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Mir leuchtet das ein, was du schreibst – das Coin-Coin-Konzept auf die Idee einer Art Familiengeschichtsschreibung zu reduzieren, griffe mir auch viel zu kurz. Ja, Quilting: Funde und Befunde, Geschichte und Geschichten, Traditionen und Assoziationen, Einsichten und Emotionen, Erlebtes und Angeeignetes, Eigenes und Fremdes aneinander knüpfen … So, wie das Prinzip innerhalb der Platte wirkt und Instrumentales, Spoken Word, Zitate und Inprovisation aneinander Zündfunken schlagen lässt, so ließe sich das weiterführen, in Installationen hinein, Performances, zum Buch verdichtete Textmontagen (oder auch einen Roman, warum nicht?) oder in eine Fundstücke, Fotos, Texttafeln, Bildende Kunst zueinander in Beziehung setzende Ausstellungs-Installation. Der Ansatz überwindet gängige Genre-, Ausdrucks- und Kunstform-Schubladen, er ist durch und durch entgrenzend – so hatte ich das gemeint mit dem Begleitbuch, das ich lesen, und der Ausstellung, die ich besuchen würde …
Ich habe vorhin noch mal über diesen Thread gelesen und den Vorwurf gefunden, dass Coin Coin „sozialkritisch“ sei und „die Welt erklären“ wolle, den „Zeigefinger“ hebe. Das klingt, als handle es sich um eine Art Lehrstück, Geschichtsstunde, Agitprop oder so. Aber ich finde toll, dass Coin Coin eben gerade nicht so ist und von so viel mehr erzählt. Davon, wie reflektierendes Bewusstsein und emotionale Wachheit zusammen erst so etwas wie soul searching ermöglichen. Davon, wie der einzelne seine Identität findet, indem er sich in biographische wie kulturelle wie politische wie musikalische Ahnenreihen und Traditionen und Errungenschaften einordnet. Davon, wie große historische Linien und individuelle Erfahrungen und die assoziative, Haken schlagende, Disparates zusammenfügende Logik der Erinnerung zusammen erst das Ganze ergeben, das so schwer in Worte zu fassen ist und in diesem Kunstwerk umso staunenswerter zueinander findet. Und davon, wie es klingt, wenn Leute spielen können und etwas zu sagen haben.
Ich möchte – falls jemand überlegt, ob er sich auf diese Platte einlassen soll – noch mal darauf hinweisen, dass das alles nicht halb so verkopft wie mein Rumgestochere hier klingt, sondern einfach „funktioniert“ als fesselndes, sinnliches Hör-Erlebnis. Das Ganze wirkt auf mich eben grade überhaupt nicht archivalisch, museal, zeigefingerhaft oder belehrungssüchtig, sondern hat eine derart gegenwärtige, packende Intensität, dass mir dazu nur das pathetische Wort magisch einfällt.
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