Antwort auf: Yusef Lateef (1920-2013)

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Im Februar 1965 nahm Lateef sein nächstes Album für Impulse auf, das erste von vier Studio-Alben, die er 1965 und 1966 einspielen sollte. „1984“ (A-84) wurde die Platte genannt, nach dem langen Titelstück. Die Band ist wieder zum Quartett geschrumpft, Mike Nock und James Black sind weiterhin dabei, am Bass ist Reggie Workman zu hören (mit wem hat der eigentlich nicht gespielt?). Lateef war gemäss den Liner Notes von Bob Hammer etwa drei Monate dabei, der Rest der Band seit einem Jahr zusammen.

Das Titelstück dauert etwas über acht Minuten und wird als musikalische Reise in die Zukunft dargestellt. Es erinnert ein wenig an experimentelle, komponierte Musik von Mingus (ganz spezifisch auch Workmans Bass) oder Kirk (der Einsatz der Stimme, der Flöte, das Geschepper zum Auftakt. Die Blechflöte (aus Taiwan), die Lateef hier spielt, hat er gemäss Bob Hammer von Sonny Rollins geschenkt gekriegt. Lateefs selbstgebaute Bambusflöte kommt ebenfalls zum Einsatz, zudem diverse andere selbstgebastelte Instrumente, Glocken, Triangel, die Celesta, Röhrenglocken etc., und Lateefs durch das schmale Ende einer cow bell aufgenommene Stimme (manchmal wird das offene Ende ins Innere des Flügels gehalten, was zu schwingenden Saiten und weiteren Klängen führt). Das Stück ist eine Art surrealer Klangtrip, für damalige Verhältnisse wohl noch ziemlich ungewöhnlich (wie gesagt, Mingus und Kirk kommen mir in den Sinn).

Danach folgen acht wieder vornehmlich kürzere Stücke – aber das Album ist mit knapp 40 Minuten deutlich länger als „Jazz ‚round the World“, zudem fehlt der zweite Bläser. Es gibt entsprechend mehr Raum für Lateef – und auch für die tolle Rhythmusgruppe. Lateefs „Try Love“ ist eine Miniatur von zwei Minuten, Lateef erst an der Oboe, dann an der Flöte, ein ruhiges, nachdenkliches Stück. Dann folgt das eingängige „Soul Sister“ von einem Ted Harris Jr., einem Detroiter Swing-to-Bop Saxophonisten. Lateef spielt ein dreckiges Tenorsolo, das wieder einmal seine Wurzeln im älteren Jazz verrät. Die erste Plattenseite endet mit „Love Waltz“, einem Stück von Mike Nock. Nocks Interaktion mit Workman und Black ist klasse, sein lyrisches Klavierspiel voller interessanter harmonischer Ideen und überraschender Wendungen auch in diesem langsamen Tempo. Lateef setzt in diesem Stück aus.

Die zweite Seite öffnet mit einem dreckigen Romp, „One Little Indian“, Lateef am Tenor, wieder diese Mischung aus wilden Läufen mit rauhem Ton und Ausbrüchen ins Freie – zweieinhalb Minuten ohne Pause über eine simplen, treibenden Groove der Rhythmusgruppe. Dann folgt wieder ein Ausflug in neue Klänge: die Studioversion von „Listen to the Wind“, die mit über sechs Minuten ein ganzes Stück länger dauert als die Live-Einspielung aus dem Pep’s. Die sich dauernd bewegenden Rhythmen sind noch interessanter geworden, Lateef soliert ausgiebig am Tenor, gefolgt von Nock – wieder in hervorragendem Zusammenspiel mit Workman und Black.

Als nächstes folgt eine Ballade von Duke Ellington, „Warm Fire“, dann die Studio-Version von „Gee! Sam Gee“, beide mit Lateef am Tenor und wundervollen Soli. Im zweiten spielt die Rhythmusgruppe wieder eine wichtige Rolle, hält das Geschehen spannend, ohne je aus dem Rahmen zu fallen oder die Stimmung zu stören, auch in Nocks Klaviersolo. Den Abschluss macht dann wieder einmal ein Film-Thema, Alfred Newmans Titelmelodie aus „The Greatest Story Ever Told“ (einem Sandalenfilm von George Stevens, wie es scheint, in dem die Story von Jesus erzählt wird). Vermutlich ist die Musik mal wieder besser als der Film, dem sie galt … Lateef spielt das Thema an der Flöte, die Rhythmusgruppe spielt eine Art Rhumba, alles sehr hübsch arrangiert.

