben hatte (wie auf dem Foto oben). Auf dem Flügel lag noch ein kleiner Synthesizer mit einem eigenen Mikro, dessen Input psychedelisch verzerrt herauskam – da flossen die Stimme und die Töne dann erst recht ineinander. Zum Einsatz kam das Ding aber bloss ein, zweimal. Grossartig war das traumwandlerische und doch sehr spontan wirkende Zusammenspiel. Vor allem die Enden der Stücke waren auf den Punkt und offensichtlich abgesprochen: aus vollem Flow auf die Eins – und aus. In manchen Stücken sang Makhathini Worte, der Gesang wirkte oft wie ein Chanting.
Das Konzert nahm die Form eines kollektiven Rituals an, zu dem dann auch die dieses Mal kürzer geratene Ansage beitrug, die nicht die Form einer (Ästh-)Ethik-Vorlesung annahm wie letztes Jahr sondern dem Rahmen angemessener geriet – aber ohne den Gehalt unzulässig herunterzubrechen. Makhathini sagte, er oder eher: sie, das Trio, seien auf der Suche nach dem Zentrum des Klanges: der Stille. Dieses Paradoxon erläuterte und entwickelte er noch etwas weiter. Der nächste Punkt war derjenige des Ortes: der Jazz als Musik von Menschen ohne Wurzeln, die ihre Herkunft nicht kennen, deren Vorfahren gewaltsam ihrer Heimat beraubt wurden. Bei jeder Aufführung müssen sie einen Ort finden, sind ihrer Ortlosigkeit ausgesetzt. Von da ging die Brücke nach Zürich, einem der wichtigen Orte der südafrikanischen Exilanten (dass diese Exilerfahrung eine ähnliche Ortlosigkeit erzeugte – die ja bei ganz vielen der betroffenen Musiker zu einem viel zu frühen Tod führte – sprach er dabei nicht aus) und dass das daher für ihn eben auch ein spezieller Ort sei, um aufzutreten bzw. um mit dem Publikum an diesem Ort eine gemeinsame Erfahrung zu teilen. Von der Unwissenheit über die Herkunft kam er auf die unterbrochenen, für immer gekappten Wissenssysteme – und Makhathini dürfte der einzige Jazzmusiker sein, der diese Tage auf der Bühne in Clubs den Begriff „Episteme“ verwendet. Ob ich ihm in allen Punkten folgen mag, ist gar nicht der Punkt: Makhathini hat sich sehr viele Gedanken darüber gemacht, was er mit seiner Musik will und er setzt das alles vollkommen stringent um.
Es ging danach weiter mit der Musik (die kurze Ansprache lag vermutlich in etwa in der Mitte der zweiten Hälfte des eigentlichen Sets), mit verschachtelten Beats, in denen natürlich auch die spezifisch afro-cubanische Diaspora ihren Ausdruck findet, weil weder Lukmil Perez Herrera noch sein Vorgänger im Trio, Francisco Mela, sich damit zufrieden geben, die tanzenden Cape-Jazz-Grooves zu replizieren, diese eher als Folie durchschimmern lassen, auf denen ihre aktuelle Musik aufgebaut ist. Er spielte ein recht kleines Kit mit zwei grossen Becken, an der üblichen Stelle wohl ein Ride-Becken und über den Toms noch ein grosses Splash- oder China-Becken oder vielleicht ein zweites Ride; diese zweite hatte Löcher mit Nieten drin … ein Swish-Becken? Ich kenne mich da leider ganz schlecht aus, aber die Übergängen zwischen den Typen – Ride, China, Splash, Swish etc. – scheinen zumindest teils auch eher fliessend zu sein). Dalisu Ndlazi am Bass glänzte mit grossem, körperlichem Ton, recht trocken und mit wenig Nachhall. Er spielte mit einer Wucht, der zugleich eine grosse Beweglichkeit inne wohnt. Auch wenn es dabei offensichtlich ausgearbeitete Elemente, Routinen gibt, war die Freude jeden Moment zu spüren – und der Funke sprang über, das Publikum war spürbar dabei (ausser bei der Mitsing-Nummer gegen Ende – sowas klappt in der Schweiz fast nie und ich nehme mich da auch gar nicht aus).
