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gypsy tail windDie grosse Sinatra-Liebe, die hier plötzlich ausbricht … und dass man all die Songs schon kenne?
Nein, natürlich kannte ich vorher nicht alle dieser Songs, das hätte ich allenfalls Dir zugetraut … Aber ich hab sie mir aus Neugier jetzt angehört, und das hat mir nebenbei eine vertiefte Freude an der Dylan-Platte beschert.
Was Sinatra betrifft: Na, also, toll singen konnte er schon. Ich räume aber ein, ich finde die alten Sinatra-Versionen dieser Lieder durchaus nicht alle wahnsinning packend oder auch nur sonderlich überzeugend – die Arrangements sind nicht immer gefeit gegen billiges Pathos und Kitsch, nicht jeder Harfenklang, nicht jeder Backgroundchor ist da zwingend, und gerade im direkten Vergleich offenbaren sich bei manchen Liedern (sicher nicht bei allen) die genuinen Stärken von Dylans Interpretation. Sinatra klingt einfach immer brillant und souverän, selbst bei Liedern wie „Lucky Old Sun“ schwingt da diese Mühelosigkeit mit, diese Lässigkeit, eine Fähigkeit, jederzeit triumphal aufzutrumpfen; und dazu der pompöse Schluss, dieses majestätische Bläseraufdonnern am Ende – darf man da nicht auch eine verlogene Note durchhören, zumindest eine nonchalante Ignoranz gegenüber all dem, wovon der Text eigentlich handelt, nämlich von den täglichen Mühen der Ebene und der höchst fragilen Hoffnung, der womöglich immer uneinlösbaren Sehnsucht nach sowas wie Erlösung? Wenn dagegen Dylan erschöpft verzögert die Zeile „worked like the devil for my pay“ hinterm Beat her phrasiert, krieg ich Gänsehaut. Sinatra könnte alles singen, auch das berühmte Telefonbuch rauf und runter, es klänge immer gut. Aber die brüchige, müde, dauernd absturzgefährdete Schönheit, die Dylan dem Lied gibt, ergibt für mich ein viel überzeugenderes Common Man‘s Lament – wenn Dylan sich unter Mühen hochächzt zu der Passage „Show me that river“ (und ich denke da unweigerlich assoziativ an „I was born by the river“, die Eröffnungszeile von Sam Cookes größtem Song, den Dylan ja auch schon live gegeben hat in einer sehr respektvollen, deutlich an den Musizieransatz der neuen Platte erinnernden Version), dann ist das einfach viel stimmiger als so eine junge Stimme, die frei von jeglicher Erdenschwere einfach über alle Anstrengungen hinwegschwebt.
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