Re: "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung?

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gruenschnabel

Registriert seit: 19.01.2013

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sparchAnsonsten mal ein anderes Beispiel: 2002 war ich auf einem Peter Gabriel Konzert. Obwohl da sicher auch das ein oder andere vom Band kam, dürfte das größenteils dem entsprechen, was Du als „handgemacht“ verstehst. Dennoch war das Konzert von Anfang bis Ende durchkonzipiert und letztendlich hätte man die Musik auch vom Band spielen können. Raum für Improvisation war jedenfalls keiner.

Ja, Gabriel-Konzerte sind bis auf Ansagen und Fuck Ups enorm durchgestylte und musikalisch höchst unspontane, also sehr verwechselbare Gigs. Und dann hier mal ein Drum-Loop und da mal ein vorgepresstes Streicherensemble…

Was Puma zu beschreiben versucht, ist mit dem Attribut „handgemacht“ einfach ganz schlecht etikettiert. Es geht ihm hier eher darum, dass er bei Live-Konzerten die Tonerzeugung unmittelbar zuordnen können möchte. Und dass die Musiker spontan agieren können. Mehr steckt dahinter wohl nicht. Der Synthesizer passt diesbezüglich genauso in sein Beuteschema wie eine Gitarre.

Was mich daran irritiert: Auch im Rockbereich sind reproduzierende Merkmale massenweise etabliert. Da ich aus der Genesis-Ecke komme, fallen mir entsprechende Beispiele als Erstes ein: Künstler wie Steve Hackett arbeiten live hörbar mit Halbplaybacks. Und Genesis selbst legten bei Live-Auftritten schon immer höchsten Wert auf musikalische Reproduktion. Da galt die Devise: Jeder Beckenschlag des Drummers wird vorher festgelegt.

Aber auch Pink Floyd: Wie sollte sich Puma bloß Stücke wie „On the run“ live geben können? Und die ganzen übrigen Einspieler? Passt überhaupt nicht in sein Schema. Mal davon abgesehen, dass auch Floyd-Konzerte strengstens durchorganisiert sind und überhaupt keine (!!!) individuellen Interaktionen mit dem Publikum stattfinden. Pink Floyd waren live ja fast schon ein Paradebeispiel für ein unflexibles Reproduktionsmonster. Und Gilmours Solos waren darin ganz kalkuliert eingebettet.

Was mich weiterhin irritiert: Wieso ist Puma kein Jazz-Hörer? Da gibt es deutlich mehr Spontaneität als auf Led Zeppelin-Konzerten, eklatant mehr Unverwechselbarkeit der einzelnen Gigs, in der Regel ist auch die Tonerzeugung 1:1 auf der Bühne mühelos erkennbar – die von ihm formulierten Ideale weisen für meine Begriffe genau auf diesen Bereich hin.

Und noch zu einer Formulierung Pumas: Er sagte ja sinngemäß, dass es u.a. darum geht, etwas als handgemacht „zu verkaufen“. Speziell diese Formulierung trifft, meine ich, den Kern der Diskussion. Und dieser Kern gefällt mir gar nicht.

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