Re: Coleman Hawkins – The Father of the Tenor Saxophone (1904-1969)

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gypsy-tail-wind
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Am 25. Mai 1940 war Hawkins das nächste Mal im Studio – mit einer weiteren Chocolate Dandies-Formation, allesamt mit Ex-Henderson-Kollegen, die ihrem ehemaligen Bandleader mit dem lockeren „Smack“ auch gleich ein Kränzchen winden. Neben Hawkins sind Benny Carter (as), Roy Eldridge (t), Bernard Addison (g), John Kirby (b) und Sid Catlett (d) beteiligt, der Klavierstuhl blieb leer, bis auf „I Surrender Dear“, auf dem Carter sich ans Klavier setzt und gleich ein gutes Intro liefert. Die Ballade mit tollen Soli von Hawkins (sie dauert 4:35) leidet allerdings etwas unter Addison, der wie es scheint die Changes des Stückes nicht wirklich kannte, und auch Eldridge unterläuft etwas, was ich nicht gerade Fehler nennen mag, aber schön ist die Stelle nicht (bei 2:44, aber auch davor ist die Intonation schon öfter grenzwertig – das konnte er sehr viel besser). Die Soli in „Smack“ sind allerdings gut und der Groove passt auch (dank Sid Catlett!), man hört Eldridge seine Bewunderung für Hawkins an. Sehr schön ist auch die Atmosphäre in „I Can’t Believe That You’re in Love with Me“. Addison füllt die Lücke des fehlenden Klaviers mit rhythmischem Spiel, Hawkins und Eldridge sind beide sehr gut drauf, letzterer mit Dämper, sehr verspielt. Doch Carter, der als letzter randarf, übernimmt quasi zum Schluss die Führung – eine Schande, dass der Mann so völlig vergessen scheint! (Irgendwann braucht es hier auch einen Carter-Thread.) Den Abschluss macht dann die Ballade „Dedication“ von Leonard Feather, und auch hier bekundet Addison wieder

Insgesamt überzeugt vor allem Kirby am Bass nicht richtig – er ist kein Walter Page und auch keiner von all den guten Leuten, die Ellington in den Jahren in seiner Band hatte. Die abgebildete CD enthält jeweils zwei Takes von „Smack“ und „I Can’t Believe“ – von ersterem gab es sechs Takes, von „Surrender“ und „Dedication“ auch nochmal je zwei weitere Takes (bzw. bei „Surrender“ noch „composites“) – die kenne ich allerdings nicht, die CD reichte mir eigentlich immer aus, auch wenn es natürlich die typische Orrin-Keepnewserei ist, ein paar Dinge dazuzupacken und andere nicht, weil er halt findet, so sei es am besten … die Welt hat sich nach ihm zu richten, aber das war ja schon immer so ;-)

„Body and Soul“ war inzwischen überraschend zum Juke-Box-Hit geworden, doch verhalf dies Hawkins nicht zum Erfolg mit seiner eigenen Big Band, mit der er in diesen Monaten allabendlich spielte (und „Body and Soul“ als Theme-Song verwendete). Anscheinend eignete sich Hawkins nicht als Leiter einer grösseren Band und dieser fehlt trotz ordentlicher Arrangements auch eine klare Persönnlichkeit. Auch hier gibt es wieder Intonationsprobleme (von Joe Guy an der Trompete) und die Sängerin Gail Madden trägt auch nicht gerade zum Erfolg bei. Neben der einen Studio-Session, die am 9. August 1940 für OKeh vier Stücke zeitigte, wurde die Band einige Male live mitgeschnitten. Zwei Aufnahmen vom 4. bzw. 25. August (es fehlt von jedem Mitschnitt ein Stück) aus dem Savoy Ballroom finden sich auf dieser Bootleg-LP (bei mir leider mit ein paar Rillenbrüchen, über die die Nadel nicht ohne Hilfe rüberkommt – ehrliches und handgemachtes Musikhören gewissermassen):

Hawkins scheint mir übrigens – im Gegensatz zu Loren Schoenberg im Mosaic-Booklet – bei der Studio-Session gar nicht in schlechter Form zu sein, aber so richtig brennen seine Soli hier schon nicht. Zu den Sidemen, die man neben Joe Guy solistisch hört, gehören auch die Posaunisten Claude Jones und Sandy Williams sowie Pianist Gene Rodgers. Dieser und die ganze Band von der „Body and Soul“-Session vom Oktober 1939 formen den harten Kern der Big Band, die mit vier Trompeten, drei Posaunen, fünf Saxophonen (inkl. Hawkins) und vier Rhythmus für damalige Verhältnisse ziemlich maximal besetzt war. Erwähnenswert sind auf jeden Fall auch Bassist Billy Taylor (einer der ausnahmslos hervorragenden Ellington-Bassisten) und Drummer J.C. Heard, die sehr solide Arbeit leisten.

Die Band ist auf diesen Live-Sessions jedenfalls eher in besserer Form und macht auch stärker den Eindruck, dass sie als solche hätte funktioneren können bzw. während ihrer kurzen Dauer wirklich funktionierte. Man fragt sich geradezu, warum nicht mehr Studio-Aufnahmen produziert wurden.

Ein „The Man I Love“ von Billie Holiday mit Hot Lips Page, Charlie Barnet, Hawkins, Lester Young, Teddy Wilson und einer unbekannten Rhythmusguppe (g, b, p) gehört wohl tatsächlich zur Handvoll Aufnahmen von/mit Pres, die ich nicht kenne – schade, aber suchen mag ich danach gerade nicht – 19. Dezember 1940 in New York von irgendeinem Radiosender ausgestrahlt.

Die nächste Session findet sich – wie die Studio-Session der Big Band – in der Mosaic-Box. Sie fand am 16. Januar 1941 mit den Metronome All Stars statt. Sie ist auch auf diesem überaus lohnenserten 2-CD-Set des französischen Labels Frémeaux zu finden, die eine ganze Menge solcher All-Star-Sessions versammelt:

Die Metronome All Stars vom 16. Januar 1941 bestanden aus: Harry James, Ziggy Elman, Cootie Williams (t), Tommy Dorsey, J.C. Higginbotham (tb), Benny Goodman (cl), Toots Mondello, Benny Carter (as), Coleman Hawkins, Tex Beneke (ts), Count Basie (p), Charlie Christian (g) Artie Bernstein (b), Buddy Rich (d). Zwei Stücke wurden eingespielt, „Bugle Call Rag“ und „One O’Clock Jump“. Es war George T. Simon, der es fertigbrachte, alle diese sehr beschäftigten Musiker am gleichen Tag ins Studio zu kriegen – der einige, der da etwas heraussticht bzw. nicht mithalten mag, ist wohl Tex Beneke, aber die Zusammenstellung bleibt nichtsdestotrotz eigenartig – andere mögliche Kandidaten (fürs Mitspielen bzw. sich am Kopf kratzen über die Auswahl der Band) nennt Loren Schoenberg eine ganze Menge, z.B. Lester Young, Don Byas, Georgie Auld, Frankie Newton, Eldridge, Henry Allen, Jack Teagarden, Vid Dickenson, Dickie Wells oder Walter Page. Die Leser des Magazins wählten offensichtlich vor allem Musiker ihrer Lieblingsbands, dass die eher zu hellerem Teint neigten, kann man sich denken … aber man sieht an der Zusammenstellung, auch das betont Schoenberg gewiss zu recht, die Realitäten, mit denen Hawkins sich im damaligen Musikbusiness konfrontiert sah.

In „Bugle Call Rag“ (was für ein beklopptes Stück, aber ganz offensichtlich wollte es das US-Publikum damals fast stündlich hören, so oft wurde es gespielt) hören wir Breaks von James und Beneke, dann Soli von Goodman, Higginbotham, Mondello, Basie, Hawkins, Williams, Elman und James, in „One O’Clock Jump“ folgen nach einem Intro von Rich Soli von Basie, Christian, Higginbotham, Hawkins, Williams, Carter, James und Goodman. Hawkins macht das beste aus den paar Takten, die ihm zustehen, aber das ganze gleicht eher einer Nummernrevue. Das kleine Highlight der Session ist wohl Benny Carters erfrischendes Solo in „One O’Clock Jump“, das für einen kurzen Moment alle Routine wegbläst.

Nachdem seine Big Band Anfangs 1941 aufgelöst wurde, spielte Hawkins im März mit Benny Goodmans Band und nahm im April 1941 an einer Session der Count Basie Big Band teil. Auf Lester Youngs Platz sass inzwischen Don Byas, der wohl beste aller Hawkins-Schüler (den Platz des viel zu früh verstorbenen Herschel Evans nahm für eine Session Chu Berry, seither Buddy Tate ein – alle drei ebenfalls Hawkins-Schüler). Als Byas Ende 1943 bei Basie ausstieg, sollte Hawkins mit ihm eine gemeinsame Band gründen, mit Thelonious Monk am Klavier und – hélas! – nicht dokumentiert.

Am 10. April 1941 im Studio in Chicago wurden zwei Stücke eingespielt, „9:20 Special“ (das auch auf der abgebildeten Basie Vierer-Box zu finden ist, wo ich es erstmals hörte) und „Feedin‘ the Bean“. Dass Hawkins wenige Monate nach Lester Youngs Abgang bei Basie mit dessen Big Band aufnehmen konnte und in „9:20 Special“ auch gleich noch das Solo spielt, das zuvor Young gehört hatte – diese Symbolik entging wohl damals niemandem. Hawkins war auch der erste Gast-Solist, mit dem Basie überhaupt aufnahm.

In „9:20 Special“ spielt er ein tolles Solo über dem so mitreissenden wie eleganten Swing der Basie-Band. Die anderen Solisten sind Basie und Harry Edison sowie wohl Tab Smith mit einer Bridge. In „Feedin‘ the Bean“ ist Hawkins zurück im Löwenmodus der ersten Hampton-Session und spielt mit grossem Druck und unfassbarem Ton. Das Blues-Riff des Themas ist dasselbe, das Hawkins im „One O’Clock Jump“ der Metronome All Stars-Session spielt. Im veröffentlichten Take spielt er im ersten Teil seines Solos mit einem Lick, das wohl seine Version eines von Lester Youngs „pet licks“ ist. Der growlende Trompetensolist in diesem Stück ist übrigens Buck Clayton. Die erste Nummer ist jedenfalls eindeutig ergiebiger, für die leider sehr selektive Jubiläumsbox, mit der Basie von Sony zum 100. nur ungenügend gewürdigt wurde, hat man immerhin die richtige Wahl getroffen.

1941 und 1942 verbrachte Hawkins – ohne weitere Aufnahmen zu machen – in und um Chicago. Erst im Dezember 1943 kehrte er nach New York zurück, wo er im Kelly’s Stable mit der Gruppe des Schlagzeugers Kenny Clarke auftrat. Doch damit beginnt schon das nächste Kapitel, das einen aufgeräumten, noch besseren Hawkins in New York im Umfeld der jungen Bebopper zeigt (und mit phantastischen Aufnahmen mit alten Kollegen aus der Swing-Ära) … dazu demnächst mehr.

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