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Als reine Beschreibungskategorie für die Produktionsbedingungen von Musik kann man „handgemacht“ schon irgendwie verwenden, wenn man denn unbedingt will. Man müsste allerdings zunächst mal ordentlich zu definieren versuchen, was man damit überhaupt meint. Vielleicht so: Als „handgemacht“ bezeichnen wir Musik …
– bei der das Klang-Ganze im Moment des Musizierens, also nicht nachträglich durch Editierung, Bearbeitung, Zusammensetzung, Montage entsteht;
– bei der auf instrumentaler Ebene die Töne durch Akte der feinmotorischen Fingerfertigkeit (Saiten/Tasten) oder Finger- und Mundfertigkeit (Blasinstrumente) rhythmisch korrekt in der Zeit platziert werden, also nicht nachträglich an die richtige Stelle gerückt werden;
– bei der ebenso auf gesanglicher Ebene nicht mit Nachbearbeitung hantiert wird.
Die Reinform „handgemachter“ Musik wäre dann in der Tat zum Beispiel die Lagerfeuer-Konstellation oder die Aufführung eines Streichquartetts. Nehmen wir diese Definition, können wir die Musik von Led Zeppelin allenfalls im Konzert als ihrem Wesen nach „handgemacht“ durchgehen lassen – wobei selbst das nicht stimmt: Denn diese Musik lebt auch von der massiven Verstärkung, und dieser Verstärkungseffekt ist eindeutig nicht unterm Motto „handgemacht“ zu fassen. Die Gitarre ist ja nicht deshalb so laut, weil Page so brutal reinhaut, sondern, weil der Verstärker aufgerissen ist. Ein ganz entscheidender Aspekt der Musik von Led Zeppelin liegt also genau nicht in seiner Handgemachtheit begründet. Das hat mein ansonsten unfassbar ignoranter Musiklehrer in den 80er-Jahren recht fein wahrgenommen – für ihn war eine Band wie Led Zeppelin eben grade überhaupt kein Beispiel für „handgemachte“ Musik, wie sie seine geliebten klassischen Geiger oder auch noch seine geachteten Dixieland-Trompeter praktizierten. Sein zugegeben doofes Urteil: „Wenn man denen den Saft abdreht, können die nichts mehr.“ Bei Plattenaufnahmen kann dann von einer reinen „Handmacher“-Lehre sowieso nicht mehr ausgegangen werden – da gibt es Studio-Effekte, Elektrifizierung, Montage- und Nachbesserungsarbeiten, Overdubs, Korrekturvorgänge etc pp.
Halt- und heillos wird es aus meiner Sicht, wenn man aus der BESCHREIBUNGS- eine WERTUNGS-Kategorie macht, indem man „handgemacht“ mit Begriffen wie „ehrlich“ oder „authentisch“ oder auch „gekonnt“ (im Gegensatz zu HipHoppern oder Elektronikern, die’s dann wohl nicht können sollen) oder im schlimmsten Fall mit „besser“ kurzschließt. Das halte ich für wirklich ganz großen Quatsch.
Deshalb meine Nachfrage an Puma-Freddy: Verwendest Du die Vokabel „handgemacht“ nur dazu, um Unterschiede im Produktionsprozess zu benennen, oder verbindest Du mit dem Wort ein Qualitätsurteil (im Sinne von: „handgemachte Musik ist echte, ist richtige Musik, im Gegensatz zu sogenannter ,Musik’, die mit Samples, Studiotechnologien, Computer-Programmierarbeiten etc pp. zusammengestoppelt ist“)? Falls letzteres, bitte ich um Begründung, da mir diese Sichtweise momentan nicht nachvollziehbar erscheint und ich deshalb auf Erklärungen dringend angewiesen bin.
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