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Slow TrainJa zugegeben, da bin ich etwas über das Ziel hinausgeschossen. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass ich zunehmend von Konzerten genau dann enttäuscht bin, wenn mich Teile des Publikums nerven. Zerbrechende Gläser bei ruhigen Parts, Leute, die zu Gigs gehen, weil man „sich dann endlich mal wieder sieht“ und den Saal an ihrem Privatleben teilhaben lassen, Menschen die mir Haare ins Gesicht schleudern oder zig Mal auf die Füße steigen. Ich selbst sage dann auch recht schnell mal, was ich davon halte.
Sehe ich auch so. Mein Problem ist noch weitergehend und seltsamerweise auch gar nicht altersgebunden: Der widerliche Eventcharakter. Konzerte, Theater, Kino, eigentlich egal was, verkommt immer mehr zu Sammelstätten für verschmitzte, sensationsheischende Gesellen, denen die Kunst im Grunde gar nichts bedeutet. Völlig abgestumpft. Hauptsache wenig zahlen, das eigene Bier mitbringen dürfen, mittendrin über den Alltag labern und alle fünf Minuten beschissene Selfies schießen können. Ich war dabei! Oder alles fleißig mitfilmen um bei Facebook ein paar Likes von seinen ebenso abgestumpften Buddys zu bekommen. Und ich halt dem Sänger jetzt die Cam mal direkt vors Gesicht, ein Meter Abstand! Völlig egal, ob man gerade mittem im Kino sitzt und das Blitzlicht hochfährt, beim nächsten Gedenkkonzert oder beim Kirchentreff – der Pietätlosigkeit und Unwürde ist keine Grenze mehr gesetzt. Das ist stets auch der gleiche Schlag Mensch – und ein ganz anderer, als die Leute, die einfach gerne auf Musik steil gehen, sich ihr Lieblingslied wünschen, wild tanzen (und dabei mal daneben hopsen) oder ihren Nacken steif schlagen. Sowas finde ich sehr okay und ich glaube, dass die meisten Künstler bewegt sind, wenn nicht nur achthundert Zinnsoldaten im Eulenglubsch vor der Bühne stehen. Auch Bewegung darf sein! Und nichts ist schöner als wirklich leidenschaftliche Fans.
Davon ab aber: Es ist nicht die Verwantworung des Künstlers, dass sich das Publikum gut benimmt und man muss auch nicht alles tolerieren. Wenn man vom Künstler schon „Dienstleistung“ erwartet, muss man damit auch konsequent sein – wenn man beim Friseurbesuch oder in der Pizzaria rumschreit und den Barbier beleidigt, fliegt man zurecht auch raus. Und wenn man noch ein paar dumme Sprüche über Italien los wird, hat man halt die eiserne Faust im Nacken. Bei großen öffentlichen Veranstaltungen meint aber jede noch so dumme Hanswurst mal richtig die Oktoberfestmentalität rauskramen zu können. Hauptsache der Hipsterbart klebt und die Schaumkrone ist vollauf.
Im Grunde ist das leider der Lackmustest der Gesellschaft: Schnelllebig, kaum mehr bereit, um sich wirklich für Dinge zu interessieren, zu ignorant, um Kunst verstehen zu wollen und zu abgestumpft um sich aus seinem Alltag zu lösen. Und alles völlig frei von Gefühl. Kunst als Unterhaltungsvehikel, bischen Horrorshow, bischen Party, bischen Zoo. Deckel drauf.
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Hold on Magnolia to that great highway moon