Re: MATANA ROBERTS – Coin Coin Chapter Two: Mississippi Moonchile

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

Beiträge: 31,444

pinchMich hat damals nur gewundert, dass viele auf die Platte abgefahren sind, die normalerweise fast nie was mit Jazz am Hut haben. Mal gespannt, ob das diesmal auch wieder so sein wird.

Ich fühle mich davon angesprochen – und auch wenn ich kein wirkliches Urteil dazu liefern kann, warum mich gerade dieses Album derart begeisterte, will ich es dennoch versuchen. An „Chapter one“ fasziniert mich gerade das, was captain kidd eher abstößt: Die Geschichte dahinter. Ich bin mit Jazz bis heute sehr wenig vertraut und das hat zumindest teilweise damit zu tun, dass ich den roten Faden der Musik selten ganz fassen kann. Etwa ein Werk wie Evans „Sunday at the village vanguard“ Aufnahme, an der ich mir seit Jahr und Tag die Zähne ausbeiße, liefert mir Musik, die ich nicht in Bezug stellen kann – sie wirkt auf mich zwar schön, nimmt mich aber nicht für sich ein. Roberts hat mir den Zugang sehr leicht gemacht, da sie ein plastisches, sehr greifbares Bild entwirft und eine lange Tradition und Familiengeschichte musikalisch umsetzt, die zu jeder Sekunde sofort spürbar ist. Ich höre in diesem Werk keine Anklage und keinen „Nationalismus“, sondern eine Form von Aufarbeitung, einem Erkunden der eigenen Wurzeln. Und in diesen lebt alles: Die Unterdrückung, der Schmerz, aber auch Liebe und Zuversicht und beständige Hoffnung. Es ist bezeichnend, mit welcher Zärtlichkeit das Album endet (wo der Titel eigentlich so derart grausam ist) und wie jeder Schrei in „I am“ oder „Pov Piti“ durchs Mark geht. Daran ist nichts aufgesetzt und ich habe selten etwas Ergreifenderes gehört. Davon ab bietet mir Roberts aber auch musikalische Trittfläche: Ich habe mich lange Zeit mit Postrock beschäftigt und es gibt kaum Bands, die ich mehr liebe und bewundere, als Godspeed you! black emperor bzw. das A silver Mt. Zion Orchester – ich finde es ganz bezeichnend, dass Roberts dort nicht nur einmal als Gastmusikerin beteiligt war. Mich erinnert ihr Album tatsächlich an vielen Stellen (einige Einlagen in „Song for Eulalie“ etwa, aber auch die generelle Gestaltung von Rhythmik, die Tempowechsel und Klangformen), an deren Aufnahmen. Um wirklich zu beschreiben, was mich an ihrem Werk fasziniert, bräuchte ich mehr Raum und Zeit, bis dahin aber: Ich bekomme dieses Album seit dem Erscheinen aus meinen zwanzig liebsten Alben überhaupt nicht mehr heraus. Es gibt Tage an denen ich dieses Album am Stück über Stunden laufen lasse.
Und es wird faszinierender, mit jedem Hören.

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Hold on Magnolia to that great highway moon