Im Juli 1965 waren Lateef, Workman und Black wieder zwei Tage im Studio Rudy Van Gelders, dieses Mal mit dem französischen Pianisten George Arvanitas. Aus den Sessions resultierte das Album „Psychicemotus“ (A-92).

Den Opener spielt Lateef an der Flöte, über ein heftig pumpendes Bass-Lick von Workman. Black scheppert dazu einen phantastischen, äussert kargen Beat, Arvanitas koloriert, schmückt aus. Ein grandioser Opener – Free Funk von Yusef Lateef. „Bamboo Flute Blues“ ist ein langsames, bluesiges Stück, für das Lateef wieder zu seiner Bambusflöte greift. Auch hier ist Workman um einen satten, groovenden Boden bemüht – aber sehr karg, mit langen Pausen. „The idea was to convey the spirit of the New Orleans funeral parade discussed in Barry Ulanov’s 1957 A History of Jazz by Viking Press …“ (Ahmad Basheer, Liner Notes).

Für „Semiocto“ greift Lateef zum Tenorsaxophon und schaltet einige Gänge hoch – direkt in den Overdrive. Ein Stück mit rasch wechselnden Akkorden, das mich etwas an Coltrane erinnert („Impressions“ und Dinge aus der Atlantic-Zeit). Im Solo spielt Lateef schnelle Phrasen, die sich aufeinander türmen, aus ihm förmlich herauszupurzeln scheinen – und Workman/Black treiben ihn an, unterstützen ihn (Arvanitas setzt aus, lässt Lateef „strollen“). Black spielt dann ein kurzes Schlagzeugsolo. Die erste Hälfte des Albums endet wieder mit etwas ruhigeren Tönen, nach drei Lateef-Originals ist „Why Do I Love You?“ zu hören, der alte Song von Jerome Kern aus dem Musical „Show Boat“. Im mittelschnellen Stück ist Lateef wieder am Tenor zu hören, die Rhythmusgruppe unterstützt ihn, diesmal mit Arvanitas, der auch mit einem ausgezeichneten Solo zu hören ist.

Mit Erik Saties erster „Gymnopédie“ öffnet die zweite Hälfte. Arvanitas leitet ein, dann übernimmt Lateefs Querflöte, Black punktuiert, Workman spielt ein paar Basstöne, Arvanitas die linke Hand. Eine hübsche, leicht nostalgisch klingende Miniatur. Danach ist Lateefs „Medula Sonata“ zu hören. Lateef spielt Tenor und dazwischen – im Dialog mit dem Bass – Klappengeräusche der Querflöte. Die Musik ist einmal mehr von offenem Charakter, Workmans Bass öffnet Flächen, Arvanitas setzt karge Akzente, Lateef und Black bespielen dieses akzentuierte Territorium. Das Ganze entpuppt sich als eine Art Dialog zwischen Tenor und Rhythmus (dazu gehört Lateef dann auch mit den Klappengeräuschen), dann wird das Piano prominenter, Lateef und Arvanitas treten in einen dichten Dialog, während sich ein Beat zwar durchzieht, aber sich die Struktur des Stückes zunehmend auflöst. Dann soliert Arvanitas, während Lateef sich wieder klappernd zur Begleitung gesellt.

Den Abschluss machen zwei Standards. Arvanitas leitet am Klavier „I’ll Always Be in Love with You“ ein, eine Ballade mit Lateef am Tenor. Workman begleitet phantastisch, umspielt Lateefs mit warmem Ton gespielte, schnörkellose Linien. Die Rhythmusgruppe ist hier wohl ähnlich hervorragend abgestimmt wie jene im Pep’s. Workman hat sich hörbar in der Musik eingenistet, Black ist noch immer der lebendige, unkonventionelle Drummer, der über eine sehr grosse Bandbreite von Mitteln verfügt, und Arvanitas ein ähnlich offener Pianist wie Nock, lyrisch, zurückhaltend, mit interessanten harmonischen Ideen und ohne Probleme im Umgang mit offenen Strukturen. Ob abstrakte Improvisation wie auf „Medula Sonata“ oder Balladen-Begleitung wie hier, die drei kriegen alles gleichermassen gut auf die Reihe. Das letzte Stück gehört dann ganz Arvanitas: Solo spielt er Fats Wallers „Ain’t Misbehavin'“. Ein ruhiger Ausklang, der nochmal verdeutlicht, dass diese Musik – bei allen avant garde leanings – eine tiefe Verwurzelung in der Geschichte des Jazz hat (selbst wenn der Pianist in Marseille geboren wurde, Kind griechischer Eltern, die nach dem ersten Weltkrieg und dem Völkermord an den Armeniern ihre Heimat Konstantinopel verliessen).