Vor der Zugabe gab es noch eine kurze Ansage, in der Makhathini das Publikum im Scherz aufforderte, seine Lieben wissen zu lassen, wo man gerade sei, denn es gebe nun eine Beschwörung und diese dauere halt so lange, bis er etwas spüren würde – das können von ein paar Minuten bis zu ein paar Tage dauern. Ein hingetupfter Ton am Klavier, ein Orgelpunkt vom Bass, ein paar Töne vom Schlagzeug … und aus dem Nichts – der Stille – entstand allmählich etwas, was wie ein völlig freies Gebilde wirkte, das vermutlich über eine knappe Viertelstunde Form annahm, Formen, Morphologien mit Flüssen und Wällen, Schluchten, Hindernissen: Musik mit Furchen. Mit einem letzten wunderschönen sanglichen Thema und einem letzten Cape-Rhythmus beschloss das Trio das Konzert und entliess das Publikum – um ein nachhaltig einpräsames Erlebnis reicher geworden – in die einbrechende Abenddämmerung.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbanicht_vom_forum
lotterlotta…yep, bin montag abend da, hatte zumindest einen platz reserviert! weiß nicht ob ich da noch mal was von höre oder einfach an der abendkasse bezahlen muss…
Bezahlung ist auf jeden Fall an der Abendkasse. Ob es standardmäßig eine Rückmeldung gibt oder was es bedeutet, wenn es keine gibt, weiß ich leider nicht.
danke, mal schauen wann ich in köln ankomme, bin am vorabend in maastricht bei den tindersticks. wollte mir da morgens noch die innenstadt ansehen und nachmittags nach köln. mal schauen wo ich in der nähe ein parkhaus finde…. vielleicht sieht man sich drinnen ja. bin grau ums rote gesicht, schwarze perle im linken ohr und schwarze kleidung, etwas zu klein für mein gewicht….
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Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!Alpentöne 2025 – Sprachen und Stimmen waren das Thema bei der diesjährigen Ausgabe des zweijährlich (alternierend mit der „Stubete am See“ in der Tonhalle Zürich) durchgeführten Festivals, das allerlei Musik aus dem Alpenbogen präsentiert mit neuer Volksmusik als Ausgangspunkt, aber gerne auch mal mit jazzigem Einschlag oder in Richtung Liedermacher/Chanson unterwegs. Es gab da in zahlreiche Projekte mit Leuten, die ich mag und schätze, z.B. mit Mike Westbrook, Gianluigi Trovesi, Wolfgang Puschnig, Pierre Favre usw., und gefühlt alle kreativen Akkordeonist*innen waren mal dort: Bratko Bibic, Guy Klucevsek, Otto Lechner … und natürlich CH-Grössen wie Max Lässer mit seinem Überlandorchester, Corin Curschellas, OM, Hans Hassler (nochmal Akkordeon) oder Ils Fränzlis da Tschlin. Ich hatte mir natürlich den Festivaltag ausgesucht, der etwas Jazz versprach – mit Elina Duni oder Nik Bärtschs Ronin, also Freitag den 15. August. Die Konzerte fanden im Theater Uri statt, mit Ausnahme von Trëi, die in der Kirche St. Martin auftraten.
