Re: Stanley Kubrick

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bullitt

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Originally posted by Artaxerxes@17 Apr 2004, 14:04
Ich finde gar nicht, dass das ein Problem ist, sondern ein wichtiges Element. Denn eines der Dinge, welche Kubrick zeigen wollte, war ja dass sich im Prinzip gar nichts geändert hat. Der Fortschrittsglauben in der Wissenschaft, Gesellschaft, aber auch in der Moral ist eben nur ein Tugbild. Eine Maske, die wir uns selbst auferlegen, um uns von unserer eigentlichen Wiklichkeit abzulenken.

Außerdem sieht ja die Stadt in Eyes Wide Sut gar nicht so aus, wie heutzutage , sonden eben eher wie die Zeit, in welcher die Taumnovelle spielt. Die Geschichte könnte in jeder Zeitperiode spielen; im Prinzip ist es egal. Man muss sich halt auch bewusst werden, dass der Film weit über die Vorlage von Schnitzler hinausgeht.

Zu Cruise. Sicherlich hat er in diesem Film oft keine Ahnung was er machen soll; und sein Grinsen nervt wie eh und je. Aber ich denke, gerade das passt hier sehr gut. Ich hätte mir Eyes Wide Shut in keinster Weise besser vorstellen können.

Sehe ich etwas anders. Wenn es wirklich Kubricks Intension gewesen sein sollte zu zeigen, dass es keine gesellschaftliche Weiterentwicklung seit Beginn des letzten Jahrhunderts gegeben hat, wäre das einfach falsch und ich glaube auch nicht, dass er beabsichtigte eine utopische, zeitlose Stadt zu entwerfen, in der die Geschichte spielt. Kubrick hat ganz sicher bewusst versucht die Romanvorlage in die Gegenwart zu übertragen. Viele Indizien wie vorkommende Handys, Aidstests und die G-String Höschen der Damen in der Orgiensequenz beweisen das und lassen die teilweise 1 : 1 übernommenen Dialoge der Traumnovelle irgendwie paradox und veraltet wirken.
Das die Stadt nicht wirkt wie das New York der 90er lag wohl eher daran, dass Kubrick versucht hat sie im Londoner Studio nachzubauen und wohl selbst sei einiger Jahrzehnten selbst nicht mehr dort war.
Es gibt eine interessante Ausgabe von Schnitzlers Traumnovelle kombiniert mit dem Drehbuch zu Eyes Wide Shut. Dort werden einige Probleme sehr offensichtlich und es wird auch deutlich, dass EWS nicht wirklich über die Vorlage hinausgeht. Ganz im Gegenteil, oft läuft Kubrick der Vorlage einfach blind hinterher. Zu Cruise wurde ja schon viel gesagt. Ich finde auch, man nimmt ihm den Psychotrip einfach nicht ab. Die Traumnovelle ist die einzige Romanvorlage eines Kubrick Films die ich kenne und daran gemessen würde ich den Film zunächst auch mal als gescheitert bezeichnen. Nichts desto Trotz mag ich ihn, aus anderen Gründen, ganz gerne und wie gesagt, mit einem zeitlichen Abstand wird´s ein ebenbürtiger Kubrick Klassiker werden ;)

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