Das nächste Album enstand an zwei Tagen im März 1966, „A Flat, G Flat and C“ (A-9117), mit Hugh Lawson, Reggie Workman und dem Detroiter Drummer Roy Brooks Jr. Trotz der in dieser Konstellation neuen Besetzung klingt die Band einmal mehr perfekt abgestimmt. Lawson bringt seinen lyrischen Touch zurück, spielt aber auch den Blues, tief empfunden, schon im ersten Stück, dem „Warm Hearted Blues“. Das langsame Stück ist eher eine Blues-Ballade oder eine Ballade über Blues-Schema denn ein eigentlicher Blues – doch im Solo wird Lateef ganz schön bluesig – allerdings ist hier wieder der Pres-Einfluss zu hören, der sonst eher in den Balladen zum Vorschein kommt und dann eben Lawson, der auch im nächsten Stück, dem „Nile Valley Blues“, wieder mit einem tollen Solo zu hören ist. Das Thema bläst Lateef an der Flöte über Two-Beat-Bass und eine Art New Orleans-Shuffle von Roy Brooks.

Im dritten Stück, Hugh Lawsons „Robbie“, ist das Tempo schneller, Lateef wieder am Tenor – und wieder folgt auf sein Solo ein schönes Solo von Lawson. Brooks ist zwar leise, hält sich zurück, aber seine Begleitung steckt voller rhythmischer Überraschungen. „Psyche Rose“ ist erneut ein Blues, geschrieben von einem M. Dalee, ein einfaches Riff-Thema. Lawson soliert hier zuerst, gefolgt von Lateef, immer noch am Tenor, mit einem Ton, der hier für seine Verhältnisse überaus leicht klingt, fast wie ein Altsaxophon, wenn er länger im oberen Register bleibt – und ach, ich lese gerade die Credits: Er spielt hier tatsächlich Altsaxophon! Workman/Brooks sind hier die heimlichen Meister, die aus dem simplen Stück doch noch eine interessante Sache machen. Mit Lateefs „Chuen Blues“ klingt die erste Hälfte aus, Lateef spielt allerdings hier soweit ich sagen kann nirgends das als als „chuen“ angegebene Instrument, vermutlich eine chinesische Bambusflöte mit Doppelrohrblatt, auch als Guan bekannt. Stattdessen ist ein seltsames Ding zu hören … ein exotischen Saiteninstrument oder aber das ebenfalls angegebene Theremin? Ich habe zu diesem Album leider keine Liner Notes, keinen lesbaren Scan des Foldout-Covers. Zwischen dem „ethnischen“ Intro und Outro gibt’s eine lange Klaviertrio-Passage mit Lawson at his most soulful, tiefem Bass von Workman und zurückhaltendem bis unhörbarem Brooks.

Die zweite Seite enthält erneut fünf kürzere Stücke, alle aus Lateefs Feder. Den Auftakt macht „Feather Comfort“, eine klagende Linie am Tenor über einen zickigen Beat und einen stotternden Bass. Plötzlich gesellt sich eine fliessende Piano-Linie dazu – und ist auch schon wieder raus, während Lateef zur Flöte greift. Dann wieder das Piano … und es wird klar, dass hier verscihedene Rhythmen übereinandergelegt werden. Das Piano setzt wieder aus, Lateef greift zum Saxophon (Alt?), dann wieder Piano, Lateef an der Oboe, derweil der Beat stottert, obwohl Workman etwas flüssiger zu spielen beginnt. Eine ziemlich tolle Idee, dieses Wechselspiel zwischen Lateef an all seinen Instrumenten und Lawson. Die Soli werden länger, die Oboen- und besonders die folgende Piano-Passage sind ausgewachsene Soli, Brooks klöppelt weiter den verschrobenen Beat, während die Musik aber flüssiger wird. Lateef kehrt an der Oboe zurück, was er zum Auftakt spielt, könnte einem Film-Thema entstammen.

