Re: Musikbewertung und Diskussionskultur

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motoerwolf

Registriert seit: 25.10.2006

Beiträge: 6,343

Da ich überraschend etwas früher frei bekommen habe und mein Ausflug erst um 16 Uhr beginnt, kann ich jetzt schon ein wenig zu den von mir angekündigten objektiven Kriterien für Kunst schreiben.

Zwar ist der Satz, daß Kunst von Können komme, so allgemein sicherlich unsinnig. Dennoch gibt es Beispiele, die zeigen, daß er nicht komplett verkehrt ist. Nehmen wir die Literatur. Ein Autor muß doch wohl bestimmte grundlegende Dinge beherrschen, um als Künstler gelten zu dürfen. Ohne Grammatik oder einen gewissen Wortschatz wird es mit dem Schreiben einfach nichts. Gleiches gilt für jede andere Kunstform, ohne ein bestimmtes Maß an Können und Wissen entsteht keine Kunst.
Ein gewisses Maß an Originalität sollte vorhanden sein, ganz ohne diese geht es einfach nicht. Sonst wäre ja sogar meine Stereoanlage ein Künstler, da dort doch unzweifelhaft ein Kunst-Produkt herauskommt, wenn ich eine Bach-Platte auflege.
Ein gewisses Maß an Willen muß ebenfalls vorhanden sein. Wenn ich beim Schwitzen zufällig ein Muster erzeuge, in dem man Elvis´Gesicht erkennen kann, mag das den ein oder anderen ästhetisch ansprechen, Kunst ist es nicht.
Das alles sind natürlich sehr niederschwellige Kriterien. Daraus folgt, daß eben tatsächlich auch ein Musikstück von Dieter Bohlen der Kunst zugerechnet werden muß. Ein Wald, mag er noch so schön anzusehen sein, ist dagegen keine Kunst. Denn Ästhetik ist ausdrücklich kein objektives Kriterium für Kunst.

Objektive Kriterien, nach denen sich dann der Wert eines bestimmten Kunstwerkes im Verhältnis zu einem anderen bestimmen läßt, sind sicher deutlich schwieriger zu definieren. Vielleicht kann man dabei zu betrachten versuchen, wie gut ein Kunstwerk seinen jeweiligen Zweck erfüllt. So ist das Ziel, daß Scooter mit ihrer Musik verfolgen, sicher ein anderes als das eines Bach. Beide scheinen jedoch offensichtlich ihr Ziel zu erreichen.
Andere Musikschaffende erreichen ihre Ziele dagegen nicht. Wenn es z.B. nicht das erklärte Ziel der Grup Tekkan war, durch totale Selbstdemontage die Warholschen 15 Minuten Ruhm zu bekommen, kann man die Jungs nur als gescheitert betrachten. Denn als Liebeslied geht ihr Song nicht durch, nicht einmal als Parodie darauf. Und wenn es tatsächlich nur um einen kurzen Schritt ins Scheinwerferlicht gegangen sein sollte, wird aus dem Song noch immer keine Kunst, obwohl er als Mittel funktioniert hat. Denn in diesem Falle lag die Kunst ja nicht im Songwriting bzw. dessen Umsetzung, da es um Musik ja eigentlich gar nicht gegangen wäre, sondern im Bedienen der Marketingmaschine.

Just my 2 cents. Und das in aller Kürze, denn nun muß ich doch gleich weg bzw. noch etwas vorbereiten ;-)

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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame