Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung? › Re: "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung?
Mein Senf. Ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Nur mein Erleben.
Anfang der 80er war handgemachte Musik noch mehrheitlich positiv besetzt. Wer dieses Wort gebrauchte, verband damit, nicht jeden Trend mitmachen zu wollen. Flying Lizards, Joy Division, The Cure waren keine handgemachte Musik und wurde von den Traditionalisten als vorübergehende Verirrung gesehen.
Fünf Jahre später revidierten aufgeschlossene Zeitgenossen ihre Einschätzung – das war ungefähr die Zeit als man auch wieder anfing bisweilen einen Friseur aufzusuchen – und verschiedene Musikrichtungen waren qualitativ gleichwertig.
Wer offene Ohren hatte und Interesse an Innovation für den wurde handgemachte Musik zunehmend ein Synonym für Vereinengung. Man verpasste etwas, wenn es die Hörleitlinie dominierte.
Es gab sogar mal eine Compilation „für Freunde handgemachter Musik“. In Bayern. Für Stubenmusikfreunde bis Sparifankal war da vieles vertreten. Rückblickend eine exotische Überschrift. Fand auch keine Fortsetzung.
Wenn heute jemand dieses Wort als Fave benutzt, dann unterstelle ich (zu Recht oder zu Unrecht), dass dies ein musikkonservativer Zeitgenosse ist, der maximal 10% der aktuellen Zeitströmungen überblickt. Das Identifaktionswort mutierte innerhalb 30 Jahren einfach zum –unwort. Man kann es benutzen. Wenn man nicht begreift, dass es von vorgestern ist, dann muss man damit leben, dass man von Dritten auch in die Schublade des Geschmacksgrufti gesteckt wird.
Wie gesagt: Keine begriffssoziologische Expertise. Mein Erleben nur.
--