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Als aufmerksamer Leser dieses Threads möchte ich mich nur ungern in laufende Diskussionen einmischen, aber da weite Teile des Forums entweder brachliegen und/oder sich in autistischer Vermeidung von Anschlusskommunikation erschöpfen – „Meine neueste LP“, „Was mich heute ärgert, morgen freut“, „Bryan Adams ist jetzt cool, weil ihn Jeff Lynne produziert“, „Die persönlichen Befindlichkeiten des Mario G.“, „Ringo“ (im Jahre 2015!) -, nun gut.
Die hiesige Kunstdiskussion ist leidig und müßig. Zumal dann, wenn man sie anhand von Beispielen wie „A Day In The Life“ und „I Wanna Be Sedated“ engführen zu müssen meint. Ersterer Track ist selbstredend ein spätes Highlight im Beatles-Repertoire und für mich gar das alleinige auf einer sehr mäßigen LP, ich bin mir allerdings sicher, dass das „Kunstvolle“ daran auch einem produktionstechnischen „Trick“ George Martins zu verdanken ist, der zwei separate und halbe Soloaufnahmen mittels (durchsichtiger) Übergänge zu verbinden vermochte. „I Wanna Be Sedated“ hingegen, und das sage ich keineswegs als Ramones-Fanboy und in Kenntnis der Tatsache, dass es zig bessere Aufnahmen der Band gibt, ist von A bis Z so konzipiert worden, wie es auf der Single erklingt. Simpel? Ja, vermeintlich. Aber auch unmittelbar in der Wirkung, auf Herz und Nieren zielend.
Während die Rezeption des Beatles-Tracks mittlerweile Bibliotheken füllt, erschließt sich mir der Ramones-Track binnen seiner Spieldauer. Ein Indiz für „Kunst“ ist sicherlich, dass zwei Menschen zugleich das selbe betrachten/hören/lesen/schmecken, und dennoch uneins auseinander gehen können, ein anderes jedoch, dass etwas unmittelbar wirkt, einen erfasst und erbeben lässt.
Wenn man beide „Begriffe“ annimmt und nicht stetig gegen einander ausspielt, hat man mehr vom Leben, und von der „Kunst“. Und man erspart sich endlose Wiederholungen der Schulhofdiskussionen aus den späten Sechzigern.
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