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Heute fast den ganzen Tag an der Manifesta 11 zugebracht … zwiespältig (wie immer bei mir, wenn es um Kunst der letzten vier, fünf Jahrzehnte geht) aber durchaus lohnenswert. Allerdings kriegt man viel zu vieles nicht mit, weil die Zeit nie reichen wird (die Ausstellungen öffnen alle erst um 11, ich hatte etwa sechs Stunden Zeit, üblicherweise sind die Lokalitäten bis 20 Uhr, einmal die Woche auch länger offen) aber viel mehr schafft man ja auch kaum an einem Tag. Es gibt Tages- und Dreitagestickets (sowie einen Saisonpass, aber die Hälfte der Zeit ist ja um und die Preise eh zu heftig), ein Tagesticket reicht aber gerade mal, um die zwei Hauptstandorte (Helmhaus und Löwenbräukunst) anzuschauen, ich nahm dazwischen bloss drei der sogenannten „Satelliten“ mit (ich hatte an sich einen Plan aufgestellt, der sieben oder acht vorsah, merkte aber schnell, dass das nicht klappen würde). Der erste ist direkt beim Helmhaus in der Wasserkirche (Evgeny Antufiev) zu finden ist (wo ein Gang in die Krypta lohnt – ich muss beschämt eingestehen, dass ich dort noch nie zuvor war, hat mit der Manifesta allerdings nichts zu tun). Ansonsten schaute ich mir den frei nach Buñuels „El angel exterminador“ mit Polizisten der Kantonspolizei gedrehten halbstündigen Film an, den man in der Kaserne zu sehen kriegt (Marco Schmitt) und ging dann zum Abschluss noch zu den balzenden Robotern an der ETH (Marguerite Humeau) – beides sehr toll (der Film allerdings – wie so vieles – nur englisch untertitelt und im Original natürlich Schwyzerdütsch, was nicht mit Emil-Deutsch zu verwechseln ist, wie sich inzwischen wohl auch im grossen Kanton herumgesprochen hat).
Es gäbe diverse lange Filme zu sehen, einstündige, aber auch – im Helmhaus – eine sechzehnstündige Dokumentation eines als dreitägige Gruppen-Sitzung durchgeführten psychologischen Experiments, die für mich zu den spannendsten gesehenen Arbeiten zählte, obwohl ich davon wohl nur 20 Minuten sah (Leigh Ledare).
Kernstandort ist wohl in der Löwenbräukunst, aber ich bin froh, dass ich beim Helmhaus begonnen habe, fand die dort vorgestellten Arbeiten insgesamt interessanter (klar, Sophie Calle kann man längst abgedroschen finden und das Ballett der Wasserwerfer habe ich vermutlich schon einmal anderswo gesehen).
Ansonsten das übliche: der völlige Overkill, ein Mix aus tollen Exponaten und Dingen, die mich überhaupt nicht ansprachen, man schlendert herum, verpasst da und dort was (in die ganzen Galerien, die man im Löwenbräukunst auch noch betreten könnte, bin ich gar nicht erst, die Zeit reichte ja so schon für nichts), dem man wohl mehr Zeit hätte widmen sollen … von den Satelliten sind viele auch in den Haupthäusern (wieder: v.a. im Löwenbräukunst) vertreten, vielleicht versuche ich in den kommenden Wochen noch das eine oder andere in öffentlichen Räumen (wo man hoffentlich ohne überteuertes Ticket reinkommt) anzuschauen, z.B. die im Helmhaus in Auszügen präsentierte Arbeit von Michel Houllebecq und die Sache auf dem Friedhof gleich daneben (von der es im Löwenbräukunst was gab, was mich allerdings wenig ansprach – Jennifer Tee). Und vielleicht schaffe ich es auch noch, bei einer Imbissbude eins der Staatsbankett-Menus zu verspeisen (die Aktion – von John Arnold – gefällt mir auch sehr gut).
Weiteres Gelungenes: „The Zurich Load“ von Mike Bouchet (im Löwenbräukunst, dazu gäb’s noch einen Satelliten im Klärwerk, von wo die Fäkalien herkommen) – mehr dazu z.B. hier:
https://www.theguardian.com/artanddesign/2016/jun/17/manifesta-11-zurich-review-sewage-sculpture-michel-houllebecq
Auch die 8-minütige Installation von Nadashi Shelly (im Helmhaus) gefiel mir sehr gut.
Als gelungene Intervention oder sowas (ich glaube in die Richtung geht der Anspruch der Macher) mag ich das ganze kaum bezeichnen, aber wann schafft es eine Kunstausstellung denn schon, in den städtischen Alltag einzugreifen, diesem da und dort eine andere Richtung zu verpassen? Wenn etwas – wie hier jüngst der Hafenkran (es gibt in der Stadt Zürich jetzt sogar ein Verbot, Hafenkräne aufzustellen, aber das kam erst im Nachhinein durchs Stadtparlament) – eine langwierige, langweilige und zähe Diskussion auslöst, ist das wohl in etwa das höchste der Gefühle.
Christian Jankowskis „Die Jagd“ fand ich so gesehen wohl gelungener als die von ihm kuratierte Manifesta, aber das ist natürlich kein fairer Vergleich.
Den Bericht hier finde ich insgesamt recht passend, jedenfalls lesenwert:
http://www.nzz.ch/feuilleton/manifesta/manifesta-11-eroeffnet-ich-mach-es-fuer-geld-ld.87917
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