Kristina Brunner Ensemble „Fahre“ – Kristina Brunner (schwyzerörgeli, cello, comp), Andreas Gabriel (v), Gabriel Miranda (v, vla), Jürg Nietlispach (g, cither), Albin Brun (ts, ss, schwyzerörgeli), Lukas Thöni (tp, flh), Evelyn Brunner (b, schwyzerörgeli), Markus Lauterburg (d), Pedro Lenz (text). Als ich am Freitagmittag in Altdorf angekommen bin, guckte ich erst mal gegen all die Berge … und war froh zu wissen, da ich da auch bald wieder weg kann. Auf dem Dorfplatz spielten die Kellerheims im Trio (Hanna Keller und Alessia Heim an Hackbretten und Curdin Mock am Kontrabass) ein buntes Programm aus Arrangierten Popsongs usw. – das gefiel mir schon mal ganz gut. Am Nachmittag im Theater dann das erst grössere Konzert mit dem Ensemble von Kristina Brunner, die hier mehrheitlich Cello spielte. Da gab es ein paar jazzige Töne, vor allem von Lukas Thöni, der ein paar sehr schöne Soli beisteuerte, und von den beiden Geigern, die sehr unterschiedlich agierten und durchaus auch mal die Musik von Django Reinhardt und Stéphane Grappelli heraufbeschwörten. Insgesamt war das aber fein arrangierte, swingende Instrumentalmusik, von Markus Lauterburg (am Drum-Setup unschwer als Schüler/Kollege von Pierre Favre erkennbar – diese Becken-„Bäume“ sind ein Markenzeichen) und der älteren Schwester am Kontrabass immer passend angetrieben. Pedro Lenz ist ein erfolgreicher Mundartdichter (um nicht zu sagen: der – andere ähnlich erfolgreiche gibt es derzeit nicht) und er rezitierte Texte, die lakonisch waren, ein feines Gespür für Wörter verrieten, einen guten, leisen Humor und einen Schuss Traurigkeit und Melancholie dazu. Kleine Stories oder auch nur Flow-Texte zur Musik – und wenn er mal etwas in Fahrt kam durchaus mit leisen Stiller Has/Endo Anaconda-Vibes. Das Thema „Fahren“ – und die Musik selbst – sorgten dafür, dass die Jenischen, der ein Grossteil der traditionellen Musik der Region zu verdanken ist (und irgendwie auch der grösste Chansonnier des Landes, Stephan Eicher) immer dabei waren. Ein rundum gelungener, wirklich herzerwärmender Einstieg.
Zum Instrument, das noch ein paar Mal kommt: das Schwyzerörgeli ist eine Art kleines Akkordeon, es scheint in Sachen mögliche Tonleitern je nach Bauart etwas begrenzt zu sein, zumindest Kristina Brunner hatte zwei verschiedene Instrumente dabei … aber da kenne ich mich so schlecht aus, dass ich auch das meiste im Wiki-Eintrag nicht nachvollziehen kann.
Elina Duni „Partir“ – Elina Duni – voc, g, p, perc – Dieses Programm hatte ich natürlich schon gehört, auf CD wie auch im Konzert im Moods in Zürich. Dennoch stellte ich mich früh in die Schlange und sass ganz vorn … und war überhaupt nicht darauf vorbereitet, wie gut das ein würde. Es scheint, dass Duni in den letzten Jahren einen weiten Weg gegangen ist. Weg von der Jazzband von früher (mit Colin Vallon) und überhaupt: Sie ist so viel mehr als eine Jazzsängerin. Klar, eine Jazzsängerin kann alles sein, und mehr als Alles gibt es nicht … aber wo wir hier gerade viel Nina Simone hören, dürfte zu verstehen sein, was ich meine. Duni und ihre Stimme lassen sich ebensowenig in Genres packen. Das Programm folgte nicht eins zu eins der CD, die ja auch schon über sieben Jahre alt ist, aber ich vermute das meiste stammte schon von Album. Und klar, mit ihrer Mehrsprachigkeit (Albanisch, Schweizerdeutsch, Französisch, Englisch, Jiddisch usw.) passte das Set zum Festivalmotto. Es bot zudem mit „Willow Weep for Me“ auch einen kleinen Abstecher zum Programm mit Billie Holiday-Songs, das Duni einst mit Jean-Paul Brodbeck am Klavier aufführte – und auch fast a-capella Gesang (mit etwas Glockenpercussion von den Füssen oder Schlägen gegen die Brust). Das alles hatte eine stille Kraft und war wirklich um Welten intensiver als das schon sehr gute Set, das ich 2018 hörte. Dazwischen „passierte“ ja nicht zuletzt Fred Thomas – und eben: eine grosse Weiterentwicklung als Künstlerin, wie mir scheint.