„Blind Willie“ folgt, das Tempo langsam, bluesiges Piano, tiefer Bass – mit einem Drum-Roll wird Lateef eingeführt, wieder am Altsaxophon, spielt eine kleine Phrase, die in Nino Rotas finalem Marsch in Fellinis „Otto e mezzo“ auch auftaucht. Steigert sich dann aber in ein intensives Solo, dem die Schwere, das Gewicht seines Tenors allerdings etwas abgeht (und ja, auch die Schwere, die Cannonball am Alt erreicht, schafft Lateef nicht – will er wohl auch gar nicht). Das Altsaxophon ist wohl nicht die beste Idee, die Lateef hatte, es klingt, als bewegte er sich ausserhalb seiner natürlichen Saxophon-range. In „Feelin‘ Alright“ – natürlich wieder ein Blues – gelingt das etwas besser, ich denke hier kurz an Sonny Red, auf einem von dessen Jazzland-Alben Lateef mitgewirkt hatte und der in den Sechzigern eine Reihe von schönen Blue Note-Alben mit Donald Byrd machte, auf denen er mit seinem schweren funky Altsaxophon ein grosser Gewinn ist. Lateef will den Ton aufrauhen, mit growls wie am Tenor – aber auch hier: das Altsaxophon macht da einfach nicht soviel her.
„Sound Waves“ fängt exotisch an – da ist es nun, das Theremin (das zuvor ist was anderes, eindeutig). Über eine Bass-Begleitung, die zwischen Pedal Points und kurzen Läufen fluktuiert sowie Akzenten von Lawson und Brooks öffnet Lateef am Theremin, nach einer Minute greift Workman zum Bogen und übernimmt, dann übernimmt Lawson, während Brooks kurz eine Art fragmentarischen 12/8-Beat antönt, tritt Workman bald in einen Dialog mit dem Piano und Brooks ist zurück mit kleinen Akzenten. Dann steigt Lateef wieder ein mit dem Theremin, das Ding klingt am Ende eher abstrakt denn exotisch. „Sound Waves“ eben …
Den Abschluss macht dann der „Kyoto Blues“, den Lateef an einer Flöte mit Zug öffnet, die schon anderswo für Akzente zum Einsatz gekommen ist. Dann legt die Rhythmusgruppe einen raschen Beat vor, Lateef spielt eine Bambusflöte, die wirklich eher japanisch denn indisch klingt, eine Art Singsang, unter den Workman einen hohen Pedal Point legt. Lawson übernimmt am Piano, derweil Lateef zu einem dieser Kratzedinger (sowas hier wohl). Dann greift er wieder zur Flöte und führt das Stück und damit das Album zu Ende. Nach dem grandiosen, überaus dichten „Psychicemotus“ finde ich „A Flat, G Flat and C“ etwas leichtgewicht, aber nichtsdestotrotz ziemlich gut.

Das Album ist übrigens das dritte von Lateef, das praktisch nicht zu finden ist, nie auf CD vorgelegt wurde. Das wären drei überaus würdige Kandidaten für die seltamen „Impulse 2-on-1“-Reissues von Universal gewesen … vielleicht liest ja einer der Herren von Universal Deutschland mit, die die seltsame Reihe konzipiert hatten? Klar ist niemand an Lateef interessiert, aber braucht die Welt Reissues von Steve Allen und schlechten Alben des Handy Dandy Mans?

