Re: Alice Coltrane (1937-2007)

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gypsy-tail-wind
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vorgartender drang geht wohin? ;-) die linke hand geht ziemlich häufig in die tiefe, ab der mitte etwa, oft in zwei-ton-figuren, ist aber auch egal. ich finde das stck immer faszinierender, je öfter ich das höre.

Oh, da blieb eine Baustelle unfertig – der Drang geht nach oben, rein klanglich aber auch im übertragenen Sinn. Das war bei John Coltrane ja auch oft so – die Tiefe seines Instrumentes lotete er oftmals kaum aus, sein Ton war in der tiefen Lage dünner, weniger glänzend und schön als in der oberen.

vorgartenja, das finde ich auch – die ersten beiden stücke sind eine große bereicherung des albums und eher stärker als schwächer als der rest. ich finde THE SUN interessanter als LORD…, aber beides ziemlich toll. LORD gehört übrigens bei der alice-coltrane-hommage-band HAMMERIVER (von clare cooper) zum festen repertoire.

Die Gruppe hattest Du glaub ich schon mal erwähnt, ich kenne sie nicht. Das erste Stück der CD ist für mich auch gleich das Highlight des ganzen (erweiterten CD-) Albums.

vorgarten… aber das „übermaß an arpeggi“ wird hier allgemein wohl zum knackpunkt des threads. und die „richtungslosigkeit“. ich weiß genau, was du meinst, aber vielleicht muss man die vorstellungen einer „richtung“ überprüfen und arpeggi anders lesen? wären arpeggi denkbar, die nichts „verdecken“, sondern das eigentliche, die substanz sind? kann man eine improvisation nicht-linear denken, als etwas, das eher mit weiteren layern vertieft, aufgefüllt wird und sich nicht in der zeit entwickelt? das sind für mich die fragen, zu denen ich beim hören der musik von alice coltrane heraugefordert werde.

Interessant – ich denke grundsätzlich schon, dass man Interpretation nicht-linear denken kann. Cecil Taylor etwa höre ich auf einiger seiner besten Aufnahmen, ca. zwischen „Unit Structures“ und der Band von 1978 (die für mich ein Höhepunkt seines Schaffens darstellt) auch nicht linear, sondern in einer Art An- und Abschwellbewegung, in Energieleveln, die in einander übergehen. Energie ist für mich bei Taylor ein Schlüsselbegriff zum Verständnis, bei Alice Coltrane wäre es ein anderer, Meditatoin klingt vielleicht zu banal, aber wenn man den Sinn, in dem man von einem Kunstwerk sagen kann: „Das ist eine Meditation über …“ miteinbezieht, kommt er mir nicht gänzlich unpassend vor. Ich hörte auch mal ein Brötzmann-Konzert (Full Blast), bei dem die Musik extrem energiegeladen war, in dem aber fast gar keine Bewegung stattfand, sondern eigentlich alles stets an Ort blieb – das gefiel mir nicht sehr gut, beeindruckte aber nichtsdestotrotz. Die besten Momente waren dann aber die, in denen Brötzmann mit dem Altsaxophon aus dem ganzen statischen Gefüge auszubrechen in der Lage war … und das, um einen Bogen zu Alice Coltrane zu schlagen, gelingt Pharoah Sanders meines Erachtens nicht (gelingt ihm auch bei John Coltrane nicht, er ist eher auch ein statischer Gegenpol zur Entwicklung John Coltranes, eine Folie, ein Teil der Klangkulisse, mit der er sich so um 1966 umgab). Die Statik alleine, das irgendwo verharren, das ist vielleicht aus das zentrale Element des fernöstlichen Einflusses auf Coltranes Musik – mich alleine macht das nicht glücklich, wenn es zum Endzweck wird, aber als Element in einem Ganzen kann es natürlich sehr faszinierend sein – wenn sich eben wie das auf „Ptah“ dann wohl geschieht, Stimmen daran abarbeiten, daraus emporsteigen, um wieder ins Ganze zurückzufallen, wenn daraus quasi ein sich Ausdehnen und wieder Zusammenziehen wird, das wiederum nicht nach einem allzu gleichtönigen Schema erfolgen sollte.