Trëi „One’s for Sorrow, Two’s for Joy“ – Abélia Nordmann (voc, harmonium, shruti box), Gizem Şimşek (voc, psaltery), Mara Miribung (voc, vc) – als nächstes ein paar Häuser weiter ein Konzert in einer Kirche … der passende Ort, aber so ganz ging das Konzept für mich in diesem Fall nicht auf. Ein einstündiges, unterbruchloses Set aus Liedern, teils a cappella (in der Mitte der Kirche zwischen dem Publikum oder im Raum verteilt gesungen, auch mal mit Publikumschor), teils mit sparsamer Begleitung. Dazwischen gab es Einspieler von Frauen, die über Tod und Geburt und Totgeburt erzählten, ihre Erlebnisse und Gefühle offenbarten – alles sehr bewegend, doch wirkte die Musik dann auf mich nicht immer so zwingend, das ergab irgendwie nicht so richtig ein Ganzes – auch weil mir das Material etwas zu bunt gewählt oder nicht wirklich in stimmige Form gebracht schien (mal klang das – passend – nach Tzadik, dann – eher unpassend – eher nach sowas wie The Unthanks). Ich bin dann etwas früher raus, um beim nächsten Konzert wieder einen guten Platz zu haben, schliesslich war es dieses, das mich zur Reise bewegt hatte.
Nik Bärtschs Ronin x Simone Felbers Iheimisch „Wätterglüüt“ – Nik Bärtsch (p, rhodes), Sha (bcl, as), Jeremias Keller (elb), Kaspar Rast (d), Simone Felber (voc), Polina Niederhauser (vc), Rafael Jerjen (b), Kristina Brunner (schwyzerörgeli). Das Zen-Funk-Quartett von Nik Bärtsch trifft auf das Quartett der Sängerin Simone Felber, zu dem mit Rafael Jerjen ein Basler Bassist gehört, den ich aus dem Jazz kenne (z.B. mit Florian Arbenz) und auch hier (wie bei Trëi, vermutlich?) stösst traditionelle Musik bzw. eben neue Volksmusik auf das, was man wohl „new folk“ nennt … aber hier gab es ein dramaturgisch geschickt gestaltetes Set, das eine Geschichte erzählt, einen erfundenen Mythos aus den Bergen, in denen Menschen das Wätterglüüt (-geläute) hören, es befragen, um Rat nach Glück und Geld, Geld und Glück, Liebe, Tod und den üblichen Dingen … eine Art Schauergeschichte, von Felber mal erzählt, dann gesungen oder auch mal gerappt … über die Grooves von Bärtsch, die mit den zwei Bässen und dem Cello sehr dunkel klangen, oft lebendig brodelten, weil sich Niederhauser und besonders Jerjen natürlich nicht an Zen-Funk-Vorgaben hielten, und mit dem Schwyzerörgeli ab und zu eine unerwartete – und wunderbar passende – Solo-Stimme fanden. Ein Durchbrechen der Strenge von Bärtschs Musik, aber ohne dessen Konzept zu zerstören … das war echt super, auch am richtigen Ort auf einer Festivalbühne umgeben von waldigen Felshängen. Zum Konzert im Zürcher Moods im Oktober werde ich nicht gehen, weil ich mir schwer vorstellen kann, dass das an dem Ort und vor dem abgehangen coolen Jazzpublikum das – ich nehme mich zuletzt aus! – immer was zu kritisieren hat. Wie schon das Set von Brunners eigener Band genau die richtige Musik am richtigen Ort zur richtigen Zeit.
