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FriedrichDabei habe ich mich aber etwas in Gedanken über die für mich etwas überbetonte Spiritualität in Alice Coltranes Musik verfranst. Allein die Titel: ILLUMINATIONS, TRANSCENDENCE oder gar UNIVERSAL CONSCIOUSNESS. Mein lieber Scholli! Da liegt die Latte ja ganz schön hoch. Für mich versperrt das den unvoreingenommenen Zugang zu ihrer Musik, da damit ein ja aberwitziger Anspruch formuliert wird und Vorgaben gemacht werden, auf die ich mich eigentlich gar nicht einlassen will. Hier und dort wirft sie sogar alt-ägygptische Mythologie, Bhuddismus und was-weiß-ich noch anderes lustig in den gleichen Kessel. Da frage ich mich, wie ernst ich das überhaupt nehmen soll.
der anspruch dahinter ist mir nicht ganz klar – ich glaube nicht, dass das missionarisch oder dogmatisch gemeint ist. man kann natürlich auch religionskritisch an musik herangehen und sagen, dass das nichts miteinander zu tun hat – aber man kann auch sagen, dass man damit wichtige kontexte ignoriert, die kulturell zur produktion dieser musik beigetragen haben bzw. eigentlich unauflöslich damit verzahnt sind.
ich verstehe das hier konkret auch nicht – nur: es macht mir nicht viel aus. im gegenteil – vieles war mir gar nicht bewusst und ich lerne das hier: z.b. dass schon in den 30ern eine afroamerikanische „delegation“ gandhi in indien besuchte, dass gandhis schriften sehr wichtig waren für martin luther king, dass sich die ganze black power bewegung in den 60ern auf die suche nach alternativen spirituellen quellen gemacht hat (alternativ zum christentum natürlich). und dass das ja auch interessant ist, wenn sich eine sprituell derartig ‚vorbelastete‘ frau wie alice coltrane (die ja quasi in der baptistenkirche aufgewachsen ist und die nur dort als musikerin wachsen konnte, ohne als ‚unweiblich‘ zu gelten) zu einer hindu-lehrerin wird und einen ökomenischen (!) ashram gründet.
wenn ich aber stückbeschreibungen von ihr lese wie auf eternity („SPIRITUAL ETERNITY embraces the ancient soul of the immortal eternity. it also peacefully rests upon the everlasting wings of the eternal endlessness.“), dann verstehe ich gelinde gesagt überhaupt nichts. das ist ja schon eine unglaubliche superlativdrescherei: eternity, immortality, everlasting, eternal endlessness… diese aufzählung an sich ist ja wortzauber und nicht wirklich deskriptiv…
FriedrichDas hier ist doch toll: Körperlich, tänzerisch -funky! – und voller Witz, weil ganz schön neben der vermeintlichen Idealspur liegend. Und ja – weltlich und daher so lebhaft und aufregend. Tito Puente trifft Sun Ra trifft Krautrock oder so. Ich weiß nicht, ob das so beabsichtigt ist, aber es ist toll!
ja, so höre ich das auch. und tatsächlich ist ja sun ra die andere wurlitzer-trademark-stimme. alice coltrane hat ihre instrumentenwahl ja damit begründet, dass diese orgel so komplett sei (zwei tastaturen, basspedale, möglichkeiten zur tonmodulation), dass sie eigentlich niemand mehr um begleitung fragen müsste – ähnlich dürfte das sun ra auch gesehen haben, dessen musiker ja immer ein wenig um ihn gekreist sind wie planeten um eine sonne.
Friedrich
Edit: Bass-Soli gehören jedoch verboten! Wenn dieses Stück bei Minute 6:00, spätestens bei 6:50 zu Ende wäre, wäre das nur ein Gewinn. An diesem Punkt ist eigentlich die Luft raus, auch wenn es zum Ende wieder etwas aufgepumpt wird. Da lobe ich mir das in der Popmusik gepflegte Single-Format, bei dem man in 3:00 Minuten auf den Punkt kommen muss. Dabei ist die bass line im ersten Teil des Stückes ja wirklich toll! (Irgendwie erinnert mich das an dieses hier, aber das ist sicher Zufall.)
ich finde auch, dass das stück zu lang ist. aber gegen ein solo von charlie haden haben ich nie was einzuwenden – da gibt es aber auch andere meinungen, die ihn als furchtbaren solisten bezeichnen. ich finde das toll, wie er das stück hier nochmal aufbaut – und wie er die basslinie so ultratrocken nach seinem abstrakten alleingang wieder hineinfedert.
aus haden hätte eigentlich ein super rockbassist werden können. auch hier finde ich ihn (am anfang) grandios.
ich glaube, das da auf dem shriekback-stück ist ein synthetisierter chapman-stick – haden klingt ja dann doch sehr anders (aber ähnlich trocken).
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