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motörwolfWenn choosefruit also der aktuellen Musik ihren Kunstgehalt abspricht, tut er nichts anderes als er hier. Er fällt ein absolutes Wert-Urteil aufgrund von persönlichen Vorlieben, ohne auch nur ansatzweise ernsthaft zu versuchen, aktuelle Kunst zu verstehen.
Besonders seltsam werden diese Aussagen zu Kunst und akueller Musik immer dann, wenn sie damit einhergehen, nicht über den Pop-/Rock-Tellerrand zu schauen. Es ist ja nicht so, als gäbe es zwischen Autechre und John Zorn (auch wenn beide nicht unbedingt neu sind) nicht eine Unmenge an Musikern, deren Werk davon geprägt ist, eine eigene künstlerische Handschrift zu entwickeln und von dem Versuch, sich und den Kunstbegriff permanent weiterzuentwickeln.
In der Rückschau zu sagen, was große Kunst war, ist tatsächlich billig und leicht, denn auch hier hat E.Z. völlig Recht, wenn er darauf verweist, daß z.B. die Musik der Beatles bereits so ausführlich besprochen wurde, daß es keiner eigenen geistigen Anstrengung mehr bedarf, die Kunst darin zu erkennen. Dazu reicht es heute, ein wenig zu lesen.
Ich denke, umgekehrt wird ein Schuh draus. „Große Kunst“ ist „groß“, weil sie so viel besprochen wurde bzw. so viele Ansätze zur Diskussion liefert (einschließlich der Werke anderer Künstler, die darauf Bezug nehmen). Wenn ein Kunstwerk das nicht tut, bleibt es eben ggf. einfach „sehr gut“. Somit wäre „groß“ und „aktuell“ in einem gewissen Sinn ein Widerspruch in sich.
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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick