Re: Norman Granz, Jazz at the Philharmonic, Clef Records, Norgran Records, Verve Records

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Richard Havers[Norman] Granz was unique in the [music] business for his sense of justice, fairness and equality and he had a true passion for the music, that had become known as jazz not long before he was born.

Norman Granz kam 1918 in Los Angeles zur Welt, Sohn russischer Juden, die in die USA migriert waren und sich da kennengelernt hatten. Die ersten Jahre verbrachte Granz in einem gemischten Viertel, die erste Sprache, die er lernte, war Jiddisch. Englisch lernte er erst, als er in die Schule kam. Die Familie zog nach Long Beach, der Vater leitete einen Kleiderladen. Dort sah Granz erstmals sichtbare Zeichen des „Rassen“-Konflikts – der Ku Klux Klan paradierte durch die Strassen der Stadt. 1932 zog die Familie – nachdem der Laden, in dem der Vater arbeitete wegen der Wirtschaftskrise geschlossen wurde – nach Los Angeles zurück. Granz kam in die Theodore Roosevelt High School in Boyle Heights. Zu seinen Mitschülern zählten Herb Klein, der später für Nixon arbeitete, und Archie Green (egentlich Greenstein), auch er Sohn russischer Einwanderer und einer, der nachhaltig an Granz‘ Politisierung mitwirkte.

Richard HaversWith what he observed growing up and his increasing interest in politics, Granz was acutely aware of the prejudice that existed in every level of society. What he saw as a teenager and what he learnt as a student and from his friend Archie Green, stayed with Granz for the remainder of his life. It shaped him, helped him make him who he was and, more importantly, who he wanted to become.

Im Radio hörte Granz Coleman Hawkins‘ Aufnahme von „Body and Soul“, und wie er später sagte: „I Heard ‚Body and Soul‘! That introduced me to the real jazz.“ (zit. nach Havers). Amerika war damals gespalten, Weisse und Schwarze besuchten unterschiedliche Konzerte, hörten verschiedende Bands, es gab unterschiedliche Unterhaltungshows etc. In Los Angeles war die Central Avenue das Pendant zur 52nd Street von New York. Hierhin gingen die Afro-Amerikaner zur Unterhaltung, hier lagen die Clubs, die auch Granz frequentierte. Im Radio hörte er Übertragungen aus dem Panther Room in Chicago oder dem Lincoln Hotel und dem Roseland Ballrom aus New York (es gibt von da z.B. Mitschnitte der Big Band von Count Basie aus genau dieser Zeit, Ende der Dreissigerjahre).

Für die Weissen war das Palladium am Sunset Boulevard der wichtigste Unterhaltungstempel. Hier spielten die grossen Swing Bands, aber auch jüngere Bandleader wie Stan Kenton traten auf. Die Tanzfläche war über 1100 Quadratmeter gross und bot Platz für 6000 Tänzer, weitere Tausend konnten darum herum bequem dinieren. Es wurde am 31. Otkboer 1940 eröffnet, Tommy Dorsey spielte und Dorothy Lamour half ihm dabei, das Band zu zerschneiden. Draussen standen Leute, die nicht mehr reingelassen werden konnten und schauten, wie mary Astor, Claude Rains, Ida Lupino und andere ankamen. Drinnen sang Frank Sinatra mit Dorsey. Granz war ein grosser Fan von Sinatra. Zwei Jahre lang studierte Granz an der UCLA, doch im Frühsommer 1941 verliess er die Universität ohne Abschluss. Er meldete sich im Sommer als Freiwilliger für das Army Air Corps, arbeitete im Herbst dann als Film-Cutter. Granz sah in dieser Zeit „Jump for Joy“, das Musical, das Ellington komponiert hatte. Auch in dieser Zeit sah er erstmals eine Frau, die für seine weitere Karriere zentral werden sollte: Ella Fitzgerald. Damals hinterliess sie jedoch bei ihm keinen bleibenden Eindruck.

Ein Musiker, der ihn beeindruckte, war hingegen Lester Young, der in der gemeinsamen Band mit seinem Bruder Lee in einem Nachtclub namens Capri auftrat. Granz freundete sich auch mit Nat „King“ Cole an und traf durch diesen Count Basie und Art Tatum. Marie Bryant, die in „Jump for Joy“ tanzte, wurde seine Freundin. Duke Ellington hielt sie, die ihre Karriere 1933 mit Louis Armstrong begann, immerhin für „one of the world’s greatest dancers“. Später arbeitete sie als Tanzlehrerin – u.a. mit Marlon Brando, Debbie Reynolds, Lucille Ball, Bob Hope, Cyd Charisse, Mitzi Gaynor und Ava Gardner. Ebenfalls 1941 hörte Granz erstmals Duke Ellington, Billie Holiday, Roy Eldridge (der in Gene Krupas Band mit Anita O’Day spielte). Sie alle spielten später eine wichtige Rolle in Granz‘ Leben.

