Startseite › Foren › Das Radio-Forum › Roots. Mit Wolfgang Doebeling › 17.01.2016 › Re: 17.01.2016
Bowie war in Berlin ein wandelnder Widerspruch. Einerseits wollte er unsichtbar sein, andererseits erkannte man ihn schon aus 50m Entfernung, weil er so ostentativ „incognito“ war, den Mantelkragen hochgeschlagen, den Hut tief ins Gesicht gezogen, den Blick fest aufs Pflaster geheftet. Auch im Plattenladen verbarg er sein Antlitz, aber als er wieder draußen war, wollten alle Kunden wissen: „Was hat Bowie gekauft?“. Und warum war er Stamm- und Stargast ausgerechnet im „Dschungel“, einer schnöden Schicki-Micki-Diskothek mit Türsteher neben dem KaDeWe, wo nur lausige Musik lief, wenn er doch anonymer Privatier sein wollte?
Ins Gespräch kamen wir seinerzeit nie, mir kam seine London-Flucht ohnehin äußerst merkwürdig vor, denn ich versuchte ja, so oft wie möglich nach London zu kommen. Immerhin passierte dort in diesen Jahren (nicht nur) musikalisch unheimlich viel, es war eine verdammt aufregende Zeit. In London. Berlin war dagegen von erschreckender Ereignislosgkeit, Punk passierte hier erst mit erheblicher Verspätung und dann als Travestie. Ich sprach mit Bowie darüber erst im März 1983, in London. Er habe Punk eh nicht viel abgewinnen können, sagte er. Kein Wunder, er hat Punk verpasst, allenfalls aus der Ferne mitbekommen. In Berlin.
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