Albin Brun Quartett „Pas de quatre“ – Albin Brun (schwyzerörgeli, ss), Patricia Draeger (acc), Claudio Strebel (b), Markus Lauterburg (d) – auf dem Dorfplatz gab es dann von Moira x Otrava noch Musik zwischen Blasmusik und Klezmer, Gipsy Jazz und Balkan. Da hörte ich nur aus der Distanz aus dem offenen Hotelzimmerfenster etwas zu, weil ich noch zum letzten Konzert im Theater wollte … da gab es dann eine langjährige Band mit einer weiteren tollen Akkordeonistin (am grossen Instrument), um den Luzerner Saxophonisten und ebenfalls Schwyzerörgeli-Spieler Albin Brun, der schon lange zwischen Jazz und neuer Volksmusik unterwegs ist und in vielen Projekten und Gruppen anzutreffen ist – auch immer wieder in welchen mit Texten (wie an dem Tag mit Brunner und Lenz, aber auch als Komponist für Theater, Hörspiele usw. u.a. mit Thomas Hürlimann, Franz Hohler, Tim Krohn, Ruedi Häusermann … das Quartett ist seit über 20 Jahren als working band unterwegs, studiert gemeinsam neues Material ein, erprobt dieses bei Auftritten und bringt Aufnahmen heraus (die aktuelle CD nahm ich dann nach dem Konzert gleich mit). Das ist musikantische Musik voller schneller Reaktionen, die Bälle fliegen immer wieder hin und her, auch Strebel und Lauterburg kriegen Raum, während Brun sich hier aufs Sopransax und das kleine Akkordeon beschränkt – wobei die Stücke mit Schywzerörgeli und Akkordeon mir oft am besten gefallen haben. Draeger ist wirklich umwerfend, bei ihr schimmerte immer wieder Musette durch (und Strebel fand den passenden Groove dazu) – überhaupt ist das grundsätzlich Musik im Dreiertakt, die beiden Versprechen im Titel – Tanz und kein Vierer – wurden gehalten, aus den Dreiern werden auch Elfer und anderes, alles mit solcher Lockerheit gespielt, dass das kaum auffällt (das Publikum sass ja, tanzend hätte es das schnell bemerkt, weil fast immer irgendwo was hinkte oder ein Schlag fehlte). Ein stimmiger Abschluss und eine wirklich schöne Erfahrung, dieser ganze Tag – auch schien mir das Publikum ausgesprochen offen und begeisterungsfähig … eben ohne die postmoderne kritische Distanz, die ich ja auch gerne pflege – oder zumindest fallweise gerne hervorkrame – und den ganzen städtischen Zynismus. Eine andere Welt, die nicht die meine ist, aber in der ich mich für einen Tag sehr wohl gefühlt und vor allem richtig tolle Musik gehört habe.
Eine kleine Fussnote zu den Kontrabassist*innen des Tages: Jerjen und Strebel haben bei Heiri Känzig in Luzern studiert, Jerjen ist seit ein paar Jahren dessen Nachfolger … und auch Brunner lernte an der Hochschule Luzern – aber ob auch bei Känzig konnte ich nicht herausfinden … jedenfalls alle sehr toll – schön, dass Känzig das Feuer weitergeben kann, das in ihm noch immer – und hoffentlich noch lange! – lodert.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaVielen Dank für den sehr schönen Bericht über „Alpentöne 2025“! Habe ich gerade mit großem Interesse gelesen.
Da Du kurz auch Liedermacher und Chansonniers erwähnst: Sind dort welche aufgetreten? Und abgesehen davon: Gibt es eventuell Schweizer Newcomerinnen und Newcomer, deren Musik man mal antesten sollte? Auch wenn ich natürlich weiß, dass das jetzt nicht zu 100 Prozent Dein musikalisches Spezialgebiet ist. Aber vielleicht hättest Du ja doch den einen oder anderen Namen für mich auf Lager.
