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Vielleicht wartet heute abend ja die CD zuhause auf mich … wäre langsam an der Zeit, sie ist schon seit fast einer Woche unterwegs! Aber was die Zitate und Schnipsel betrifft kann ich vermutlich nicht gross helfen.
Was mir sehr einleuchtet ist die Metapher mit dem Kilt – an den man eben überall ansetzen kann, der ein Netz spannt und Bezüge schafft und zu dem jede neue Generation ihren Teil beisteuert, ohne dass das Vorhergegangene ersetzt würde.
Aber ich würde mich hüten davor, das ganze zu stark autobiographisch zu deuten – wie bei wohl jedem grossen Kunstwerk ist die Verflechtung zwischen der Person und dem Werk gewiss vorhanden, aber sie ist vermutlich sehr viel vielschichter, als das Wörtchen „autobiographisch“ sagen kann. Roberts scheint solche Deutungen überdies abzulehnen und betont eher ihre Freude an der Geschichte, an den Fundstücken, die sich aus der Beschäftigung mit ihr ergeben. Davon, dass da direkt Familiengeschichte verarbeitet und erzählt wird, gehe ich jedenfalls nicht aus, sehe das Werk eher als Konglomerat, in das Vieles einfliesst (auch eine traditionsbewusste Sicht auf die Musik, wie man sie von der Chicagoer Avantgarde, der AACM kennt – aber die Chicago-Connection spielt Matana auch herunter … während dem sie sich natürlich darüber freut, wenn man mit ihr über Von Freeman oder auch Lin Halliday spricht, was durchaus bezeugt, dass sie auch die verschütteten Ecken der Jazzgeschichte kennt … aber zu direkten Einflüssen muss das wiederum ja auch nicht führen). Man kann Matana wohl im einen oder anderen, was sie über ihr Werk sagt, auch widersprechen – man soll das auch dürfen, wenn man gute Gründe hat oder auch nur aus dem Gehörten etwas extrahieren kann, das in Widerspruch zu ihren Aussagen steht – es ist ja auch nicht in jedem Fall so, dass die Autorin die beste Kennerin des Werkes ist, dieses besser als alle anderen einschätzen kann (auch wenn sie natürlich Zugänge zum Werk hat, die allen anderen verschlossen bleiben). Dennoch: ich würde nicht von „Autobiographie“ reden wollen.
bullschuetzFür mich ist das Gegengeschichtsschreibung, kulturelle Selbstbehauptung, Erweiterung künstlerischer Ausdrucksrepertoires, Denkfreude kitzelnde Konzeptkunst und pure Hörlust weckende Musikalität in einem – wenn es zu Coin Coin ein begleitendes Buch nebst Ausstellung gäbe, ich würd’s lesen und anschauen.
Das Buch und die Ausstellung wird es dann eben auch nicht geben, befürchte ich – weil das ganze Fiktion ist und nicht Biographie. Fiktion natürlich, die sich auch aus biographischem Wissen speist, das versteht sich von selbst, aber die Ausstellung wäre vermutlich sehr viel umfassender und würde viele Dinge berücksichtigen, die man der Musik nicht direkt anhört, Dinge eben auch, die mit Roberts‘ Biographie nicht direkt verbunden sind.
Aber die Aussage zur kulturellen Selbstbehauptung stütze ich auf jeden Fall! Verstehe bitte meinen Post auch nicht als Widerspruch zu dem, was Du sagst, eher als Ergänzung und Erweiterung (wir können, um beim Bild zu bleiben, zusammen unseren eingene Quilt machen, in dem wir unsere Geschichte zu Matanas Musik zusammenfügen).
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