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die früheste aufnahme, die ich von kikuchi habe, ist teil eines gründungsmoments des japanischen jazz, wenn ich entprechenden blogeinträgen glauben darf. 1963 veranstaltet ein reicher protegé eine session im „ginparis studio“, wo diverse junge männer, die später berühmt werden sollten, beweisen wollten, dass sie jazz spielen können. sie improvisieren endlos über „greensleeves“ und „if i were a bell“ und versuchen gleichzeitig, das bisher gelernte vorzuweisen und es schon in avantgardistischer vorahnung zu dekonstruieren.
der, dessen freigeistigkeit einem dabie sofort anspringt, ist yosuke yamashita; der, der bisher am meisten gelernt hat, ist terumasa hino.
kikuchi improvisiert im trio mit togashi an den drums über „nardis“. leider ist er im mix zu weit hinten, aber was er aus den akkorden macht, ist sehr originell und auch schon entfernt genung von bill evans. das dürfte einige jahre vor seiner zeit in der watanabe-band aufgenommen sein. er stöhnt und krächzt auch hier schon, und wie.
togashi ist hier etwas hyperaktiv, aber sein spiel wirkt ungeheuer komplett und angetrieben. unfassbar, dass er sich 1970 komplett neu definieren musste – was ist da eigentlich genau passiert, was die lähmung verursacht hat (mal liest man von autounfall, woanders von einem messerstich)?
das dürfte eine der ersten aufnahmen sein, die togashi nach dem vorfall gemacht hat. es ist ein zweiter, großartiger, drummer dabei (hiroshi murakami, der von SILVER WORLD), so dass togashi eher perkussiv zum einsatz kommt. zwischen peacock und kikuchi ist das solospiel fast paritätisch aufgeteilt, was auch an der zurückhaltung des pianisten liegt und an der schier unfassbaren variabilität und virtuosität des bassisten (der dazu noch fantastisch klingt). das erste stück, „ishi“, läuft bei mir seit gestern in dauerschleife, es ist unfassbar toll. es fängt mit einer kurzgeschichte von peacock an, die togashi ganz leicht abklappert, dann kommt irgendwann, fast im ausatmen, das themenkürzel und kikuchi steigt ein. murakami macht so großartige früh-paul-motian-fills, bis sie sich am ende alle wieder beruhigen. das ist alles so feinmaschig und swingt dabei wie hölle.
der rest ist offener, bleibt aber durchgängig interessant. egal, was kikuchi macht, peacock ist telepathisch bei ihm und macht dabei noch komplett eigensinnige vignetten. es gibt dabei nur so ganz leichte kompositorische vorgaben (bis auf das zimelich auskomponierte „requiem“), aber die musiker halten deren atmosphäre und spannung die ganze zeit über.
rätselhafterweise funktioniert hier für mich gar nichts, obwohl es die gleichen musiker sind (peacock, kikuchi und togashi) und die aufnahmen nur ein paar monate später gemacht wurden. eine impressionistische suppe, die nirgendwo hingeht, peacock hetzt den ziellosen ausflügen von kikuchi lediglich hinterher, und was togashi hier klappert, macht mich ratlos.
es gibt allerdings, wenn man nicht mehr damit rechnet, eine ganz schöne kleine studie von kikuchi, ganz am ende, solo, nur 30 sekunden lang. man horcht auf, dann ist es schon vorbei.
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