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schnief schnief di schneufStephan Eicher kennst Du ja, der hat die Genregrenzen immer wieder mit Leichtigkeit überschritten … sonst bin ich da wirklich nicht qualifiziert, aber der grosse Hit war dieses Jahr wohl die Feier von Walther Lietha und seiner Musik … und bei den Gästen findest Du weitere prominente Namen (neben Eicher und Sophie Hunger, die man ebensowenig vorstellen braucht, auch Michael von der Heide*, Andrea Caprez** und zwei weitere mir nicht bekannte Namen):
https://alpentoene.ch/programm/walter-lietha-narrenschiff-band-und-gaesten
Newcomer sind das aber gerade alles nicht, soweit ich sie kenne … das ist beim Alpentöne wohl nicht das Forte … neue Ländlerkapellen und so gibt’s zuhauf (die Brunner-Schwestern waren wohl auch schon vor Jahren dort), die sind dann auf den kleinen Bühnen bzw. auf dem Dorfplatz (wo ich das erwähnte Hackbrett-Trio hörte und am Samstag noch ein paar Minuten einer anderen Gruppe lauschte, bevor ich zum Bahnhof ging, um der Enge der Berge wieder zu entfliehen).Die Programme der Jahre 2019, 2021 und 2023 kann man mit Ändern des Jahres in der URL hier:
https://2019.alpentoene.ch/programm
(Eine schlaue Archiv-Seite finde ich auf der Haupt-Website leider nicht.)Das meiste, was im Netz zu finden ist, kann wohl nur aus der Schweiz anschauen (weil’s bei SRF zu finden ist).
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*) früher ab und zu auf der Bühne erlebt, auch mal im Konzert – gehört(e) zur erweiterten Marthaler-Truppe und machte auch mal eine tolle Knef-Hommage…
**) der ist Comiczeichner und war Leadsänger der Band Jellyfish Kiss (da findet man leider fast nur was zu einer gleichnamigen britischen Band), die zwar mit Englischen Texten daherkommt, vom Sound her aber ihre Herkunft offen mit sich herumgetragen hat (mit Schwyzerörgeli und Akkordeon):
Das geht hier aber sehr off topic, gibt sicher irgendwo einen halbwegs passenden CH-Musikfaden …
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaSehr cool. Vielen Dank für die Infos und die vielen Tipps, Flurin! Ich werde mich da mal schlaumachen und in Einiges genauer reinhören / reinschauen.
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schnief schnief di schneufMorgen spielt daoud im Gretchen, Berlin.
Lohnt sich hinzugehen, das Konzert ist klasse.
Jazzfest Berlin 2025 – 30.10. – 02.11.
Höchste Eisenbahn: Schon vieles ausverkauft.
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)….komme gerade vom enjoy-jazz und befürchte schon im dritten von 10 konzerten das highlight erlebt zu haben…
james brandon lewis quartet in der besetzung des letzten albums, wo ich nicht drum rum kam, auch wenn es nicht auf vinyl zu haben ist, musste die cd im anschluss mit. jbl wird immer besser, die besetzung ist ein traum, das material live dargeboten bietet alles was man sich wünscht, von brachial bis sanft poetisch, was mich vor allem für jbl gefreut hat, das es völlig ausverkauft war. hatte ihn im letzten jahr in gent angesprochen ob er es nicht mal einrichten kann beim enjoy jazz aufzutreten, er gab mir seine private email-adresse die ich an rainer kern weitergegeben hatte, in der hoffnung das es evtl. einen gig mit den messthetics geben könnte. das klappte dann in 2024 leider nicht mehr. dafür nun dies konzert, bei denen alle ihren spaß auf der bühne hatten. wenn ich an köln im frühjahr zurück denke, jbl vor 30 leuten mit seinem trio, wo er trotzdem alles gab und das heute mit viel applaus zwischendrin und standing ovation am ende, super, bin völlig geflasht….nun hoffe ich auf nächstes jahr, jbl and the messthetics beim enjoyjazz….ich wär dabei, auch wenn mancher meint, dass es nicht nötig wäre das sie zusammen auftreten, das seh und hör ich völlig anders….
