Re: ROLLING STONE: essential reading?

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bullschuetz

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Monroe StahrWenn jemand mit Anfang 20 Musik hört, gerne viel, gerne „ziellos“, gerne oberflächlich, dann ist das genau das, was er tun sollte. Um das mit historischer Langeweile zu unterfüttern hat er noch Jahrzehnte Zeit. Dass die großväterliche Generation das anders sieht, who cares…

Wie die meisten hier stimme ich auch Sonics Ausführungen über eine „Musikkultur“-Zeitschrift zu, ich sehe nur keinen Zusammenhang zum RS. Der RS lebt vermutlich noch von seinem alten internationalen Namen und von seine Dauerkäufern (für die das Heft irgendwie dazu gehört und die sich über Wiederholungen nicht mehr richtig Ärgern können, wäre ja auch toll, wenn Derrick mal wieder im TV liefe, das war früher schon alles irgendwie besser…). Etwas anderes als die 60er, die 70er, Stones, Dylan, Beatles wird aus dem RS nicht kommen – der Großteil der Leser (also nicht die hier aktiven Foris, deren eigener Tellerrand glücklicherweise ausser Sichtweise ist) wird das vermutlich auch gar nicht wollen.

Aus meiner Sicht: ich wünsche mir eine von Sonic beschriebene Zeitschrift, gerne auch mit guten Autoren aus dem RS, aber sicher unter neuem Namen und ohne verstaubte Historie. Der RS mit seiner „von alten Männern, für alte Männer“-Ausrichtung kann dann weiter ungestört im eigenen Saft dahin schmoren und mit Anspruch sterben.

Da stimme ich teilweise zu, teilweise auch nicht.

Um mal mit einer Selbstverständlichkeit zu beginnen: Jede Generation findet ihre eigene Musik, ihre eigenen Herangehensweisen, Verständigungsmedien, Diskussionsplattformen, Informationsbörsen. Wer Mitte der 60er-Jahre 20 war, ging anders vor als diejenigen, die damals 60 waren. Logisch. Und zutiefst nachvollziehbar auch, dass die Alten dem meistens mit Unverständnis begegneten, oft mit Feindseligkeit oder Herablassung.

Heute ist der RS ein Blatt in einem etablierten Verlag mit einem monatlichen Erscheinungsrhythmus und Autoren, die, so schätze ich mal, zwischen 30 und 65 Jahren alt sind. Er wurzelt, auch wenn die deutsche Ausgabe in den 90ern auf den Markt kam, tief in der 60er-Jahre-Tradition, ist geprägt vom Mutterblatt und den musikalischen Säulenheiligen – Stichworte Dylan, Young, Stones – jener Zeit und er ist als Printmedium nun mal so richtig Old School, für Leute, die lieber umblättern als weiterklicken Und wenn nun ein musikenthusiastischer 20-Jähriger damit heute eher nicht so viel anfangen kann – soll man das ernsthaft erstaunlich finden oder ist es nicht viel mehr naheliegend, fast selbstverständlich, wär’s nicht sogar schlimm, wenn’s anders wäre? Hätte sich ein musikenthusiastischer 20-Jähriger Mitte der 60er-Jahre von Joachim Kaiser (obwohl, Moment, der war damals ja noch nichtmal 40, stellen wir uns also einen Kritiker aus der Vor-Kaiser-Ära vor) erklären lassen wollen, ob eine Vinyl-Single ein akzeptables Musik-Medium ist? Und von Theodor W. Adorno, ob die Stones gute Musik machen und ob der amerikanische Rolling Stone eine Adornos strengen Maßstäben genügende Musikreflexions-Publikation ist oder ein „trostlos“ oberflächliches Blättchen?

Aus all dem ergibt sich für mich noch mal verschärft die Frage: Welches Zielpublikum hat der RS heute eigentlich? Welches Alter will er heute ansprechen? Mich würde nicht nur das Durchschnittsalter der Abonnenten interessieren, sondern auch das im RS-Forum.

Aber jetzt mein Einspruch gegen Monroe:

Womöglich könnte der RS mit einer noch konsequenteren „von alten Männern, für alte Männer“-Ausrichtung für seine Zielgruppe interessanter sein, als er derzeit ist.

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