Granz fiel beim Flugtest durch und schied Anfang 1942 aus der Army aus. Er nahm umgehend den Bus nach New York und ging an die 52nd Street. Mehrere Monate Aufenthalt ermöglichte er sich durch temporäre Jobs an der Wall Street (er hatte schon in LA an der Börse gejobbt, bevor er sich an der UCLA einschrieb). Er hing öfter mit Roy Eldridge herum, der einer seiner besten Freunde werden sollte. Granz lernte auch Johnny Hodges kennen, den Saxophonisten aus Ellingtons Band, und er machte einen Abstecher nach Boston, wo Marie Bryant mit „Jump for Joy“ auftrat.

Ein paar Monate später war er zurück in Los Angeles, die Beziehung mit Bryant wurde ernster, es war die Rede von Heirat, doch Granz wurde mit den Problemen und Widerständen konfrontiert, die das damalige Amerika auch nur der Aussicht auf eine solche Ehe entgegenbrachte. 1942 organisierte er Jam Sessions in Clubs, u.a. dem Fairfax von Billy Berg. Eins der Probleme bestand darin, sowohl mit der weissen wie der schwarzen Gewerkschaft Abmachungen zu erstellen. Als das gelang, wurden die Sessions mit der Band von Lee und Lester Young sowie dem Nat King Cole Trio zu einem grossen Erfolg – Berg und Granz verdienten sogar Geld damit. Der erste Schritt von Granz, dem Impresario, war getan. Viele der Musiker, die hier auftraten, sollten später für Granz‘ Label Clef, Norgran und Verve aufnehmen.

Granz wurde kurz nach der ersten Jam Session ins Studio eingeladen und erlebte die Lester Young-Session (mit Nat Cole und Red Callender, nicht Lee Young, wie Havers auf S. 63 schreibt), in der „Indiana“, „Body and Soul“, „I Can’t Get Started“ und „Tea for Two“ eingespielt wurden (erschienen auf Aladdin – Granz nahm später eine weitere Trio-Session mit Young, Cole und Buddy Rich auf). Im August 1942 wurde Granz in die Armee eingzogen. Bis zu seiner Entlassung aus medizinischen Gründen im Frühling 1943 gab es einen Unterbruch, was die Musik betrifft.

Granz‘ Ansichten wurden in dieser Zeit immer klarer und militanter. Die Bürgerrechtsbewegung wurde zu einem seiner zentralen Anliegen. Er veranstaltete wieder Jam Sessions mit Nat Coles Trio sowie Musikern wie Jo Jones, Buddy Tate, Harry „Sweets“ Edison oder Red Callender. Cole wurde wenig später von Capitol unter Vetrag genommen, einem noch jungen Label aus Los Angeles. Schon im Dezember 1943 landete er mit „All for You“ einen ersten Hit. Granz‘ Jam Sessions wurden immer erfolgreicher und die Bosse der weiterhin nach Hautfarbe getrennten Gewerkschaften wurden aufmerksam. 1944 war das grosse Big Band-Sterben im Gange. Granz veranstaltete im Music Town, einem kleinen Saal für ca. 200 Leute, erstmals Jam Sessions ausserhalb dem Rahmen der Clubs. Illinois Jacquet, Nat Cole, Barney Kessel und J.C. Heard gehörten zu den Musikern beim ersten Konzert. Er bezahlte die Musiker, wie es bei Studio-Sessions üblich war: 11 $ für 3 Stunden – und verlor dabei Geld, obwohl das Publik einen Dollar Eintritt bezahlen musste.

Am 2. Juli 1944 veranstaltete Granz erstmals ein Jazzkonzert in einem grossen Saal, dem Philharmonic Auditorium, in dem normalerweise symphonische Konzerte stattfanden (es war 1906 als Temple Auditorium mit einer Aufführung der „Aida“ eröffnet worden und wurde 1920, als das Los Angeles Philharmonic Orchestra es zu seinem Heim machte, zum Philharmonic Auditorium). Beim Konzert von Granz, so schreib down beat, „kids went wild over screaming high notes produced by Illinois Jacquet’s tenor sax. They squirmed with glee as guitarist Les Paul produced novelty sound effects“ (zit. nach Havers).

Das Konzert wurde als Benefit für The Sleepy Lagoon Defence League veranstaltet, eine Organisation zur Unterstützung von als angebliche Gang-Mitglieder im Rahmen der „Zoot Suit Riots“ von 1943 Festgenommenen. Das führte zu viel Medien-Aufmerksamkeit. Und in der Tat, es wurde auch mehr über Politisches – und über das Verhalten der Fans – berichtet denn über die Musik. Ende des Monats veranstaltete Granz ein zweites Konzert – und Jazz at the Philharmonic war in Fahrt. Begonnen hatte Granz mit einem Darlehen von 300 $.

Die Idee, Jazzkonzerte in einem grossen Saal durchzuführen, war nicht Granz‘ Erfindung. 1938 gab es bereits das erste „Spirituals to Swing“-Konzert in der Carnegie Hall in New York. Doch war das ein spezieller Event (der ein Jahr später nochmal wiederholt wurde), der – wegen der gemeinsamen Auftritte von weissen und schwarzen Musikern dennoch mit Sicherheit eine Inspiration für Granz war. Man muss sich da vor Augen halten, dass „integrierte“ Bands noch sehr selten waren. Benny Goodmans Trio mit Teddy Wilson und Gene Krupa, dann Quartett mit Lionel Hampton, war eine grosse Ausnahme unter den high profile-Bands jener Zeit (egal, was Goodman für ein verkorkster Typ war, das war etwas, was er richtig gemacht hat!).

Kaum waren die beiden Konzerte vorbei, stürzte Granz sich ins nächste Abenteuer. Der armenischstämmige Photograph Gjon Mili hatte das Interesse von Hollywood geweckt und von Warner Brothers einen Freipass erhalten: er konnte einen Film machen, worüber er wollte. Mili war an den Jazz at the Philharmonic-Konzerten dabei und Granz arbeitete mit ihm am Film – Jammin‘ the Blues u.a. mit Lester Young und Illinois Jacquet, Harry „Sweets“ Edison, Jo Jones, Red Callender und Sid Catlett war das Resultat, im Dezember 1944 veröffentlicht.

Bevor das Jahr um war, fanden im Philharmonic Auditorium zwei weitere Konzerte statt, 1945 ging es weiter, bis im Januar 1946 das letzte der Konzerte stieg in der Halle, die der Reihe den Namen gab. Das Establishment mochte die wilden Fans nicht länger in seiner heiligen Halle tolerieren, aber auch von Seiten der Jazz-Crowd gab es Widerstände: Was erlaubte sich dieser grüne Junge, der keine Ahnung hatte, da überhaupt, Jazz in einem diesem fremden Rahmen zu präsentieren?

Granz foutierte sich nicht darum. Auch eine andere Grenze riss er von Beginn an nieder, jene zwischen altem und modernem Jazz. Er brachte stets Leute zusammen, die nicht zusammenzupassen schienen, Traditionalisten, Swingmusiker und Bebopper. Nach einer ersten Tour im Herbst 1945 stieg im Frühling 1946 eine grössere, an der auch Charlie Parker teilnehmen sollte, der auch schon im Philharmonic Auditorium aufgetreten war. Auch dabei waren Billie Holiday, Lester Young, Coleman Hawkins, Buddy Rich, Sarah Vaughan und – von Seiten der Traditionalisten – Meade Lux Lewis, der Stride-Pianist, der es wenige Jahre zuvor an der Ostküste auch Alfred Lion, dem Produzenten von Blue Note Records, angetan hatte.

JATP gewann auch dadurch an Profil, dass Granz dafür zu Sorgen begann, dass die Konzerte im Radio ausgestrahlt wurden. Zentral für den Erfolg war Granz‘ Promotions-Strategie. Er bereitete alles vor, überliess nichts dem Zufall: Werbung wurde im Radio und in der Presse geschaltet, mancherorts Werbetafeln aufgestellt, Medienmitteilungen herausgegeben. Er beschränkte die Konzerte später auf Donnerstag bis Sonntag, damit die Musiker von Montag bis Mittwoch in lokalen Plattenläden Autogrammstunden veranstalten konnten. So konnten auch längere Strecken absolviert werden, ohne dass die Musiker völlig ausgepumpt waren. Granz wurde so zum Pionier des modernen Tourlebens.

In seinen Verträgen schrieb Granz fest, dass er Rassentrennung nicht akzeptieren würde. Das führte gerade im Süden dazu, dass manche Veranstalter nicht bereit waren, JATP auftreten zu lassen. Anderswo wurden für Granz‘ Konzerte die Schilder entfernt: „white toilets“, „negro toilets“. Granz zückte auch schon mal einen 100-Dollar-Schein, um einen Veranstalter zu überzeugen. Das Risiko blieb jedoch ziemlich gross, Unwägbarkeiten und rassistische Störmanöver von Polizisten konnten schnell zu einer finanziellen Belastung werden.

Norman GranzI have the only musical organization in the business with a nondiscrimination clause in its contracts, which means we never play where there is segregated seating or dancing. I’ve lost more than a hundred thousand dollars in bookings because I am actively concerned with promoting civil rights of minorities
(aus: „Interview with Norman Granz by Nat Hentoff“, aus dem Booklet von „The Complete Jazz at the Philharmonic on Verve 1944-1949“, 10 CD, PolyGram, 1998)

Ein weiteres Problem waren die Hotels – und Granz buchte nur die besten Häuser am Platz. Die meist erfolgreiche Taktik bestand darin, stets im Voraus zu buchen und zu bezahlen. Wenn sich bei der Ankunft der Musiker jemand querstellen wollte, wedelte Granz mit dem Vertrag herum und drohte mit rechtlichen Schritten.

Um das ganze Unterfangen finanziell abszusichern, sorgte Granz schon früh dafür, dass die Konzerte aufgenommen wurden. Dass das erste Konzert aufgenommen wurde, war hingegen eher ein Zufall. 1944 gab niemand so viele Platten heraus wie das Pentagon. Die Army Special Services hatten die Möglichkeit, jedes Konzert, jede Probe, jede Radio-Übertragung aufzuzeichnen und was immer sie wollten für den Armed Forces Special Services herauszugeben, das Netzwerk zu Unterstützung der Truppenmoral. So sorgte der DJ Jimmy Lyons dafür, dass Granz‘ Konzert aufgezeichnet wurde und sandte diesem dann ein Exemplar der Aufnahmen.

Je öfter Granz Aufnahmen seiner Konzerte anhörte, desto sicherer wurde sein Entschluss:

Granz recalled:

„That’s when I got the idea of putting it out. I thought of it not as a recording session but as a documentary of an event as it happened with no doctoring. I wanted to capture the spontaneity of a jam session on record. When I heard those discs, I realized you could never get that in a studio where you get a controlled performance. So I went to New York and saw Manie Sachs [at Columbia Records], who was the guru of the business then. I told him I had something very unusual and that I thought he would want to put it out.“

Eine erste Veröffentlichung folgte auf dem Label von Moe Asch – es handelte sich dabei un einen Mitschnitt vom 12. Februar 1945, „Lady Be Good“ und „How High the Moon“ u.a. mit Willie Smith, Howard McGhee, Charlie Ventura und Illinois Jacquet. Granz verdiente durch den Deal mit Asch einen ordentlichen Batzen Geld und begann auch damit, als Freelancer im Studio einzelne Sessions zu beaufsichtigen. Die Fortsetzung des Zitats oben:

Granz played the July transcriptions. Sachs’s face soon soured.

„He listened and said no. He complained that there were a lot of mistakes, crowd noises, and musicians shouting. ‚That’s not the kind of recording quality we want to put out,‘ he said. So I tried to tell him, ‚But you don’t understand. That’s the reason why you should put it out. You wouldn’t retouch a documentary photo.‘ But to him it was all clinkers and crowd noises. When I tried to pedal it at Decca and RCA, they wouldn’t even think of putting it out. I pretty much gave up at that point.

Then I went to see Moe Asch with an idea I had for an Ella Logan album. He was into folk music and didn’t think his label [Disc Records] was ready for her. But he asked me what else I had. So I showed him the JATP stuff, never thinking he’d want it. After I played him some [of it], he completely surprised me and asked if I was interested in putting that out. ‚Of course,‘ I said. That’s how it happened.“

[…]

The original 1944 concert recordings (which included „Bugle Call Rag“ [disc two, track 2], […]) would not reach the market for three years. But Granz continued recording at the Philharmonic. […]

By 1945 the concerts had become nearly monthly events. One of them, on February 12, 1945, yielded strong recordings of „How High the Moon?“ and „Oh, Lady, Be Good!“ with Gene Krupa. These were the two that Asch decided to release as Jazz at the Philharmonice Volume 1. „[It] represents a trend that jazz is likely to take in the years ahead,“ Granz decreed in a prophetic liner note, „when instead of small, dimly lit nightclubs containing seventeen glazed-of-eye jazz fans, the concert stage will attract thousands.

The record was so successful, it made „How High the Moon?“ a kind of JATP theme. „Unfortunately,“ Granz recalled, „Moe had made some strange distribution deal with Stinson Records, whereby they got the master and I lost it. I learned my lesson the hard way on Volume 1.

[…]

By June 1947, incidentally, the Pittsburgh performance [5. März 1947, Syria Mosque] had the distinction of becoming the inaugural album on Granz‘ own JATP series on Mercury/Clef Records (two 78 rpm discs at $3.40, thank you). It was an appropriate kickoff, replacing the „How High the Moon?“ he had lost to Stinson.“

(John McDonough, „An Introduction to JATP“ aus dem Booklet von „The Complete Jazz at the Philharmonic on Verve 1944-1949“, 10 CD, PolyGram, 1998)

Die Konzerte in Los Angeles fanden ab der Herbst-Tour 1946 im Shrine Auditorium statt.

Im Jahr 1947 kam es zum Bruch zwischen Granz und der Zeitschrift Esquire. Granz gehörte zur Gruppe von Experten, die alljährlich die führenden Jazzmusiker bestimmte, aus denen dann eine Gruppe von All Stars zusammengestellt wurde, mit denen ein paar Stücke aufgenommen wurden. Statt Photos der grossteils schwarzen Sieger veröffentlichte die Zeitschrift ein Bild der Combo von Eddie Condon – einer vollständig mit Weissen bestetzten Band.

Granz kontaktierte in der Folge die wichtigsten Bandleader und regte an, dass sie zukünftig non-segregation clauses in ihre Verträge aufnehmen sollten. Zu den vielen, die dies künftig tun sollten, gehörten Tommy Dorsey, Buddy Rich, Artie Shaw und Charlie Barnet. Ausser Dorsey machten sie alle später Aufnahmen für Granz.

Im Juni 1947 gründete Granz Clef Records. Das Label war eine Marke unter dem Dach von Mercury Records, das selbst erst 1945 in Chicago gegründet worden war. Granz verhalf dem Label zu seinem Profil im Jazz-Segment, leitete bald die Jazzabteilung von Mercury (ironischerweise erschienen viel später, als Granz‘ Labels wie auch Mercury unter dem Dach von PolyGram, später/heute Universal zusammenkamen, viele Mecury-Aufnahmen unter dem Namen von Verve).

Granz‘ Vertrag mit Asch endete Anfang 1947, er wollte die frühen JATP-Aufmahmen auf Clef neu herausgeben – doch ein langwieriger Rechtsstreit mit Asch verhinderte diesen Plan. Stattdessen startete Clef mit neueren JATP-Aufnahmen, darunter die inoffizielle Hymne von Jazz at the Philharmonic, „How High the Moon“.

1949 stiess Ella Fitzgerald zu Jazz at the Philharmonic. Sie sollte über Jahrzehnte hinweg mit Granz arbeiten – keine Beziehung, die immer leicht war, aber eine, von der am Ende beide profitierten, professionell wie finanziell. Im selben Jahr tauchte auch Oscar Peterson, der Pianist aus Montréal, in Granz‘ Leben auf. Er hatte ihn schon in Kanada gehört und präsentierte ihn im Rahmen eines JATP-Konzertes in der Carnegie Hall als Überraschungsgast. Auch ihm sollte Granz über Jahrzehnte verbunden bleiben.

1950 setzte Granz zum Sprung über den Atlantik an, reiste nach Europa, um eine JATP-Tournee zu planen. In Englang scheiterte er zunächst an der protektionistischen Gewerkschaft (die im Gegenzug Auftritte von englischen Jazzern in den USA gewünscht hätte). Im Rest von Europa stiess Granz hingegen auf keine Hindernisse. Im Juni kündigte der britische Melody Maker eine Tour für kommenden März an – mit Konzerten in Dänemark, Schweden, Frankreich, Italien, der Schweiz, Belgien, Deutschland, und vielleicht auch in England.

Ella Fitzgerald für JATP zu gewinnen war ein Leichtes. Granz‘ eigentliches Ziel war es, sie für sein Label zu verpflichten. Seit ihren Anfängen bei Chick Webb, dessen Band sie nach seinem frühen Tod übernahm, stand Ella bei Decca unter Vertrag. Granz war der Meinung, dass Decca nicht richtig mit Ella umspringe – sie war keine Singles-Künstlerin mehr, doch bei Decca jagte man noch immer dem nächsten Hit hinterher. Granz wollte sie auf eine neue, andere Weise präsentieren. Doch ihr langjähriger Manager Moe Gale machte ihm einen Strich durch die Rechnung – er verpflichtete Ella 1951 für weitere fünf Jahre zu Decca. Granz musste sich gedulden.

Traurigerweise hatte Granz recht, Decca wusste in der Tat mit Ella nicht mehr viel anzufangen. Ähnlich erging es zu der Zeit auch Frank Sinatra bei Columbia – sein Befreiungsschlag war 1953 der Wechsel zu Capitol Records. 1950 war Granz bei Mercury fest im Sattel, leitete deren Jazz-Abteilung und machte mit für damalige Verhältnisse ziemlich neuartigen Ideen auf sich und seine Künstler aufmerksam. So koordinierte er Veröffentlichungen mit JATP- oder anderen Touren. Doch auch als Produzent war er weiterhin aktiv, nahm mit Musikern wie Charlie Parker, Lester Young und Oscar Peterson auf.

Im Frühling 1951 sollte die erste Europa-Tournee von JATP steigen – doch sie musste aufgrund von Streitigkeiten über die Gagen der Musiker abgesagt werden. Europa wartete noch ein Jahr länger, dann fanden nach dem Start in Stockholm Konzerte u.a. in Götheborg, Kopenhagen, Malmö, Paris, Amsterdam, Zürich, Lausanne, Brüssel und Haag statt. Die Musikergewerkschaft in England blieb weiterhin hartnäckig und verhinderte Auftritte. Unter den Musikern, die dabei waren, fanden sich neben Ella Fitzgerald und Oscar Peterson auch Roy Eldridge, Lester Young und Flip Phillips. Ein Konzert aus Frankfurt erschien ein halbes Jahrhundert später auf einer CD von Fantasy Records (die Aufnahme fand mit Granz‘ letztem Label, Pablo Records, den Weg zu Fantasy).


JATP 1951

1953 begann sich der Siegeszug des neuen Longplay-Formates endgültig abzuzeichnen – von Granz Gegensatz zu anderen Produzenten begrüsst. Denn mit dem neuen Format war es auch dem Hörer zuhause möglich, die oft sehr langen Aufnahmen der JATP-Konzerte ohne Unterbrechungen zu hören. Granz gab neben JATP-Aufnahmen inzwischen auch Platten von Stan Getz, Roy Eldridge, Art Tatum, Buddy Rich, Cont Basie, Buddy DeFranco, Gene Krupa, Woody Herman, Lionel Hampton und Teddy Wilson heraus. Letzteren hatte er schon früh bewundert – wegen der Aufnahmen mit Billie Holiday. Auch Lester Young, Charlie Parker und Oscar Peterson gehörten weiterhin zum roster von Clef.

Im November gelangte JATP erstmals nach Japan. Wenige Jahre nach dem Ende des Krieges wurde die Musik begeistert aufgenommen.Im selben Jahr fand auch endlich ein erstes Konzert in London statt. Man einigte sich darauf, ein Benefiz-Konzert zu veranstalten, weil in solchen Fällen die Gewerkschaft von der strengen Einhaltung ihrer Regeln absehen konnte (in diesem Fall fand das Konzert zu Gunsten der Flutkatastrophe statt, der im Februar in East Anglia über dreihundert Menschen zum Opfer gefallen waren).

Auch ins Jahr 1953 fiel eine Tour, die als eins der grossen Fiaskos in die Annalen des Jazz eingehen sollte. Granz buchte eine Lateinamerika-Tour mit Benny Goodman und Louis Armstrong, und alles ging schief, was nur schief gehen konnte. Goodman meldete sich krank – Ursachen dafür waren vielleicht, dass er die Konzerte eröffnen musste, oder auch Ticketpreise, oder dass er nicht so gut spielte wie üblich … vielleicht war er auch wirklich krank, man weiss es wohl bis heute nicht so genau. Entsprechend ist auch unklar, ob Granz da für einmal eine schlechte Idee oder einfach nur Pech gehabt hat.

1954 wurde wurde Granz zum Manager von Ella Fitzerald – und die Art und Weise, wie er fortan ihre Karriere vorantreiben sollte, sorge für Ausehen. Auch ins Jahr 1954 fällt die Gründung von Norgran Records, dem zweiten Label, für die, wie Granz sagte, „cooler crowd“.

Als Ellas Manager galt es zunächst, sie aus dem Vertrag mit Decca zu befreien. Granz‘ Pläne, was für Ella richtig sei, wichen deutlich von dem ab, was Decca mit ihr veranstaltete. Doch am Ende kam Fortuna zu Hilfe. Decca wollte den Sountrack für „The Benny Goodman Story“ herausbringen, bei dem Gene Krupa und Stan Getz mitwirkten – beide bei Granz unter Vertrag. Dieser gab die Erlaubnis unter der Bedingung, dass man ihm den Vertrag mit Ella überreichte. So kam er schon achtzehn Monate vor Ablauf des Vertrages dazu, Ella für sein Label zu verpflichten – oder eher: er beschloss, für die ersten Aufnahmen mit Ella, ein neues Label zu gründen: Verve Records. Die beiden früheren Label sollten ebenfalls in Verve einfliessen und alles unter einem Dach zusammenkommen.

Granz‘ Plan war es, Ella von den Clubs in die hochklassigeren Etablissements zu verfrachten. Er buchte sie in den hotel circuit, sie trat so z.b. im Starlight Club im New Yorker Waldorf Astoria auf. Dem Erfolg dieser Verwandlung verdankte Granz den Ruf, eine art Svengali-Gestalt zu sein. Doch nicht alle kamen mit ihm klar – Mel Tormé etwa empfand ihn eher als Diktator.

Granz hatte sich jedoch durch den Erfolg nicht verändert. Er klagte gegen Pan Am wegen Diskriminierung. Auf einem Flug nach Australien habe die Airline Ella Fitzgerald und ihre Begleittruppe in Honolulu aus dem Flieger spediert, um in der Erstklass-Kabine Platz für ein paar Weisse zu schaffen. Der Fall wurde schliessliche aussergerichtlich geregelt – durch Bezahlung von 7500 $ durch Pan Am.

Auch das FBI machte Granz zu schaffen. In jungen Jahren stand er den Kommunisten nahe. Obgleich die Hexenjagd der McCarthy-Jahre am abklingen war, obleich Granz ein knallharter Geschäftsmann war, der nach kapitalistischen Prinzipien handelte, machte die Vorstellung eines roten Spions mitten in der Jazz-Szene den Paranoikern um J. Edgar Hoover zu schaffen. Das State Department zog Granz‘ Reisepass ein, doch rückte ihn, als dieser mit einer Klange drohte, bald wieder heraus. Davon blieb bei Granz jedoch etwas hängen.

1957 beendete Granz die JATP-Tourneen durch die USA. Mit dem Entstehen grosser Jazzfestivals, allen voran dem seit 1954 von George Wein veranstalteten Newport Jazz Festival war die exklusive Position verloren. Die achtzehnte nationale Tour sollte die letzte bleiben.

1958 begann Granz, enger mit Duke Ellington zusammenzuarbeiten, wurde für ein paar Jahre auch zu dessen Manager. Unter Granz‘ Anleitung bahnte Ellington sich einen Weg ins Film-Business, nahm 1959 den Soundtrack für Otto Premingers Film „Anatomy of Murder“ auf, in dem die Band und Duke (auf dem Klavierstuhl mit Jimmy Stewart, dem Star des Filmes) auch zu sehen sind.

1959 verlegte Granz seinen Wohnsitz in die Schweiz, nach Lugano – wie immer spielten verschiedene Faktoren mit: ein wachsendes Interesse an Kunst und der europäischen Kultur, die Tatsache, dass die JATP-Tourneen in den USA eingstellt worden waren und er sein Geschäft auch von Europa aus erledigen konnte (die meisten Aufnahmen für Verve produzierten schon länger andere, aber Granz blieb – noch – der Boss), und die laxen Steuergesetze dürften das ihre dazu beigetragen haben.

Granz begann, sich auch als Konzertveranstalter zu betätigen, während dem er weiterhin seine JATP-Package-Tourneen organisierte (z.B. 1960 mit dem Oscar Peterson Trio, Stan Getz sowie dem Miles Davis Quintett). Er begann auch, mit ein paar europäischen Künstlern zusammenzuarbeiten. So organisierte er für Yves Montand eine Tour in den USA, während er Marlene Dietrich – zum ersten Mal, seitdem sie das Land 1933 verlassen hatte – nach Deutschland brachte. Granz scheute keine Kontroverse, ging keinem Konflikt aus dem Weg – und die gab es 1960 in Deutschland mit Dietrich, man lese nur z.B. mal hier weiter: http://www.marlenedietrich-filme.de/html/ankuendigung.html

Was die musikalischen Entwicklungen in den USA betraf, ging für Granz allmählich eine Ära zu Ende – mit dem Tod von Charlie Parker 1955 und erst recht dem Hinschied von Lester Young und Billie Holiday 1959. Granz entschied 1960, auf der Höhe seines Erfolges, Verve Records zu verkaufen – er mochte längst nicht mehr alles, was auf dem Label erschien, war aber auch zu geschäftstüchtig, um einen Künstler abzulehnen, mit dem Geld zu verdienen war. Im Jahr darauf ging das Label an MGM über, Creed Taylor (für den ABC-Paramount nur wenige Monate zuvor das vanity project Impulse! Records gegründet hatte) übernahm für die nächsten Jahre die Leitung des Labels.

Befreit vom Tagesgeschäft widmete Granz sich neben der fortgesetzten Tätigkeit als Manager von Ella Fitzgerald und Oscar Peterson und dem Organisieren weiterer JATP-Tourneen fortan auch anderen Dingen. Finanziell brauchte er sich keinerlei Sorgen zu machen. 1968 lernte er Pablo Picasso kennen, dessen Kunst er fortan so geflissentlich zu sammeln begann, dass er sein Haus bald „The House of Picasso“ nannte. Als er 1973 erneut ein Plattenlabel gründete, konnte es nur Pablo Records heissen (es heisst bei Havers auch, als Grundstock und Sicherheit des neuen Labels habe er seine Picasso-Sammlung veräussert). Inzwischen managte er auch den Gitarristen Joe Pass, den Granz mit Ella zusammenbrachte und für Pablo ein paar tolle Duo-Alben produzierte. Neben Platten von Pass, Ella und Peterson brachte Granz auf Pablo auch neue Aufnahmen von Duke Ellington, Count Basie, Dizzy Gillespie, Milt Jackson oder Sarah Vaughan heraus und veröffentlichte auch mehrere Live-Mitschnitte von John Coltrane und gab seine Clef/Verve-Aufnahmen von Art Tatum erneut heraus (Solo & Group Masterpieces). Pablo wurde 1987 mit über 350 veröffentlichten Alben und einer Reihe unveröffentlichter Konzert-Aufnahmen (wie dem erwähnten 1952er Frankfurt-Konzert von JATP) an Fantasy Records verkauft, das kalifornische Label-Imperium von Saul Zaentz, zu dem bereits Label wie Prestige, Riverside, Contemporary, Milestone und Galaxy gehörten. 2004 ging Fantasy an Concord, das inzwischen in Europa von Universal Records vertrieben wird – demselben Label, zu dem auch die Verve-Label-Familie (dazu gehören u.a. Mercury Records, Decca Records, Impulse! Records und andere, kleinere Label wie Keynote oder Commodore) und seit ein kurzem auch der grosse Teil des Jazzkataloges von EMI (Blue Note, Capitol, Pacific Jazz, United Artists, Roulette, Roost, Colpix etc.) gehören.

Doch zurück zu Granz. Nach der Gründung von Pablo Records nahm er über Jahre hinweg viele Konzerte auf, die im Rahmen des Montreux Jazz Festivals stattfanden und veröffentlichte die Aufnahmen auf Pablo. Wenn sich die Gelegenheit bot, reiste er auch in die Vereinigten Staaten, um mit seinen Lieblingsmusikern wie Oscar Peterson Aufnahmen zu machen. 1974 buchte er mit Peterson einen Tour durch die Sowjetunion. Doch nach den ersten Auftritten in Talinn sagte Granz den Rest der Konzerte ab – zu schwierig erwies sich der Umgang mit den Behörden, denen die aus Granz‘ Sicht völlig normalen Ansprüche wohl völlig überzogen schienen. Dass Granz, der Gourmet und Lebemann, statt im Restaurant in der Arbeiterkantine essen sollte, gab am Ende vielleicht den Ausschlag. Vielleicht waren es auch andere Schwierigkeiten oder die Reisen in eisig kalten Zügen.

Granz erhielt zu Lebzeiten wenige Auszeichnungen. Als die National Academy of Recording Arts and Sciences ihm 1994 einen Preis für sein Lebenswerk verleihen wollte, lehnte er kurz angebunden ab: „I think you guys are a little late“ (zit. nach Havers). Als Jazz at Lincoln Center ihm 1999 einen Lifetime Achievement Award verlieh, nahm Oscar Peterson ihn stellvertretend entgegen.

Granz blieb bis zum Ende der hartnäckige campaigner. So erhielt Bill Clinton 1996 ein handgeschriebenes Fax.

Norman GranzFor someone who professes to love jazz as much as you do, it’s sad that you didn’t name a jazz musician to your Arts Award; especially when Benny Carter the last of the giants of jazz who, at 88 years of age is still actively pllaying beautifully … All this talk of jazz being the only truly uniquely American art form apparently has gone right by you. Pity.“

(zit. nach Havers)

Granz erhielt nie eine Antwort, doch Carter bekam 2000 die Auszeichnung. Granz erhielt nie eine solche Auszeichnung. Auch sein Verhältnis zur Presse war kühl. Er hatte für die meisten Kritiker nur Verachtung übrig. Was er tat, war ohne Vorbild. Granz war in vielerlei Hinsicht ein Pionier, ein Revolutionär, ein Visionär. Die meisten Musiker, mit denen er arbeitete, liebten ihn – und das nicht nur, weil er sie überdurchnittlich bezahlte. Sein Credo lautete: „I want ot fight against racism, to give listeners a good product, and to earn money from good music“ (zit. nach Havers).

Am 22. November 2001 starb Norman Granz in der Schweiz an Krebs. Er hat im Alleingang die Art verändert, in der wir Musik wahrnehmen. Seine Detailversessenheit machte ihn so erfolgreich.

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