Antwort auf: Miles Davis

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vorgarten

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7. april 1970. auch wenn die beiden stücke „right off“ und „yesternow“ wieder durch postproduktive maßnahmen maceros entstanden – das material dafür lieferte im wesentlichen eine einzige session (ein anderer materialblock sind die aufnahmen von „willie nelson“, wovon einiges im zweiten stück einmontiert ist – wodurch auch corea, dejohnette, holland und sharrock in dieser musik präsent bleiben). interpreten sehen im veränderten line-up zeitenwechsel und neuorientierung ablesbar, doch scheinen vor allem äußere umstände diese bedingt zu haben. corea und holland nahmen gerade mit barry altschul auf und konnten nicht kommen. also wurde entweder auf tasteninstrumente verzichtet oder – wie beschrieben – der zufällig vorbeischauende hancock kurzerhand für ein solo an die orgel beordert; für holland verpflichtete miles den motown-session-bassisten michael henderson, der von sich aus natürlich das anbot, wozu man holland mehr oder weniger zwingen musste: perfekt und ewig durchgehaltene bass-vamps mit druck, die sich selbst nicht langweilen. jack dejohnette war gerade in tokio (und nahm dort sein leader-debüt auf), also sprang cobham ein, der ja auch vorher schon mal bei miles im wesentlichen triangel gespielt hat…

die ergebnisoffenheit der session ist durch anekdoten belegt. man traf sich am abend zuvor in miles‘ haus, mclaughlin bot ein paar riffs an, die miles wiederum veränderte, man probte ein bisschen und nichts davon wurde am nächsten tag eingespielt. im studio nämlich ergaben sich eben so dinge, dass mclaughlin sich langweilte, vor sich hinspielte, die anderen einstiegen, miles schließlich aus dem studio kam und ein solo darüber legte – stan tonkel hatte längst die aufnahme-taste betätigt. nach einem solchen take wurde das gleiche nochmal gemacht, diesmal für ein grossman-solo oder eben für hancock oder nochmal für mclaughlin. die musik ergibt sich also tatsächlich durch das, was diese „ersatzmannschaft“ anbot – und dadurch veränderte sie sich auch. der abstrakte funk, zu dem dejohnette verdonnert war, wich einem powerhouse rock, wie er cobham liegt. henderson findet dazu ein treibendes, stures bass-riff. mclaughlin ist sowieso total auf dem lifetime-trip. miles und grossman müssen nur noch drüberspielen.

maceros spielerein mit orchesterpassagen, boxer-erzählung und zitat aus „shhh/peaceful“ klebt die lücken zusammen und erzählt wiederum eine black-power-geschichte, die der grundton dieser musik ist (wie ja auch hendrix nicht ohne anti-vietnam-protest erzählt werden kann). es geht um musik, die sich und ihren leuten einen raum freiboxt. und die soli von miles gehören wohl zum strahlendsten und triumphierendsten von allem, was er eingespielt hat.

weitere anekdoten belegen die stiefmütterliche betreuung des albums durch columbia, die viel mehr auf die zusammengeschnittenen live-aufnahmen aus dem fillmore east (juni) setzten, die gleichzeitig herauskamen. JACK JOHNSON blieb erstmal für einige zeit ein nebenwerk, ein soundtrack zu einem obskuren boxer-dokumentarfilm, mit einem cover, das auf die auratische präsenz des leaders verzichtete.

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