Das letzte Impulse!-Album Lateefs enstand an zwei Tagen im Juni 1966 im Studio Rudy Van Gelders. Mit dabei waren Hugh Lawson, Herman Wright und Drummer Roy Brooks. „Golden Flute“ (A-9125) öffnet mit Lateef am Tenor, über einem Bossa-Beat spielt er „Road Runner“, ein Original. Das Tenorsolo wirkt auf mich etwas weniger bestimmt als sonst bei Lateef üblich, hinter Lawsons Solo greift er wieder zum „scratcher“, derweil Brooks seinen Beat klanglich etwas variiert. Auch das durch Nat „King“ Cole bekanntgewordene „Straighten Up and Fly Right“ spielt Lateef am Tenor, über einen Two-Beat-Groove, der sich in der Brigde und für die Soli zum straighten 4/4 mit Walking Bass wandelt. Hier ist Lateef wieder zupackend, swingt heftig und lässt sein Tenor singen und grollen, mit dieser Phrasierung, die so vokal klingt – etwas, was Lateefs Spiel besonders am Tenor auszeichnet. Nach Lawsons Solo gibt es im Anschluss an das Thema einen kleinen tag.

In „Oasis“ versucht Lateef, seine Fahrten durch die arabische Wüste zu vertonen. Das Stück ist in einer konventionellen 16-8-8 Form geschrieben, aber für die Bridge wechselt es vom 4/4 (eigentlich 2/2) in den 3/4-Takt (in dem der Puls dann doppelt so schnell ist). Lateef spielt hier Flöte, mit wundervollem Ton, gross, warm, sauber, ganz ohne Einsatz Stimme, ohne Triller und anderes.

Lawson spielt ein Intro zu „(I Don’t Stand a) Ghost of a Chance“, das Lateef wieder am Tenor präsentiert – und mit der Wahl dieser Ballade schliesst sich endgültig der Kreis zu Lester Young, dem der Song ganz gehörte. Lateef spielt mit feinem Ton, da und dort ein wenig Vibrato, auch die Verzierungen sind von grosser Klarheit, sein Ton unglaublich schön. Eine wundervolle Hommage an den einzigartigen Pres. Es folgt ein weiterer Standard, „Exactly Like You“, in raschem Tempo gespielt – und mit der Oboe. Schön, diese mal wieder zu hören und dann auch noch in einem Stück, das kein Blues ist. Lawson spielt erneut ein schönes Solo.

Die zweite Hälfte des Albums öffnet dann mit dem Titelstück, Lateef selbstverständlich an der Flöte. Er spielt das sehr linear angelegte Thema über ein hartnäckiges Bass-Ostinato Wrights, das nach dem Intro einsetzt. Lawson setzt für das Thema zu weiten Teilen aus, Brooks trommelt – das Stück beschwört eine geheimnisvolle Atmosphäre hinauf. Ein bezauberndes Stück, das im 3/4-Takt und in dorischen Tonleiter gespielt wird. Für „Rosetta“, ein Stück von Earl Hines, das über einen bouncenden Two-Beat vorgetragen wird (swingender 4/4 in der Bridge und in den Soli), ist Lateef zurück am Tenorsaxophon, das er mit mächtigem Ton und grosser Autorität bläst.

„Head Hunters“ ist eine Gemeinschaftskomposition von Lawson und Barry Harris. Lateef setzt hier aus, Lawsons frisches Klavierspiel ist eine Freude. Den Abschluss macht dann „The Smart Set“, das längste Stück des Albums, komponiert von Roy Brooks im 5/4-Takt. Über einen Vamp spielt Lateef das eingängige Thema und setzt dann zu einer berührenden Klage an, wieder mit dieser vokalen Phrasierung, den inflections, Zwischentönen und Tonbiegungen, der Intensität, die sich schier unmerklich steigert – und plötzlich beinah zu kochen scheint. Dann spielt Brooks ein feines Schlagzeugsolo und Lateef kehrt schilesslich zurück, um das Stück und das Album zu beenden.

Nach „A Flat“, wirkt das hier insgesamt auf mich wieder etwas konsistenter, druckvoller – ohne ganz die Höhen von „Psychicemotus“ zu erklimmen – und Workman war gewiss der interessantere Bassist, der mehr beizutragen hatte – Wright legt einen hervorragenden Boden, aber das ist auch schon seine grosse Spezialität, während Workman viel mehr zu bieten hat, kommentiert, eingreift, Impulse gibt, Klänge beisteuert, die das Ganze prägen und bereichern.

Damit endet für mich die wirklich grosse Zeit Lateefs – die Zeit, in der ausnahmslos jedes Album von vorn bis hinten gelungen und hörenswert ist. Mit dem Wechsel zu Atlantic sollte sich seine Musik oder eher: die Art der Präsentation der Musik, deutlich verändern. Fortsetzung folgt …

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