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Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!Christopher Dell DRA – Loft, Köln – 28. Oktober 2025
Christopher Dell (vib), Christian Ramond (b), Felix Astor (d)Ich hab im Urlaub ungeplant zwei sehr unterschiedliche Trios gehört – das erste, weil der Stromausfall in der Philharmonie in Köln auch am zweiten Abend noch nicht behoben war und die Aufführung von Händels „Flavio“ mit Concerto Köln, die ich noch nie live hören konnte, abgesagt wurde. So runtergerockt wie bei diesem Besuch, kam mir Deutschland noch nie vor, aber am Ende sind’s ja doch nur zwei Akteure, die den Eindruck auslösten: die Deutsche Bahn mit drei Stunden Verspätung bei einer vierstündigen Fahrt und die Betreiber des Gebäudekomplexes in Köln, in dem ich auch zur Ausstellung „Fünf Freunde“ gehen wollte, was dann natürlich auch nicht klappte – also quasi das gesamte geplante Köln-Programm futsch … Gerettet hat’s die grossartige Mittelaltersammlung des Wallraf-Richartz-Museums, der Frusteinkauf bei CD Andrä (nachdem ich bei König den Katalog der „Fünf Freunde“ geblättert hatte und mich noch mehr genervt, weil Jasper Johns und Robert Rauschenberg und Cy Twombly halt auf kleinen Fotos echt nicht geht), der Besuch im Loft und nicht zuletzt die Gesellschaft von @nicht_vom_forum sowie @umami (leider nicht mehr aktiv hier). Mit nicht_vom_forum ging’s also ins Loft, wo ich schon lange mal hin wollte – und das Konzert war dann auch ziemlich gut.
Zwei Sets, das Vibraphon nicht eingesteckt (also ohne diesen typischen mäandernden Sound), alles total schnörkellos und irgendwie, so denkt man zunächst, kaum greifbar, fast körperlos trocken, ja spröde. Die drei zählen halblaut mit was man bei dem transparenten Sound der Gruppe und den oft recht zurückhaltenden Drums die meiste Zeit hören konnte: sie zählen auf sieben, auf neun, auf zehn, sie zählen mal gemeinsam, mal jeder für sich – und finden sich immer wieder … und irgendwann merkt man, dass Dells vermutlich seit Jahren (27, um genau zu sein, so lange ist das Trio schon unterwegs) eingeübte Ansage zur „Suche nach der Herkunft des Swings“ (er ist immer da und immer schon weg) eben doch seine Wahrheit hat: Die Musik entwickelt wider alle intuitiven Annahmen einen Sog, zieht einen rein, nimmt einen mit. Im zweiten Set (das Robert Landfermann dann aber nicht mehr anhören mochte, wenn ich das richtig mitgekriegt hab) schalteten die drei noch ein paar Gänge hoch und spielten vermutlich ein paar etwas vertrautere Nummern aus ihrem Katalog (ähnlich wie bei Braxton sind die Stücke schlicht nummeriert, wie ich dank der nach dem Konzert gekauften CD – der jüngsten dort erhältlichen von 2015, wo schon das Stück „153“ zu finden ist, inzwischen sind die 200 also vermutlich längst überschritten) – da wurde teils nicht mal mehr hör-/sichtbar gezählt, die Grooves wurden enger, kantiger. Das Trio einzuordnen fällt mir schwer – im Konzert dachte ich an Monk mit seinen kürzelhaften Themen und ebenfalls schon unregelmässigen Stücken (die halt noch in 4/4 notiert wurden, aber das ginge bei manchen bestimmt anders), auch mal an Dolphy, das Sprunghafte, natürlich „Out to Lunch“ mit Bobby Hutcherson, der einst auch eine Art Blaupause für den nichtmotorisierten, glockenreinen Vibraphon-Sound lieferte). Am Ende war ich jedenfalls mit dem ungeplanten Ersatzprogramm mehr als zufrieden.
