Re: ROLLING STONE: essential reading?

#9086229  | PERMALINK

sonic-juice
Moderator

Registriert seit: 14.09.2005

Beiträge: 10,983

Mistadobalina
Ich wundere mich immer wieder mit welcher Ignoranz Künstler in unserem Land bedacht werden, GC ist ja nur ein Beispiel. Das Interview war jetzt vielleicht nicht „subkulturell relevant“ und man hätte es sicher interessanter gestalten können, es war aber für mich ein Schritt in eine Richtung, wo kulturelles Schaffen deutscher Künstler eine gewisse Wertschätzung erfährt.

Ich schrieb ja bewusst „pop- oder subkulturell“ relevant. Und ich sehe in diesem Fall – zumindest was die konkrete Umsetzung, nicht unbedingt die Portraitierte selbst betrifft – beides nicht erfüllt, auch wenn der Titel anderes suggeriert.

Im Film-Dienst gibt es, wenn ich mich recht erinnere, unter dem Titel „Die Spielwütigen“ aktuell eine Reihe, in der kompetente Filmjournalisten junge Schauspieler/innen portraitieren, indem sie ihre schauspielerischen Qualitäten und markante Rollen vorstellen. Das ist stimmig, konsequent, klug und seriös – und passt perfekt in den Kontext der Zeitschrift.
Wenn der Rolling Stone deutsche Kulturschaffende vorstellen will, dann würde ich mir vergleichbares wünschen: Dann müsste ein Mann vom Format eines Rüdiger Suchsland (der ja für den RS wie auch für den Film-Dienst schreibt) sich einer solchen Aufgabe regelmäßig annehmen und sich dabei eher auf die beruflichen Leistungen oder interessante Haltungen über kulturelle und filmische Fragen konzentrieren dürfen. Ein Interview unter dem (ungewollt nahezu höhnischen) Titel „Viertelpunk“, das als Aufhänger die kaum vorhandene popmusikalische Sozialisation der Schauspielerin nimmt („ich habe das gehört, was niemand kannte – New Model Army!“) und sich ansonsten vor allem an biographischen Befindlichkeiten abarbeitet, finde ich eher deprimierend. Weil es auch wieder mal zeigt (wie auch allzu viele dieser Promis-posen-mit-Plattencovern-Stories im RS), in welchen popkulturellen Vakuum wir uns hier bewegen, wenn selbst rennomierte Kulturschaffende mittleren Alters sich nur auf die banalste Weise zu ihrer vermeintlichen musikalischen Sozialisation äußern können – und nebenbei nahelegen, dass sie diesbezüglich immer noch auf dem Erkenntnisstand ihrer Pubertätsjahre stehen geblieben sind. „Viertelpunk“ ist man also dann, wenn man die zu laute Musik des Bruders mal eine Zeit lang als Teenager deshalb aus Prinzip gut fand, weil sie anderen (ebenfalls) auf die Nerven ging.
Biographische Nähkästchen-Plaudereien interessieren mich persönlich bei Schauspielern auch viel weniger als bei Musikern, einfach weil die Frage, was der Bruder damals so an Musik gehört hat, für das Verständnis ihres Schauspiels kaum Bedeutung hat. Das ist bei Musikern in der Regel anders, weil da Leben, Musik, Werk und Performance viel enger verknüpft sind.

Aber es ging mir ja vor allem um die Frage der Profilschärfung. Wenn man den besagten Artikel mit der Frage vorlegt, aus welchem Magazin er stammt:
a) Stern
b) Süddeutsche Magazin
c) mobil
d) Rolling Stone
hätte ich mein Kreuzchen sicherlich nicht bei d) gemacht.

Der Rolling Stone hatte ja mal die Reihe „Nationaltheater“, in der man sich nach meiner Erinnerung auf ansprechende, niveauvolle und aufrichtig interessierte Weise regelmäßig mit Kulturschaffenden und Kulturthemen aus allen Sparten befasst hat. Ich fände es wert, eine Wiederaufnahme zu erwägen oder etwas ähnliches zu starten. Auch eine kontinuierliche, konstruktiv-kritische Begleitung deutscher Popmusikschaffender (Musiker und Bands aller relevanten Genres, Produzenten, Veranstalter, Labelbetreiber) fände ich interessant.

--

I like to move it, move it Ya like to (move it)