Re: ROLLING STONE: essential reading?

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bullschuetz

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Sonic JuiceIch möchte vielleicht noch ergänzen, dass zur Profilschärfung solche Artikel wie die von Hubertus Meyer-Burckhardt über eine Schauspielerin namens Gesine Cukrowski nicht gerade beitragen. Das ist natürlich wieder nett und professionell geschrieben, hat aber 0,0 % pop- oder subkulturelle Relevanz.

Tja. Nur, was ist heute „subkulturell relevant“? Subkultur ist ja eigentlich das, was sich jenseits und unterhalb der etablierten Vermarktungs-, Würdigungs- und Relevanzzuweisungsmedien abspielt, die Kultur einer Avantgarde, Minderheit, meinetwegen der Jugend, eine Kultur jedenfalls, die den etablierten Kulturbetrieb vor den Kopf stößt und dort auf Unverständnis trifft oder zumindest seinen Radar unterfliegt oder den etablierten Kulturbegriff hiunterfragt, erweitert, herausfordert. In diesem Sinne hat ein Printmedium in einem etablierten Verlag schon mal per definitionem nichts mit Subkultur zu tun, und das ganze historisch und kulturell längst nobilitierte Musikgeschehen von Bob Dylan über die Stones bis zum 70er-Jahre-Punk auch nicht, dafür gibt es ja womöglich bald Nobelpreise und längst Ehrenhallen-Aufnahmen und Autobiographien in den angesehensten Mainstream-Verlagen.

Die Frage ist doch, ob sich Subkultur heute überhaupt noch glaubwürdig und für die Szene „relevant“ in einer Zeitschrift wie dem RS spiegeln kann. Wo auch immer heute die Subkultur pulsiert – ihre Verständigungsplattformen wird sie eher im Internet finden als in einem Druckerzeugnis des, pardon, jetzt muss ich es doch mal aussprechen, Springer-Verlags. Kurzum: Die Vorstellung vom RS als Subkultur-Zeitschrift scheint mir schon grundfalsch. Ich weiß nicht, inwiefern die aktuell Schreibenden über so was wie subkulturelle/jugendkulturelle Kompetenz verfügen – ich bezweifle aber massivst, ob die aktuell Lesenden wirklich an dem interessiert sind, was heute Subkultur/Jugendkultur ist (in diesem Zusammenhang würde mich brennend das Durchschnittsalter der Abonnenten interessieren).

Daraus ergibt sich die Frage: Besteht die Existenzberechtigung des RS heutzutage nicht eher darin, einer erwachsen (böser gesagt: alt) gewordenen, tendenziell akademisch gebildeten, tendenziell politisch moderat linken und tendenziell bürgerlich lebenden Klientel, die einst mit Rock/Pop-Musik groß geworden ist und sich heute vertieft mit dieser historisch gewordenen Musikrichtung befassen will, Informationen zu liefern? Wenn ja, dann sind historisch einordnende Artikel über Abba oder die Ramones, „Alte Meister“-Abhandlungen, „Vergessene und Verkannte“-Würdigungen und ausführliche „Replay“-Vorstellungen von Gesamtwerk-Boxen der Relevanzkern des RS heute.

Und dann stellt sich nicht die Frage, ob Gesine Cukrowski „subkulturell relevant“ ist, sondern eher, ob sie zielgruppenrelevant ist (oder ob ins Beuteschema nicht besser ein Kurzinterview mit Robert de Niro oder Dustin Hoffman passte).

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