vorgartensiehe oben. spielt sie bei coltrane denn anders als „auf sich alleine gestellt“? mich interessiert sie eigentlich am wenigsten, wenn sie wie tyner klingt, glaube ich. obwohl natürlich die mischung aus bzw. der wechsel zwischen erdung und höheflügen ganz sicher den reiz von vielen AC-momenten ausmacht. ich weiß das alles aber auch noch nicht abschließend, es sind sehr offene fragen.

Klar, zuviele klangen nach Tyner wie zuviele nach Coltrane klangen (und immer noch klingen, der Tyner-Einfluss scheint mir jedoch eher verebbt zu sein) und das ist nicht sehr interessant, wenn das Anlehnen nicht zu etwas Eigenem führt.

Wie sich das bei Alice Coltrane im Vergleich verhält (zwischen den Aufnahmen mit John und ihren eigenen) weiss ich ehrlich gesagt nicht, da ich sie bei John – gerne – hinnehme aber sie mich selten genügend fasziniert, als dass ich z.B. ein ganzes Stück oder Album lang nur auf sie höre (das tue ich aber mit Tyner auch nur selten, am ehesten tue ich es wohl mit Elvin Jones).

(Aber entschuldige, auf welchen Punkt bezieht sich jetzt genau das „siehe oben“?)

vorgartencoltrane bezeichnete pollard ja mal als „große schwester“ – detroit sei sehr stolz auf sie gewesen. interessanterweise kam ja dorothy ashby auch aus detroit. zeimlich hohe dichte von jazzharfenistinnen für eine stadt. ich habe von ihr nur die späte AFRO HARPING, die ich sehr mag. HIP HARP gfiel mir gar nicht.

Mit Coltrane meinst Du jetzt Alice, ja? Ich fiel grad in mein altes Schema und hab mich vorhin sehr gewundert :-)
Von den Ashby-Alben mit Wess finde ich wohl das erste auf Savoy am besten, die beiden Prestige-Alben sind halt irgendwie sehr „Moodsville“-mässig, nur mit Flöte – schade! „Soft Winds“ dann aber, mit Pollard, Herman Wright und Jimmy Cobb, ist im Klang natürlich anders, ohne Bläser. „Afro-Harping“ war mein erstes, das geht ja dann sehr in andere Detroit-Richtungen, da passt auch Cadet als Label ganz gut.

Vorhin hörte ich mir gleich mehrmals am Stück „Huntington Ashram Monastery“ an – ich kannte das Album kaum und habe es seit Jahren nicht gehört – es ist ein Schritt vorwärts nach „A Monastic Trio“, so wie ich es höre. Nicht nur das Harfenspiel ist besser, überhaupt funktioniert die ganze Musik besser. Carter passt hier in der Tat sehr gut, sein Spiel ist flächiger als das von Garrison, auf der Skala von „gehört“ und „gefühlt“ etwas weiter auf der „gehört“-Seite. Seine harmonischen bzw. melodischen Einfälle sind vermutlich spannender, dafür höre ich ihn (was wieder mit der genannten Skala zu tun, dem weniger stark „Gefühlten“) in Sachen Fundament als etwas weniger stark. Aber das macht nichts, weil Coltane selbst in dieser Hinsicht einen grossen Schritt gemacht hat und ihre Musik langsam ein Zentrum findet. Allerdings, weil ich ihn oben ja schon lobte: ich hätte lieber Rileys präzises, trockenes Spiel als Alis ausuferndes dabei. Aber insgesamt gefällt mir das Album doch deutlich besser als „A Monastic Trio“.

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