Re: Alice Coltrane (1937-2007)

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DEVADIP CARLOS SANTANA / TURIYA ALICE COLTRANE: ILLUMINATIONS (1974)

„OM / Love Is God / Life, Breath Within Us“

religionsklassentreffen mit guru. der musterschüler von sri chinmoy hat die vorzeigeschülerin von satchidanada eingeladen und carlos santana spielt das dritte partneralbum in folge ein, nachdem sich die beiden mit buddy miles und (ebenfalls satchidananda-jünger) john mc laughlin hervorragend verkauft haben. nun also die wesentlich unbekanntere alice coltrane. das heißt auch: nur noch top 100, nicht mehr top 20. columbia hat sich dennoch den plänen seiner gold- und platinverwöhnten cash cow gefügt.

was die menschen (u.a. auch meine eltern) damals so sehr an santana geliebt haben, an seinem skalengedudel, seinem klischee-energetischem spiel und seinem kreissägen-sound, ist mir seit jeher unbegreiflich. nichts lässt mich da auch nur für eine sekunde aufhorchen. dass er wahrscheinlich ein netter mensch ist und ein großer jazzfan, insbesondere fan der aufnahmen von john coltrane, mag dahingestellt sein. was er genau unter jazz versteht, zeigt mir auch diese, für seine verhältnisse wahrscheinlich hochsensible aufnahme mit der coltrane-witwe nicht.

die sich auch arg zurückhält. sie hat ihre streicher mitgebracht und arrangiert sie ganz hübsch unkitschig, auch ihre harfe hört man hier und da, ansonsten macht sie platz für das aalglatte klavierspiel von tom coster.

nach einführendem segen des gurus lässt allerdings ein vierton-streichermotiv aufhorchen, das dave holland rockig umspielt – ich kannte das lange zuvor vom cinematic orchestra, die daraus ALL THAT YOU GIVE mit fontella bass geloopt haben. hier heißt es „angel of air“ und schnell kommt schon der folgeteil „angel of water“, ein lahmer, poppig verhallter indienkitsch. santanas gitarre macht hier überhaupt keinen sinn in ihrer technische kühle.
sehr hübsch dann das typische alice-stück „bliss: the eternal now“, wo santana nur thema zupft und ansonsten harfe, klavier und streicher dramatisch eine indische hymne imitieren.

herzstück der platte ist die lange playing-orgie „angel of sunlight“, eingeleitet von tambura und tablas, ein climax-solo-reservoir und jack de johnette als antreiber. erst kommt ein fürchterliches klischeesolo von santana, dann vom sopransaxophonisten jules broussard, schließlich packt alice die wurlitzer aus und lässt sie schwitzen – zieht sich aber beim kollektivorgasmus von santana und broussard dezent zurück. die coda „illuminations“ spielt nochmal intim mit streicherdramatik, alices harfe, kleinen gitarrenminiaturen des leaders und den gelackten klavierakkorden von coster.

obwohl alice mit ihren streichern viel zur atmosphäre dieses albums beiträgt und das schöne „bliss“ komponiert hat, ist doch die glätte der produktion auffällig. selbst die harfe hängt klischeehaft sphärisch im hall, die streicher sowieso – geradezu unfreiwillig komisch wirkt der versuch, das einzige heiße santana-solo in den kanälen wandern zu lassen (es klingt wie ein technischer defekt). trotzdem wirkt das ganze durchaus wie ein gemeinschaftswerk (produziert ist es von coster, santana und alice). ein nebenwerk, es stört nicht, es bewegt aber auch nicht. indien scheint so fern wie grönland und auch blues und jazz haben urlaub. ein ethnohauch von kitsch und sanften drogen hängt über dieser kraftlosen meditation. alice befindet sich im übergang und wird bei einem neuen label neue wege gehen.

sollte mir irgendjemand erklären können, was vielleicht doch toll an santana ist: bitte, sehr gerne, ich habe da wirklich erklärungsbedarf.

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