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wahr
ibinsNa ganz so schlimm wie geschrieben (Stalinistisch, Geschichtsverfälschung) ist es nun auch wieder nicht. Linval Thompson war schon immer der Produzent und wenn mich nicht alles täuscht, auch als Komponist auf der Original LP geführt. Gemischt wurden die Dubs vom Scientist und das steht auch auf der neuen Reissues so drauf. Vor allem zum Zeitpunkt des Erscheinens war es doch leider so, dass die Artists nicht viel bekamen und das Geld aus dem Verkauf zum Producer wanderte. Vermute, dass es auch hier mal so war, Scientist hat damals Geld von Greensleeves bekommen und das war’s dann. Irgendwann hat sich aber auch in Jamaica die rechtliche Situation ein bisschen gebessert und womöglich ist das der Hintergrund der durchaus unerfreulichen Streitereien. Ehrlich, mir wäre der Originaltitel natürlich auch lieber gewesen. Vor allem im Reggae muss man da aufpassen, wenn du da genau bist, darfst du dir vieles nicht zulegen. Glaubt jemand wirklich, dass Coxsone den Artists Tantiemen bezahlt hat? das waren alles Buyouts, d.h. Geld für Tune erhalten und aus, Rest zum Produzenten. Ist auch heute nicht viel anders, Producer macht Riddim, holt sich Artists und bezahlt sie für die Aufnahme und aus. Da gibt es eine ziemlich coole Geschichte mit Gregory Isaacs. Der hat mal nur einen halben Tune abgeliefert und war dann weg aus dem Studio – war halt so, dass er meinte, die Bezahlung reicht nur für einen halben Tune.
Sehr guter Kommentar. Danke! Danke auch an Friedrich für seine Gedanken zur Platte. Heute ist es allerdings noch nicht mal so, dass Producer Riddim macht, Musiker für Aufnahme bezahlt und raus, sondern: Es werden gar keine Musiker mehr eingeladen. Passiert alles am Computer. Digital Reggae hat vor ca. 33 Jahren alles verändert.
Mit der stalinistischen Geschichtsfälschung spielte ich an die Praxis der UdSSR an, in Ungnade gefallene ehemalige Parteigenossen auf Fotos und damit möglichst auch aus dem Gedächtnis wegzuretuschieren. Das ist sicher ein sehr drastischer Vergleich von mir, aber das mache ich ganz gerne mal.
Die Geschäftspraktiken in jamaikanischen Studios kannte ich nicht. Klingt nach frühkapitalistischen Besitz der Produktionsmittel und musikalischen Proletariat, das nicht anderes zu verkaufen hat, als seine Arbeitskraft.
Sicher hat Linval Thompson einen großen, vielleicht den größten Anteil an den Aufnahmen. Ich erwähnte ja auch, dass die basic tracks, die Scientist dann bearbeitete, auch schon einen sehr reduzierten Sound haben, den Scientist sich zu Nutze macht. Dennoch ist es einfach bescheuert, die ganze Wiederververöffentlichung an Scientists Dubs aufzuhängen, inclusive Cover und Titel, und dann Scientist zwar zugegeben zu nennen, aber eben nur nebenbei in den liner notes und den credits und sein Gesicht auf dem Cover durch das von Linval zu ersetzen. Die Linval-Originale sind okay und eine nette Dreingabe und lassen den Entstehungsprozess der Dubs schön nachvollziehen, aber für sich gesehen rechtfertigen sie imho nicht die Wiederveröffentlichung. Und sind für mich auch nicht der Kaufanreiz gewesen.
Aber davon unbenommen eine sehr gute Platte!
Digital Reggae kenne ich fast gar nicht. Hat die Digitalisierung diesem Genre gut getan?
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)