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5. april 1973, live in seattle.
was zwischen januar und april passiert ist, ist nicht ganz klar, angeblich gab es studiosessions ohne ergebnisse, ganz sicher gab es aber personelle veränderungen. cedric lawson wurde gefeuert, angeblich (laut miles‘ roadmanager jim rose), weil er minutenlang auf sounds hängeblieb, die wie ein feedback klangen. es müssen halt die richtigen drogen sein. für ihn kommt kurzzeitig lonnie liston smith in die band, der schon gast auf einigen studiosessions war. außerdem ist ein zweiter gitarrist dabei: pete cosey, der ein umfassendes interesse an den klangmöglichkeiten seines instruments hat (ursprünglich war er pianist), in merkwürdigen stimmungen spielt, neue percussion mitbringt (feuerwehrsirenen, verschieden gestimmte daumenklaviere), die er auf der bühne auf einem kleinen tisch drapiert (er spielt durchgehend im sitzen und befolgt miles‘ befehl: „komm nach vorne, sehe schwarz aus und sei laut!“). wie schon erwähnt, war er studiomusiker bei einigen soul- und r&b-aufnahmen, aber auch aacm-mitglied. zu miles kommt er interessanterweise, weil er 1973 gerade bei dessen alten freund gene ammons spielt (cosey macht lange zeit beides parallel). interessanterweise interessiert er sich auch für die sounds einer elektrisch verstärkten sitar (balakrishna wird wohl deswegen bald die band verlassen müssen) und scheint überhaupt für das integrieren der bisher versammelten schrägheiten in einer person engangiert worden zu sein.
der publikumsmitschnitt aus seattle ist alles andere als transparent, aber trotzdem höllisch interessant. ein langsamer vamp über „ife“ wird da aufgebaut, mit gespenstischen orgel- und percussionsounds, bis miles ein schönes, offenes solo spielt und sich der groove allmählich verdichtet. liebman danach ganz großartig, mit einer anderen dramaturgie als garnett und bartz vorher – er ruft keine formeln ab, sondern entwickelt langsam intensität aus dem material und wühlt sich durch die sounds der band hindurch, um sie irgendwann hinter sich zu lassen. smith verfolgt die schrägen orgelsounds weiter, die miles selbst für diese musik entwickelt und dann lawson überlassen hatte. das „ife“-thema ist noch etwas reduzierter, dubbiger geworden.
coseys erstes solo kommt nach 12 minuten mit effekten, die für mich nach einer ziemlich innovativen verbindung von phaser, chorus und flanger klingen, allmählich verzerrter werden und deutlich fernöstliche referenzen haben. lucas spielt dazu eine klassische funk-rhythmus-gitarre, balakrishna verzerrte geräuschakkorde – dann darf cosey mit mtume alleine spielen. eine erste kostprobe kommender attraktionen – sofort ist eine neue präsenz in der band spürbar. miles soliert danach auf den geisterakkorden von smith weiter – plötzlich geht die band in einen swing-modus über, für ein zweites solo von liebman (ein vorgeschmack auf WE WANT MILES, 7 jahre später, nach dem comeback).
nach einem experimentellen, leisen klangfarbenexzess, der in ein duell von mtume und roy mündet, hört man zum ersten mal „zimbabwe“ im live-repertoire. aufgenommen wird das erst auf PANGAEA, aber es ist auch nur ein weiterer minimal-groove mit einem kinderliedhaft-einfachen thema. liebmans solo scheint elektrisch modifiziert zu sein und klingt wie eine violine. liston smith macht erneut sehr viel druck (oder steigt miles auf orgel ein?), aber leider endet der mitschnitt nach 33 minuten auf ziemlich hohem energieniveau (ein weiteres cosey-solo deutet sich an).
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