Sullivan Fortner Trio – New Morning, Paris – 5. November 2025
Sullivan Fortner (p), Tyrone Allen (b), Kayvon Gordon (d)Ganz anders das ebenfalls erst vor Ort doch noch ins Programm aufgenommen zweite Konzert – mein erster Besuch in einem der noch aktiven legendären Jazzclubs von Paris (die anderen: Duc des Lombards, Sunset/Sunside – ich war da bisher vor 18 Jahren mal im Sept Lézards, das eher auf der Loft-Schiene lief und zwei Monate nach meinem Besuch schliessen musste – immerhin noch mit passender Sprayerei auf dem Bretterverschlag Google Street View, ein paar Monate später, sieht heute bestimmt nicht mehr so aus). Also ins New Morning … ich hing am Handy und fuhr mit der Metro zu weit, war dann erst eine Viertelstunde nach Türöffnung dort und hatte Glück, überhaupt noch einen halbwegs guten Platz zu finden, der Laden war nämlich eine Dreiviertelstunde vor Beginn schon voll (nach Beginn ist auch mit Ticket der Einlass nicht sichergestellt, schreiben sie zumindest, aber der niedrige Raum ist gross und da passen sehr viele Leute rein, die stehen dann halt irgendwo und sehen vermutlich fast gar nichts – ich hab fürs Foto auch mal kurz die Arme hochgestreckt, konnte sonst bloss zwischen den Köpfen hindurch gucken).
Das war nun die völlige Antithese zum Kölner Konzert: eine geradezu körperliche Fülle, Musik von grosser Üppigkeit, zwei ca. einstündige Sets (grosszügig jedenfalls!), alles tief in der Tradition verwurzelt. Neben eigenen Stücken spielte das Trio u.a. Stücke von Freddie Hubbard, Herbie Hancock, Donald Brown („The Early Bird (Gets the Short End of the Stick)“), Merv Griffin (ein Thema aus einer TV-Show), Cedar Walton, Billy Strayhorn („Isfahan“), Gabriel Fauré (das wurde zum Zitate-Fest, ich erkannte nur Chopin mit Sicherheit, es gab aber noch einige andere Stücke, die man wohl in der Klavier-Ausbildung so lernt), ein Stück von Fritz Pauer, eine grandiose Version von „Dos Gardenias“ (und noch so einen Boléro), als Closer des zweiten Sets eine rasende Version von Bud Powells „Oblivion“. Und dann ein kurzes Zugabe-Set, unter anderem mit einem Gospel, den Fortner seiner gerade verstorbenen wichtigsten Förderin widmete, die ihn auch zum Weitermachen anhielt, als alle – inklusive seine Lehrer und Eltern – meinten, er solle das mit dem Klavier doch besser aufgeben. Dass Fortner kein Mann der subtilen Klänge ist, dürfte bekannt sein – seine Stärke liegt in mitreissenden, oft wuchtigen Grooves und einer Rhythmik, die mir allerdings lange etwas zu kurz kam. Die zwei Begleiter folgten ihm blitzschnell überallhin, dass das Konzert der Abschluss einer Tour war (die ausgerechnet am 28. Oktober – ausverkauft, aber mein Gastgeber wäre eh lieber ins Loft, wie ich verstanden habe und ich wollte doch ja auch gerne endlich mal hin – auch in Köln halt gemacht hatte) half bestimmt. Die Kommunikation verlief abgesehen von Mitteilungen über das nächste Stück – die Setlist war nicht im Voraus festgelegt – ohne Worte und offenbarte, wie gut die drei abgestimmt sind. Natürlich kriegen auch Allen und Gordon ihre Solo-Spots, insgesamt blieb das jedoch ein überraschend traditionelles Setting mit einem gut gelaunten Pianisten, der die Fäden in der Hand hielt und einen Jazz-Abend im besten Sinne bot. Als er sich im ersten Set erstmals ans Publikum wandte, meinte er zum Einstieg, es sei „nice to be back at school“ und erklärte dann, dass das New Morning zu den Clubs gehöre, in denen er mit Roy Hargrove einst viele Abende gespielt und dabei sehr viel gelernt hätte. Im zweiten Set gab es auf der rhythmischen Ebene manchmal und zunehmend Spuren von Hip Hop, die konventionelle Anlage der Musik öffnete sich ein wenig – doch mitreissend war das alles, auch wenn ich eine eigene Handschrift bei Fortner erst teils heraushören kann. Live auf jeden Fall eine Überlegung Wert!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: 2022, 2023, 2024, 2025, Jazz, Jazz-Gigs, Jazz-Konzerte, Jazzfestivals, Live
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