Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung? › Re: "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung?
bullschuetzSicher. Deshalb habe ich versucht, den Faktor Zeit definitorisch ins Spiel zu bringen. Das wesensmäßig Besondere einer Lagerfeueraufführung von Blowing in the Wind oder der Aufführung einer Beethoven-Sinfonie ist, dass für den Zuhörer die Musik so, wie sie in dem Moment durch Bedienung von Instrumenten erzeugt wird, hörbar ist. Würde der Gitarrist seinen Akkord verzögert anschlagen, klänge es „falsch“. Es fehlt da das Moment der Nachträglichkeit, des nachträglichen Eingreifens, Montierens, Korrigierens, Verbesserns.
Nach diesem Kriterium wäre aber Live-Elektronik auch „handgemacht“; Auch wenn der Künstler viel schon vorher konfiguriert hat und das „Klangelement“ dann nur noch auslöst. Was ihn dann aber von einem Organisten nur noch durch die Frequenz der Auslösetätigkeiten unterscheidet.
Das, worum es hier geht, ist mit dem Wort „handgemacht“ wohl falsch umschrieben – aber ich wage doch, Puma-Freddy so deuten zu dürfen, dass es ihm um diese Eigenschaft des Musizierens geht. Vielleicht geht es im Kern schlicht um den „Live“-Charakter, um den Im-Hier-und-Jetzt-Moment der Musikerzeugung.
Dazu fallen mir dan wieder „elektronische“ Musiker ein, die in ihren Konzerten wesentlich spontaner auf den Augenblick reagieren, als viele Pop und Rock-Musiker, bei denen sich zwei Live-Versionen eines Stücks fast nicht unterscheiden. Ganz zu schweigen von Orchestermusikern, denen der Dirigent exakte Vorgaben macht, was sie im Hier-und-Jetzt-Moment zu spielen haben; und zwar wiederholgenau bei jedem Konzert das gleiche.
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