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MARIAN MCPARTLAND’S PIANO JAZZ WITH GUEST ALICE COLTRANE (1981)
„oh I loved alice. such a great woman,“ gab die hochbetagte marian mc partland 2008 zu, als in ihrer sendung “piano jazz” geri allen zu gast war und eine von coltrane inspirierte komposition ankündigte. da war alice schon ein jahr tot und die gemeinsame sendung schon 27 jahre her.
1981, drei jahre nach alice coltranes abschied aus den jazz-aufnahmestudios, sitzt sie bei marian im studio und die beiden so grundverschiedenen musikerinnen nehmen sich – na, was wohl – ein john-coltrane-gedächtnis-programm vor. ihn zu hören, hätte etwas grundsätzliches in ihrem spiel verändert, sagt mcpartland in ihrer damenhaften, gleichwohl immer wieder stockenden redeweise, während sich alice nuschelnd, halb singend, halb säuselnd, dann immer wieder eruptiv ausbrechend, verständnisvoll zeigt und keine überraschung heuchelt. „I’m not an authority“, sagt sie einmal, sie will nicht bewerten und beurteilen, was john coltrane in anderen auslöse. john, „your husband“, wie marian immer wieder sagt, „the father“ (of my children), wie alice immer wieder korrigiert.
um die kinder geht es auch, die von der mutter nicht gedrängt, das werk ihres vaters entdeckt und schon im studio eingespielt hätten: die violinistin michelle, der bassist john jr., ravi nuraya auf dem sopran- und oran auf dem altsaxophon. „ich schicke dir die aufnahme mal, wenn ich sie abgemischt habe“, sagt die stolze mutter zur anderen pianistin.
die beiden mögen sich, keine frage. unterschiede gibt es dennoch genügend – wie „farbig“ doch alices spiel sei, findet marian. und wie „exakt“ marian „naima“ spielen würde. naja. die drei alice-coltrane-originals hat man alle schon auf TRANSFIGURATION gehört: das titelstück, ziemlich toll und virtuos als verbeugung vor john coltranes spätphase an den anfang gesetzt, dann das dramatische ein-motiv-mantra „prema“, schließlich, etwas arg arpeggiert, der widmungssong „for the father“. über mcpartlands schöne naima-interpretation gerät alice tatsächlich ins schwärmen, nicht nur, weil sie so exakt ist (ist sie nämlich gar nicht). interessanterweise passt sich mcpartland tatsächlich ihrem gast an, immer mehr arpeggien kommen im laufe dieser einen stunde zum vorschein, gerade bei „naima“ landet sie fast in einer alice-hommage, weniger in einer verbeugung vor john.
was aber so richtig toll ist, sind die duette. das höllisch schwierige „mile’s mode“ verstolpern sie am anfang, fangen aber schnell an, sich gegenseitig anzufeuern. beim versuch über „giant steps“ überrascht vor allem alice mit einigen äußerst virtuosen läufen, die mcpartland zu ebenso gewagten variationen führen. ganz toll ist ihre gemeinsame idee, sich an chopins „opus 27“ zu wagen, zu dem mcpartland ein paar tolle ideen hat, während alice sich ungewohnt harmoniesicher zeigt. beim closer „blues minor“ (von mir mal in einem bft vorgestellt), ist dann schon regelrechte partystimmung, das geht entspannt hin und her und beide wissen sehr genau, was sie wollen und wann sie das zeigen und nicht zeigen müssen. „dass du immer diesen letzten ton so lange hältst… du willst wirklich jede vibration aus ihm herausholen!“ (MMP zu AC).
dass alice coltrane nach dieser konzentrierten, ausgelassenen, entspannten improvisationsstunde fast 30 jahre aus allen jazzkontexten verschwinden würde, konnte man hier noch nicht ahnen. die angstfreie marian mcpartland empfing in diesem jahr beim national public radio noch die kollegen ray bryant und randy weston.
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