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Ich muss mich als Neu-Fan outen, meine jahrelange grundsätzliche Sympathie bei völliger Unkenntnis ganzer Alben ist erst im letzten Jahr in wirkliche Beschäftigung und Verehrung umgeschlagen (wenn man von einer ziemlich akuten Faszination für das „Hunter“-Video mit 12 Jahren absieht). Insofern ist „Vulnicura“ mein erstes heiß erwartetes Björk-Album.
“Stonemilker“ lullt zum Auftakt in seiner schwelgerischen Opulenz erst einmal trügerisch ein, läutet aber textlich direkt die Hauptthemen des Albums ein: Trauer, Illusion, Enttäuschung, Schuldzuweisung – die Bündelung aller verbliebenen Leidenschaft am Ende einer Beziehung. „Show me emotional respect“ fordert Björk entschlossen ein und die Streicher erheben sich wie auf Zuruf aus ihrem Wattebett zu einem würdevollen Klagelied. “History Of Touches“, mit drei Minuten Laufzeit der mit Abstand kürzeste Track, erinnert sich an die letzten intimen Momente und zeigt sich textlich und melodisch fast schon im Reinen mit dem Abschied, wären die Vocals dabei nicht auf eine verstörende Klangkollage zurückgeworfen. Das 10-minütige Herzstück „Black Lake“ enthält im Mittelteil ein ähnlich erschütterndes Intermezzo und geht zu verschiedenen wabernden und klackernden, sich immer wieder scheinbar verhakenden und dadurch kurz pausierenden Rhythmusmustern und bitterbösen Vorwürfen zu Ende. “Notget“ mahnt noch einmal an die Verantwortung für den gemeinsamen Nachwuchs, in Björk’scher Manier mit übersteigerter Symbolik: „Now we are the guardians/We keep her safe from death“. Ab hier wird das Album abstrakter, verknoteter und dissonanter, aber auch lärmender und resoluter; wieder der eigenen, vom ehemaligen Partner abgekoppelten Identität versichert.
Björk dokumentiert auf 59 Minuten eindrucksvoll den Verdauungsprozess einer Trennung und entwirft für die verschiedene Stadien jeweils ausgefeilte, ganz unterschiedlich austarierte Klanggebilde und ergeht sich dabei für ein Trennungsalbum erfreulich selten in Selbstmitleid und Nostalgie, sondern bewahrt dank der herben Beats und aufbäumenden Streicher stets die Haltung. An „Vespertine“ musste ich vor allem bei den ersten Kompositionen auch denken, wobei dessen samtige, verwaschene Ästhetik hier einem satteren und mit mehr Widerhaken versehenen Soundkleid weicht. Aktuell würde ich schätzen, dass „Homogenic“ dem aktuellen Album ästhetisch noch am nächsten kommt. Bin gespannt auf weitere Eindrücke!
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