Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › Die besten Filme › Stanley Kubrick › Re: Stanley Kubrick
Originally posted by DR.Nihil@19 Apr 2004, 23:24
Genau. Das sind die beiden Szenen oder Abschnitte, die man dem, was ich oben sagte, entgegenhalten kann. Doch man muss sehen, dass diese am Anfang und am Ende des Films stehen. Sowohl am Anfang als auch am Ende erleben wir Barry als Menschen – dazwischen kaum. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen diesem Anfang und diesem Ende. Am Anfang, als Barry um seine frühe Liebe kämpft, ist er – das Verb hat es schon gesagt – jemand, der noch kämpft. Scheinbar wird er aus dieser ersten Enttäuschung auch zu dem, was er dann für die meiste Zeit des Films ist. Am Ende dann der zweite menschliche Moment: Barry ist da längst am Ende, er hat versagt, verloren. Es mag wie der finale Schuss von Joker am Schluss von „Full Metal Jacket“ das große menschliche Moment sein, eine Handlung aus Mitleid heraus, aber vielmehr als das, ist es, meines Erachtens, Barry armselige Aufgabe. Nicht viel mehr als Resgination. Vielleicht sogar ein resignierendes Verstehen. Insofern scheinen die beiden von dir erwähnten Teile des Films erschreckend desillusionierend gegenüber gesetzt worden.
Freiheit steht vermutlich am Anfang des Films, am Ende des Films (nicht nur auf die Person Barry Lyndon bezogen) ist nichts mehr, was den Ausdruck „Freiheit“ verdient hat. Barry ist das Gegenteil von Braveheart-Gibson.
Du hast natürlich recht damit, dass der Mensch oder die Rolle, die hinter diesen beiden essentiellen Szenen steht, eine ganz andere ist.
Aber würde er nicht, indem er Lord Bullington beseitigte, das erreichen, was er seit dieser tragischen, entromantisierenden Erkenntnis zu Beginn des Films, immer angestrebt hatte ? Das Geld und Gut seiner Frau würde an ihn gehen, im Falle ihres Todes. Er hätte es gesellschaftlich geschafft ( wohl stellt sich aber dann die Frage, ob er dann zufrieden gewesen wäre ). Aber die gesellschaftliche Zwänge sind ihm in jenen Moment egal, vielleicht aufgrund des Verlustes den er hatte ( sein Sohn, neben der ersten Liebe auch die einzige Person die Lyndons menschliche Seite zeigt ). Aber wohl auch, dass er gar keinen Sinn mehr im gesellschaftlichen Aufstieg sieht. Einerseits ist es Resignation, andererseits ein Zeichen von Menschlichkeit/Freiheit im Gegensatz zu seiner gesellschaftlichen und unfreien Rolle.
Eine Braveheartsche Freiheit, wie du schreibts, ist ja nur eine Illusion. In Barry Lyndon ist es ein Aufbäumen aber letztendlich ein Untergehen von Freiheit. Es verdient deswegen nicht den Ausdruck von Freiheit, weil er zuletzt in allen Belangen scheitert. Ein Blick konnte man aber dennoch werfen auf den freien Menschen Lyndon hinter seiner Rolle Lyndon. Er hat nämlich emotional, menschlich, aber eben nicht unfrei gehandelt.
Denn im Prinzip hätte er seinen verstorbenen Sohn einfach vergessen und danach eine angesehene gesellschaftliche Laufbahn antreten können. Vielleicht stellt sich aber dann die Frage, ob er neben den gesellschaftlichen Zwängen eben auch den emotionalen Zwängen unterliegt. In dem Sinne hätte er niemals wirklich frei sein können.
--