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Ich will und kann hier nicht all die Stellen oben zitieren, auf die ich mich beziehe. Sie seien also mitgedacht.
Wenn einige sich hier an tops reiben und den Zusammenhang mit einer gewissen Machtstellung der Medienwelt in den 60er/70er Jahren herstellen, so mag das für diese auf der Hand liegen. Aber ich denke, dass das ziemlich an der Sache vorbeigeht. Ich verstehe die Ansprüche von tops, monoton und anderen absolut nicht so, dass sie irgendwelchen hochwissenden Kritikern aus der Hand fressen wollen, ich verstehe sie so, wie auch Sonic es postulierte, dass sie Anstöße erwarten von Leuten, die etwas zu sagen haben, dass sie sich an Meinungen und Einstellungen reiben wollen, dass sie ihren Horizont erweitern wollen. Im RS z.B. in erster Linie auf der Basis von Musik als Kulturgut. Denn wofür ist Kultur sonst da, denn als Aufforderung zur Erweiterung des eigenen Horizontes. Musik, Film, Literatur als kulturelle Selbstbefriedigung (ich mag das, was ich mag, weil ich es mag) mag ja für viele funktionieren, würde aber in meinen Augen seinen diskurs-fähigen Kulturanspruch verlieren.
Dafür brauche ich persönlich mich anregendes (nicht bestätigendes) Lese- und Hörmaterial. Das mag sich bezogen auf Print (wozu gern auch Ernst zu nehmendes im Internet Veröffentlichtes gehört) anbieten als Vertiefung von Wissen (damit die Reibungslinien von Kulturgut und bedingender Kulturwelt korrigierend) oder als ästhetischen Diskurs zum Produkt selbst, wenn es sich denn nicht in feuilletonistischer Beliebig- und Selbstgefälligkeit ergeht. Mit irgendwelcher Kritikerhörigkeit hat das ganz und gar nichts zu tun. Das Gegenteil ist der Fall.
Dass der RS diesen meinen Ansprüchen lange Zeit nur noch kaum gerecht wurde, habe ich damals hier oft geschrieben, dass es mit Zabel ein kleine wenig besser geworden ist, auch. Aber nichtsdestotrotz blättere ich den RS eher durch als ihn zu lesen. Ob es aber überhaupt möglich ist, für den deutschsprachigen Raum ein Magazin zu machen, dass mich voll und ganz zufrieden stellen würde, bezweifele ich.
Das mag zum einen damit zusammenhängen, dass Popmusik nicht mehr den kulturellen Impact hat wie etwa vor 30-35 Jahren. Worüber und weshalb da noch groß streiten?! Eine Zeitschrift also, in der Musik immer noch einen großen Stellenwert einnimmt, kann da in meinen Augen deshalb gar keine Speerspitze des Journalismus mehr darstellen.
Zum anderen scheint sich jedoch auch kein neues Feld im Kulturellen aufzutun, das die Lücke ausfüllen könnte. Vielleicht mag ich das aus Unkenntnis falsch sehen, großartig diskursfähig drängt sich mir da nicht viel auf. US-Serien könnten sich anbieten, wirklich konfrontative Auseinandersetzung habe ich bislang nicht gelesen.
Das alles kann man dem RS wohl nicht vorwerfen, dass er sich aber allzu oft dem Zeitgeist und dem Marktdruck ergibt, das jedoch sehr wohl. Und dass er sich möglichweise bietende Chancen nicht nutzt, auch. Um beim Beispiel US-Serien zu bleiben: da ging es bislang doch eher ums Abfeiern als um Auseinandersetzung. Seht her, das können wir auch.
Und das billige Gespött auf irgendwelchen Typewriter-Seiten empfinde ich schon länger nicht mehr lesenswert. Vielleicht habe ich was verpasst, ich denke eher nicht. Hier mag allerdings auch ein Indiz dafür zu finden sein, dass die Rolle des Journalisten sich wandeln muss, vom kommentierenden zum aufdeckenden, zum zusammenfassenden, zum ergänzenden.
Süffisant aus dem Off kommentierende Waldorfs und Statlers braucht die Welt schon lange nicht mehr. Das ist nichts mehr als: Hört her, ich habe auch ´ne Meinung.
Und am Rande: Was die Person tops anbelangt, an der sich hier gern so einige reiben, ist er dafür bekannt, dass er selbst gar nicht genug Lesenswertes bekommen kann, den eigenen Horizont zu erweitern.
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