Re: Musikbewertung und Diskussionskultur

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go1
Gang of One

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nail75Ich empfinde dieses Jahr als weitaus besser als das letzte, fast bin ich geneigt zu sagen als die letzten Jahre. Sufjan Stevens, Kendrick Lamar, Steven Wilson und The Unthanks haben wirklich tolle Alben in sehr unterschiedlichen Genres veröffentlicht, dazu kommen zahlreiche sehr gute Veröffentlichungen weiterer Künstler. Letztes Jahr musste ich schon sehr mit einer Top 10 kämpfen, das wird dieses Jahr anders.

Drei der genannten Alben finde ich auch großartig (Steven Wilson habe ich nicht gehört, vermute aber, dass das wohl nichts für mich ist). Was hältst Du denn von Marika Hackman, Laura Marling, James McMurtry und Jim O’Rourke?

Jan LustigerSorry, aber das ist ja wohl seit langem der schlechteste Witz, den ich hier gelesen habe. Du erzählst etwas von künstlerischer Bedeutsamkeit, von Bands, die „nach etwas Großem“ klingen, legst also riesige Maßstäbe an, und meinst dann ernsthaft, der flüchtige Konsum von zwei YouTube-Clips könne dem in irgendeiner Weise gerecht werden? Du bemängelst die vermeintliche Oberflächlichkeit der heutigen Musikwelt und beweist sie dir, indem du auf die tatsächliche Oberflächlichkeit der heutigen Musikwelt zurückgreifst: den flüchtigen Online-Musik-Konsum, nur um schnell eine Meinung zu etwas zu haben.

Gut auf den Punkt gebracht. Wer mit „künstlerischer Bedeutsamkeit“, also einem Kunstideal argumentieren will, muss sich schon die Mühe machen und sich aufmerksam die Alben anhören. Wenn einem das zu viel Aufwand ist, soll man eben mit kleinerem Kaliber schießen. „Gefällt mir nicht“ ist etwas anderes als „ist keine Kunst/ hat keinen künstlerischen Wert“ und das Reinhören in einen YouTube-Stream ist nicht dasselbe wie Kunstrezeption oder Auseinandersetzung.

Jan LustigerJumpers ist einer meiner absoluten Lieblingstracks, vielleicht sogar mein liebster Rock-Track überhaupt. Der Aufbau ist großartig, die Melancholie der Strophen geht so wunderbar in den Refrain über, wo aus Introvertiertheit ein innerer Kampf wird. Die Teenager-Suizid-Thematik ist nahegehend herausgearbeitet, im Zusammenhang mit den ständigen Stimmungswechseln finde ich das geradezu aufwühlend. Auf die ekstatische Bridge folgt plötzliche Ruhe, dann die Niederlage im inneren Kampf vor dem Schluss, den Sprung von der Golden Gate Bridge. Während der letzten Zeilen hatte ich schon mehrmals feuchte Augen: „My falling shade will draw a line / between the blue of sea and sky / I’m not a bird, I’m not a plane / I took a taxi to the gate / I will not go to school again / Four seconds was the longest wait“.

Gut beschrieben. Ein ganz großer Track!

KrautathausLies mal nach, was Retro bedeutet. Jedenfalls ist es nicht Retro, wenn eine Band seit Gründung (Sleater-Kinney vor 21 Jahren) ihren eigenen Stil pflegt. Denn dann wäre alles Retro.

Ja, No Cities to Love klingt eben immer noch nach Sleater-Kinney. Es wiederholt aber keines der früheren Alben, sondern ist eine neue, frische und energiegeladene Variante von Sleater-Kinney-Musik. (Ich hätte übrigens gedacht, dass mittlerweile jeder hier im Forum von der Band gehört hat. Die drei sind ja schon in den 90ern aus ihrer Szene herausgewachsen und von Greil Marcus bis Robert Christgau haben viele über die Band geschrieben.)

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To Hell with Poverty